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BMJV verschärft Hatespeech-Entwurf – Angriff auf die Kommunikationsfreiheit im Netz

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Kauz zu glauben, aber wahr: Das BMJV hat den Referentenentwurf für ein „Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)“ noch einmal verschärft und die verschärfte Fassung der Europäischen Kommission zur Notifizierung übersandt (NetzDG, Notifizierungs-Nr. 2017/127/D (Deutschland), Eingangsdatum: 27.3.2017):

  • Die Liste der Straftatbestände (§ 1 Abs. 3 NetzDG-E), für die eine Löschpflicht gelten soll, wurde erheblich erweitert:
    – Zum einen soll die Löschpflicht jetzt auch für pornografische Inhalte gelten.
    – Zum anderen wurden zusätzliche Tatbestände des Staatsschutzes aufgenommen, beispielsweise die „Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90 b StGB)“.
  • Gestrichen wurde die in dem Vorentwurf vorgesehene Verpflichtung der Provider zu „wirksamen Maßnahmen gegen die erneute Speicherung des rechtswidrigen Inhalts“ (§ 3 Abs. 2 Nr. 7 NetzDG-E).
    Die Verpflichtung zur Speicherung der rechtswidrigen Inhalte „zu Beweiszwecken“ wurde zugleich auf zehn Wochen begrenzt (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 NetzDG-E).
  • Geplant ist eine Ergänzung des § 14 Abs. 2 TMG:
    Provider sollen in Zukunft befugt sein, Auskünfte über Bestandsdaten zu erteilen, wenn es um die Durchsetzung „absolut geschützter Rechte“ geht. Das BMJV meint ausweislich der Entwurfsbegründung, hierdurch einen umfassenden Anspruch auf Auskunft über den „Klarnamen“ eines Internetnutzers zu schaffen. Dies wäre nicht weniger als das Ende der Anonymität im Netz, wenn es um Meinungsäußerungen geht.

Besonders bemerkenswert ist die Begründung der geplanten Änderung des § 14 Abs. 2 TMG:

Dort heißt es, man nehme lediglich die Rechtslage vorweg, die sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG-E ergebe. Danach soll eine Datenverarbeitung durch nicht-öffentliche Stellen zulässig sein, wenn

„sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist“.

Der unbefangene Leser würde diese Regelung so verstehen, dass damit eine Datenverarbeitung zur Verfolgung eigener Ansprüche des Datenverarbeiters gemeint ist, vielleicht auch noch eine Datenverarbeitung, die  ein Anwalt oder eine andere Person vornimmt, die mit der Rechtsverfolgung beauftragt ist.

Das BMJV möchte diese Vorschrift aber exzessiv auslegen. Wenn ein Politiker sich demnächst durch einen Tweet in ein schlechtes Recht gerückt fühlt, soll Twitter nach der Lesart des BMJV dem Politiker die ladungsfähige Anschrift des Twitter-Nutzers offenbaren dürfen, um dem Politiker die Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Niemand könnte dann mehr sicher davor sein, dass anonyme Äußerungen im Netz auch tatsächlich anonym bleiben. Ein offenbar gewollter Einschüchterungseffekt, der die Kommunikationsfreiheit im Netz massiv in Frage stellen würde.

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht 29.3.2017 um 08:49 | Permalink

    Bemerkenswert ist zudem, dass bezüglich dieses Regelungsgegenstands eine Notifikation unter Bezugnahme auf die Richtlinie (EU) 2015/1535 erfolgt, obwohl es sich hierbei wohl kaum um eine „technische Vorschrift“ im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie handeln dürfte.

    Rechtsanwalt Nikolaus Wiesel Bonn

  2. Veröffentlicht 29.3.2017 um 09:28 | Permalink

    Darüber hinaus enthält der §24 BDSG-E folgende Einschränkung für die Verarbeitungserlaubnis:

    „sofern nicht die Interessen der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegen.“

    Eine solche Einschränkung findet man im zukünftigen §14 Abs 2 TMG nicht, so dass man insoweit nicht von einer bloßen „Vorwegnahme“ der Rechtslage sprechen kann.

    Rechtsanwalt Nikolaus Wiesel Bonn

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