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Kundenschutz im neuen TKG

avatar  Dr. Gerd Kiparski, MBA
Rechtsanwalt

Das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKModG)

Der deutsche Gesetzgeber novelliert aktuell das TKG. Auslöser hierfür ist der bis zum 21.12.2020 umzusetzende europäische Kodex für die elektronische Kommunikation  Richtlinie (EU) 2018/1972 (TK-Kodex) (hierzu ausführlich Kiparski, CR 2019, 179-188).

Ein erster Entwurf des TKModG, das als Artikelgesetz neben dem TKG (TKG Ref-E) auch weitere Gesetze anpasst, wurde bereits geleakt und von Sebastian Louven zu Bereichen von Verpflichtungszusagen und Einbeziehung von sog. Over-the-Top Anbietern (OTT-Anbietern) in die Marktregulierungspflichten hier im CRonline Blog bewertet.

Nunmehr wurde ein zweiter, überarbeiteter Entwurf Anfang August 2020 geleakt. Eine offizielle Veröffentlichung des TKModG inklusive des TKG Ref-E verbunden mit einer Verbändeanhörung ist allerdings immer noch nicht erfolgt.

Offiziell liegt der Entwurf für ein TKModG momentan noch in der Ressortabstimmung.

Neuer Kundenschutz:  Gerade im Bereich des Kundenschutzes zeichnen sich erhebliche Änderungen ab. Der Kundenschutz findet sich fortan im 3. Teil und umfasst die §§ 49 – 68 TKG Ref-E. Treiber der Änderungen sind:

  • einerseits die Vollharmonisierung, die der TK-Kodex nach seinem Art. 101 Abs. 1 im Bereich der Verbraucherrechte anstrebt und
  • andererseits der Wunsch des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi), pauschale Strafen zu Lasten der TK-Anbieter und zugunsten der Kunden einzuführen.

Einführung einer Vertragszusammenfassung

Gemäß § 52 Abs. 2 TKG Ref-E müssen TK-Anbietern Kunden vor Vertragsschluss eine Vertragszusammenfassung bereitstellen.

EU-Muster:  Diese Vertragszusammenfassung muss nach dem EU-Muster erstellt werden, welches die EU-Kommission in der DurchführungsVO (EU) 2019/2243 festgelegt hat. Die Vertragszusammenfassung darf folgende Länge nicht überschreiten bei einem:

  • einzigen TK-Produkt eine DIN A4 Seite;
  • Bündelprodukt mit mehreren Bestandteilen 3 DIN A4 Seiten.

Form:  In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber aus, dass die Vertragszusammenfassung in Form eines dauerhaften Datenträgers bereitzustellen sei. Diese Formvorgabe findet sich aber weder im Normwortlaut des Art. 102 Abs. 3 TK-Kodex als Ursprungsnorm, noch in § 52 Abs. 2 TKG Ref-E. Der Gesetzgeber geht hier über die Vorgaben des TK-Kodex hinaus und verstößt so gegen den Grundsatz der Vollharmonisierung in Art. 101 Abs. 1 TK-Kodex.

Rechtsfolgen:  Die Vertragszusammenfassung ist nach § 52 Abs. 2 S. 4 TKG Ref-E Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages. Stellt der TK-Anbieter Kunden die Vertragszusammenfassung nicht vor Vertragsschluss bereit, ist der Vertrag so lange schwebend unwirksam, bis der Kunde den Vertrag in Textform genehmigt. Auch hinsichtlich des Formerfordernisses für die Genehmigung der Vertragszusammenfassung geht der Gesetzgeber über die Vorgaben des TK-Kodex hinaus, welcher eine Formfreiheit der Genehmigung vorsieht.

Kein Vertragsschluss am Telefon mehr:  Mit dem Formerfordernis eines dauerhaften Datenträgers werden Verträge, die rein am Telefon geschlossen werden, schwieriger. Hier wird es dem TK-Anbieter nur schwerlich möglich sein, dem Kunden vor Vertragsschluss eine Vertragszusammenfassung auf einem dauerhaften Datenträger bereitzustellen. Der Kunde wird in der Regel im Nachgang die Vertragszusammenfassung genehmigen müssen.

Künftige Vertragsanbahnung am Telefon:  Wenn der TK-Anbieter telefonisch nur die Bestellung (das Angebot) des Kunden entgegennimmt und dies erst im Nachgang nach dem Telefonat annimmt, kann der TK-Anbieter vor Übersenden seiner Annahmeerklärung noch eine Vertragszusammenfassung bereitstellen.

Vertragslaufzeit & Kündigung

Mindest-Dauer:  Die maximal zulässige Mindestvertragslaufzeit bleibt nach § 54 Abs. 1 TKG Ref-E bei 24 Monaten. Nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit kann der Kunde nun aber gemäß § 55 Abs. 3 TKG Ref-E monatlich kündigen.

Vorrang:  Diese Spezialregelungen gehen den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen in § 309 Nr. 9 BGB vor, die hier andere Fristen vorsehen.

Minderungsrecht

Erstmals erhalten Kunden für den Fall der Schlechtleistung ihres TK-Anbieters ein gesetzliches Minderungsrecht in § 55 Abs. 4 TKG Ref-E.

Die Schlechtleistung, also das Zurückbleiben der Leistungsmerkmale des TK-Anschlusses hinter den vereinbarten Werten muss der Kunde nach § 55 Abs. 4 TKG Ref-E über das Mess-Tool der BNetzA nachweisen. Dieses Mess-Tool gibt es nur für Festnetz-, nicht hingegen für Mobilfunk-Anschlüsse. Für diese wird daher faktisch das Minderungsrecht nicht durchsetzbar sein.

Minderung:  Ergibt sich aufgrund der Anschluss-Messung eine Schlechtleistung, kann der Kunde den vereinbarten Preis in dem Verhältnis herabsetzen, in welchem die tatsächliche von der vereinbarten Leistung abweicht. Unklar bleibt das Gesetz, welcher Preis herabgesetzt werden soll und wie die Schlechtleistung zu gewichten ist:

  • Preis:  Klar ist, dass nur der Preis reduziert werden kann, der anteilig auf die schlecht erbrachte Leistungskomponente entfällt. Wenn also der Internetanschluss nicht vertragskonform funktioniert, muss das Entgelt ermittelt werden, das auf den Internetanschluss entfällt und etwaige Entgelte für Sprachflatrates, TV-Produkte, Routermiete etc. in Abzug gebracht werden.
  • Gewichtung:  Auch muss die Schlechtleistung gewichtet werden. Bleibt bspw. nur die Uploadrate hinter der vertraglichen Vereinbarung zurück, muss berücksichtigt werden, dass bspw. die Downloadrate, Jitter und Packet Loss vertragskonform sind.

Sonder-Kündigungsrecht:  Alternativ zur Minderung soll der Kunde auch nach § 314 BGB sonderkündigen können. Der Verweis auf § 314 BGB ist als Rechtsfolgenverweis ausgestaltet und wirkt unverhältnismäßig. Nach der zivilrechtlichen Wertung können Verträge nur bei einem schweren Verstoß gegen vertragliche Pflichten und erst nach Abmahnung außerordentlich gekündigt werden – eben nicht, wie es nun nach § 55 Abs. 4 TKG Ref-E möglich sein soll, bei jedem auch noch so unbedeutenden Verstoß.

Entstörung

Gänzlich neu geregelt wird die Anschluss-Entstörung in § 56 TKG Ref-E:

Anspruch:  Hiernach besteht ein Anspruch des Kunden auf Anschluss-Entstörung.

Vertragsstrafen:  Fällt der Anschluss des Kunden 3 Tage oder länger komplett aus, hat der Kunde nach § 56 Abs. 2 TKG Ref-E einen pauschalen Vertragsstrafenanspruch gegen seinen TK-Anbieter i.H.v. 5 Euro pro Tag oder aber 10% des Monatsentgeltes, je nachdem, was jeweils höher ist; ab dem 5. Tag sogar von 10 Euro pro Tag oder 20% des Monatsentgeltes. Oftmals ist im Rahmen der Entstörung auch der Besuch eines Technikers beim Kunden erforderlich. Erscheint dieser Techniker nicht wie vereinbart, hat auch hier der Kunde einen pauschalen Vertragsstrafenanspruch gegen seinen Anbieter i.H.v. 10 Euro pro verpassten Termin oder aber 20% des Monatsentgeltes.

Anbieterwechsel & Umzug

Anbieterwechsel und Umzug erhalten beide zukünftig für den Fall der Unterbrechung eine pauschale Vertragsstrafenregelung zugunsten des Kunden.

Vertragsstrafen:  Dem Kunden wird im Falle einer längeren, als der gesetzlich zulässigen Unterbrechung ein Betrag i.H.v. 10 Euro pro Tag oder aber 20 % des Monatsentgeltes zugestanden. Zudem hat der Kunde im Umzugsfall Anspruch auf pauschal 10 Euro oder aber 20% des Monatsentgeltes, wenn der Techniker nicht wie vereinbart zum Termin beim Kunden erscheint.

Sperre wegen Zahlungsverzugs

Der Verzugs-Schwellbetrag, ab dessen Überschreitung der TK-Anbieter zur Sperre des Anschlusses berechtigt ist, wird in § 59 Abs. 4 TKG Ref-E von 75,- Euro auf nun 100,- Euro angehoben. Zudem findet dieser Verzugs-Schwellbetrag nun auch auf Internetzugangs-Verträge Anwendung, zuvor waren es nur Telefonie-Verträge.

Anrechenbare Leistungen:  In der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber aus, dass auf den Betrag von 100,- Euro nur Forderungen aus Verbindungsleistungen angerechnet werden dürfen, nicht hingegen Grundgebühren, Mahngebühren und Serviceentgelte. Angesichts dessen, dass TK-Leistungen fast nur noch über Flatrates mit Grundgebühren abgerechnet werden, mutet diese Einschränkung wirklichkeitsfremd an.

Gesetzgebungsverfahren:  weiterer Ablauf

Es ist zu erwarten, dass das TKModG im Herbst vom Kabinett verabschiedet werden wird und dann ins parlamentarische Verfahren geht.

Inkrafttreten:  Damit scheint ein Inkrafttreten zum 21.12.2020, dem Zieldatum für die Umsetzung des TK-Kodex, kaum noch möglich zu sein. Wahrscheinlicher erscheint hier das Frühjahr 2021 zu sein.

Keine Umsetzungsfrist:  In seinem Art. 56 regelt der überarbeitete Entwurf für ein TKModG, dass das Gesetz ohne Umsetzungsfrist am Tag nach Verkündung in Kraft treten soll.

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