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BMJ-Papier zur Bestandsdatenauskunft: Gewinn für den Rechtsstaat oder Augenwischerei?

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„Geleakte“ Papiere aus Bundesministerien gehören fast schon zum Alltag. Kollege Thomas Stadler hat jetzt auf seiner Website Internet-Law ein solches „Argumentationspapier“ aus dem Bundesjustizministerium (BMJ) veröffentlicht. Es geht um den Entwurf der Bundesregierung zur „Neuregelung der Bestandsdatenauskunft“ v. 26.9.2012.

Hintergrund

Der Gesetzesentwurf geht auf die Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 24.1.2012 – 1 BvR 1299/05, CR 2012, 245 m. Anm. Schnabel zurück. In dieser Entscheidung hatte das BVerfG § 113 TKG teilweise für verfassungswidrig erklärt. Dies allerdings aus einem eher formalen Grund: § 113 TKG verpflichtet in seiner bisherigen Fassung die TK-Provider zur Auskunftserteilung. Das BVerfG bemängelte, dass es an einer “Doppeltür” fehlt: Es bedürfe korrespondierender Normen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen Behörden berechtigt sind, von einem Provider Auskünfte zu verlangen.

Das BMJ-Papier

In dem BMJ-Papier werden die jetzt vorgeschlagenen Befugnisnormen als Gewinn für den Rechtsstaat begrüßt:

„Darin liegt ein rechtsstaatlicher Zugewinn im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage, weil überhaupt erstmalig ausdrückliche und transparente Rechtsgrundlagen mit ausformulierten – und damit die Erhebungsmöglichkeiten einschränkenden – Tatbestandsvoraussetzungen für die Erhebung von Bestandsdaten in den Fachgesetzen geschaffen werden.“

Bei näherer Lektüre der Norm fragt sich der geneigte Leser, ob dies nicht Augenwischerei ist. So soll es für Auskunftsersuchen des Bundesverfassungsschutzes ausreichen, dass Auskünfte “zur Erfüllung der Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz erforderlich sind“. Entsprechende Befugnisnormen sollen für die anderen Nachrichtendienste gelten (Härting, „IP-Adressen: Nachrichtendienste sollen weitgehende Rechte zur Identifizierung von Internetnutzern erhalten“, CRonline Blog v. 31.10.2012).

Konsequenz

Praktisch gesprochen: Die vorgeschlagenen Normen würden es den Nachrichtendiensten erlauben, an TK-Provider heranzutreten mit der Aufforderung zur Identifizierung von Internetnutzern („Bestandsdatenauskunft“). Die einzige rechtliche Hürde, die die Nachrichtendienste nehmen müssten, wäre ein Hinweis auf die „Erforderlichkeit“ der Auskünfte. Sollte der Rechtsstaat wirklich so bescheiden sein bei der Kontrolle von Nachrichtendiensten, wie dies die Bundesregierung meint?

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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