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Persönlichkeitsschutz, Datenschutz, „Porno-Pranger“

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Eine Regensburger Anwaltskanzlei sorgt weiter für Gesprächsstoff, nachdem sie damit gedroht hat, eine „Gegnerliste“ online zu publizieren mit den Namen von Personen, die des illegalen Downloads von Pornofilmen verdächtigt werden. Kommunikationsfreiheit vs. Persönlichkeitsschutz – eine klassische Abwägung, die zu Lasten der Anwälte ausfallen muss, da die angekündigte Veröffentlichung die Betroffenen offensichtlich dazu nötigen soll, Unterlassungserklärungen abzugeben und Gebühren zu bezahlen. Um dies zu erreichen, steht den Mandanten aus der „Erotikbranche“ der Rechtsweg offen. Wer – wie die bayerischen Anwälte – die publizistische Ãœberholspur wählt, begibt sich in bedenkliche Nähe zur Nötigung (§ 240 StGB). Es verwundert daher nicht, dass das LG Essen eine entsprechende Unterlassungsverfügung im einstweiligen Rechtsschutz erlassen hat (LG Essen, Beschl. v. 30.8.2012, Az. 4 O 263/12, vgl. Härting, CRonline Blog v. 3.9.2012).

Parallele Zuständigkeit

So weit, so richtig. Doch damit nicht genug: Das Bayerische Landesamt für Datenschutz hat gegen die Regensburger Kollegen eine Untersagungsverfügung erlassen, wie die Kanzlei auf ihrer Website selbst berichtet (http://www.urmann.com/gegnerliste.htm). Nebeneinander werden jetzt somit zivil- und datenschutzrechtliche Verfahren geführt. Eine Konstellation, die an „spickmich.de“ und „meinprof.de“ erinnert. Gegen das Lehrerbewertungsportal „spickmich.de“ gingen Lehrer – erfolglos – bis zum Bundesverfassungsgericht vor (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2009 VI ZR 196/08, CR 2009, 593) . Gegen das Professorenportal „meinprof.de“ erließ der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte zur selben Zeit einen Bußgeldbescheid (vgl. Spiegel Online v. 30.4.2008).

Persönlichkeitsschutz auf dem Zivilrechtsweg; Datenschutz im behördlichen Verfahren; dazu noch zunehmend Abmahnungen der Verbraucherschützer – Ist dieses Nebeneinander eigentlich sinnvoll? Warum soll eine Datenschutzbehörde nur deshalb zuständig sein, weil eine „Gegnerliste“ im Internet verbreitet wird? Wird dieselbe „Gegnerliste“ per ganzseitiger Zeitungsannonce publiziert, gibt es eine solche Zuständigkeit nicht. Und warum sollen staatliche Behörden zu umfassenden „Persönlichkeitsschutzbehörden“ werden, weil die Kommunikation zunehmend mit Daten als Rohstoff arbeitet?

Umgekehrte Vorzeichen

Das unverbundene Nebeneinander von Persönlichkeits- und Datenschutz ist umso fragwürdiger, als die materiellen Regelungen der beiden Rechtsmaterien auf gänzlich verschiedenen Fundamenten ruhen:

Beim Persönlichkeitsrecht gilt der Satz, den jeder Student im mittleren Semester zu § 823 Abs. 1 BGB lernt: Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht „indiziert“ die Rechtswidrigkeit nicht, denn Kommunikation ist nicht grundsätzlich verboten, sondern erlaubt.

Im Datenschutzrecht ist es genau umgekehrt: Es gilt das Verbotsprinzip, und für jede Form der datengestützten Kommunikation bedarf es einer gesetzlichen Grundlage bzw. einer Einwilligung aller Betroffenen. Rein theoretisch wäre es somit vorstellbar, dass ein „Porno-Pranger“ oder ein Lehrerbewertungsportal zivilrechtlich erlaubt und nach dem strengen Buchstaben des Datenschutzrechts verboten ist. Ergebnis: Rechtsunsicherheit, flächendeckend.

Die Brüsseler Vorschläge zum EU-Datenschutz würden die Überschneidungen und Widersprüche in keiner Weise auflösen. Im Gegenteil: Der jetzige Zustand sich überschneidender, gegenläufiger Regelungen würde sich fortsetzen. Zugleich würde eine pyramidenartige Struktur europäischer Datenschutzbehörden die Tendenz zu einer Überwachung jedweder datengestützter Kommunikation fördern. Brüssel erhebt leider nicht einmal den Anspruch, das Datenschutzrecht zu modernisieren und internettauglich zu machen.

Um skandalösen Übergriffen à la Regensburg entgegenzuwirken, braucht man weder nationale noch gar europäische Datenschutzbehörden: Der Gang zum Zivilrichter und zum Staatsanwalt wird reichen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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