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„Meine Daten gehören mir“ – Warum EU-Kommissarin Reding irrt.

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EU-Kommissarin Viviane Reding hat wieder einmal ein Interview gegeben. Erschienen ist das Interview in der neuesten Ausgabe der „WirtschaftsWoche“, Ãœberschrift: „Meine Daten gehören mir„.

Kritik am Bundesinnenminister

Frau Reding übt ungewöhnlich scharfe Kritik am deutschen Bundesinnenminister: „Der deutsche Innenminister sollte sich endlich konstruktiv in die Verhandlungen in Brüssel einbringen.“ Mit fast schon beleidigtem Unterton weist sie darauf hin, man habe sich doch bei dem Entwurf eines einheitlichen europäischen Datenschutzrechts am deutschen Datenschutzrecht orientiert (Antwort auf die Frage nach einer Garantie, „dass ein einheitliches EU-Datenschutzrecht nicht hinter deutsches Niveau zurückfällt„).

Verfassungswidriges Leitprinzip

Antwort auf die Frage zum Vorschlag der Kommission, „dass jeder Bürger seine Daten ‚zurückfordern‘ kann„:

„Für mich gilt das Prinzip: Meine Daten gehören mir.“

Mit diesem Satz gibt die EU-Kommissarin zu erkennen, dass sie ein verkürztes Verständnis der Konfliktlagen hat, die sich im Internet stellen. Denn das Internet ist nicht nur ein Ort, an dem Bürger Unternehmen Daten „aushändigen“. Vielmehr ist das Netz auch ein Forum der Kommunikation. Demokratischer Austausch, Meinungsbildung und die Wahrnehmung elementarer Bürgerrechte prägen das Netzgeschehen und fordern eine ausgewogene Balance zwischen Persönlichkeits- und Datenschutz einerseits und freier Information und Kommunikation andererseits.

Dass es in einer demokratischen Gesellschaft kein eigentumsähnliches „Recht auf meine Daten“ geben kann, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 erkannt (BVerfG, Urt. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. zu C.II.1.b) = Rz. 150):

„Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über ‚seine‘ Daten; er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Grundgesetz hat, wie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach hervorgehoben ist, die Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden …“ (Hervorhebung nicht im Original)

Würden die Vorstellungen von Frau Reding Wirklichkeit, entstünde ein Datenschutzrecht, das den kommunikativen Funktionen des Datenaustausches nicht Rechnung trägt und den Schutz der freien Kommunikation als Randaspekt betrachtet. Mächtige europäische Datenschutzbehörden würden die Netzkommunikation überwachen im Zeichen eines „Rechts auf meine Daten“, zu dessen Schutz sich Brüssel berufen fühlt. Und das BVerfG, das hierzulande seit nahezu 30 Jahren um eine Balance zwischen Persönlichkeitsschutz und Gemeinschaftsbelangen bemüht ist, müsste tatenlos zusehen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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