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Mechanismen zur gemeinsamen Nutzung von eBooks

avatar  Oliver Stiemerling
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Systeme und Anwendungen der Informationsverarbeitung

eBooks haben zusammen mit entsprechenden Lesegeräten unbestreitbare Vorteile, insbesondere in Bezug auf die schnelle Verfügbarkeit,  das geringe „Gewicht“ beim Reisen und den gesparten Platz zu Hause im Regal.

Beim gemeinsamen Umgang mit eBooks, z.B. beim Verleihen, Weiterverschenken oder Weiterverkaufen, zeigen sich jedoch in den aktuellen Systemen gewollte technische Einschränkungen. Insbesondere in geschlossenen Systemen, d.h. Systemen, in denen die gekauften Büchern bis hin zum Lesegeräte durch den Verkäufer kontrolliert werden können, sind bei eBooks Mechanismen möglich, die die gemeinsame Nutzung dieser Bücher stärker als bei Papierexemplaren einschränken oder sogar komplett unterbinden. Diese Mechanismen werden im Folgenden am Beispiel des Amazon kindle-Systems diskutiert.

Darstellung eines gekauften eBooks auf verschiedenen Geräten nur für einen Benutzer

Das Amazon kindle-System erlaubt die Darstellung eines gekauften eBooks auf bis zu sechs Geräten gleichzeitig. Diese Geräte müssen allerdings alle mit dem gleichen Amazon-Nutzerkonto verbunden sein, was nur exklusiv möglich ist. D.h., man kann nicht gleichzeitig mit einem Device auf die gekauften Inhalte mehrerer Konten zugreifen. Das „Ummelden“ eines Geräts ist zu umständlich, um für eine gemeinsame Nutzung einzelner Bücher praktikabel zu sein. Dieses Feature dient also eher der Bequemlichkeit eines Nutzers mit mehreren Geräte (z.B. einem Kindle, einem IPad mit Kindle-Anwendung und einer Android-Smartphone, ebenfalls mit Kindle-Anwendung). Vorstellbar ist zudem, dass Familien, in denen Inhalte nur über ein Kundenkonto gekauft werden, eBooks so gemeinsam nutzen können.

Nur in den USA: Einmaliges, 14-tägiges Verleihen eines Buchs an einen anderen Benutzer

Wenn man im Besitz eines Kundenkontos bei Amazon.com (nicht Amazon.de) ist, gibt es die technische Möglichkeit, ein gekauftes eBook einmalig für 14 Tage einem beliebigen anderen Nutzer zur Verfügung zu stellen. Während dieser Zeit kann der Käufer nicht auf das Buch zugreifen. Der Ausleiher hat dann nach Ablauf der 14 Tage keinen Zugriff mehr auf das Buch.

Dieser Mechanismus ist einerseits wesentlich restriktiver als bei Papierbüchern, die man – so man sie denn  zurückbekommt – beliebig oft  und beliebig lange verleihen darf. Auf der anderen Seite kann man das eBook auch ohne Zeitverzögerung, großen organisatorischen Aufwand oder Versandkosten an jemandem verleihen, der 4000 Kilometern entfernt wohnt – was bei Papierbüchern offensichtlich nicht so einfach geht.

In den USA hat sich gezeigt, dass sogar um die oben beschriebene sehr restriktive Verleihfunktion herum sofort Online-Portale ( z.B. lendingebook.com) gegründet wurden, die das kostenfreie Verleihen von Büchern zwischen Unbekannten im Sinne einer halb-manuellen „peer-to-peer“-Tauschbörse organisieren. Das wäre mit Papierbüchern auf Grund der höheren Transaktionsaufwände und –kosten nicht in dieser Form machbar und kann im schlechtesten Falle den Markt für eBooks-Verkäufe halbieren (da jeder echte Käufer das Buch genau einmal verleihen kann).

Fazit und Ausblick

Geschlossene Systeme zur Vermarktung von geistigem Eigentum erlauben eine sehr differenzierte und freie Gestaltung der Funktionen zum gemeinsamen Nutzen der betreffenden Inhalte. Anscheinend gehen die Anbieter (zumindest Amazon) mit diesen Funktionen sehr vorsichtig (d.h. restriktiv) um, um sich damit kein kommerzielles „Eigentor“ zu schießen.

In Zukunft wird interessant sein zu beobachten, ob die Kunden einem effektiv nicht verleihbaren und nicht weiterverkaufbaren Buch einen geringeren Wert zumessen oder ob die Betreiber der geschlossenen Systeme neue Funktion erfinden, die die gemeinsame Nutzung von gekauften eBooks möglich machen, ohne dabei direkt das ganze Geschäftsmodell in Frage zu stellen. Vorstellbar wäre, dass ähnlich wie bei gruppenbasierten Mobilfunktarifen, jeder Nutzer eine stabile aber in ihrer Größe stark limitierte und nicht schnell änderbare Gruppe von z.B. 5 „Friends“ anlegen kann, mit denen er Bücher tauschen kann. Eine andere Idee wäre, dass man ungelesene eBooks an einen anderen Nutzer weiterverschenken oder -verkaufen darf. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

 

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