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Das frisch kastrierte Kleinstleistungsschutzrecht

avatar  Niko Härting

Nach allen Verlautbarungen der letzten 24 Stunden soll die Kernnorm für das Leistungsschutzrecht der Presseverleger jetzt lauten:

§ 87 f UrhG-E Presseverleger

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.“

Ausnahme für Snippets?

Ob und inwieweit mit „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ der Dienst Google News gemeint ist, bleibt unklar. Dies ist bizarr, denn ohne Google News wäre niemand auf die Idee gekommen, ein Leistungsschutzrecht der Presseverleger zu fordern. Es ging den Protagonisten stets mehr oder weniger um die Abschöpfung von „Gewinnen“, die Google mit dem Google News-Portal erzielt (Härting, „Leistungsschutzrecht für Presseverlage?“,  CRonline Blog v. 5.3.2012). Da grenzt es schon an Realsatire, wenn jetzt ein Gesetz verabschiedet werden soll, das Google die Möglichkeit bietet, bis zum BVerfG über die richtige (verfassungskonforme) Auslegung des Gesetzes zu streiten. Welch ein Offenbarungseid des Gesetzgebers, wenn man auf diese Weise die Kernfrage eines neuen Gesetzes den Gerichten überantwortet.

Kastration eines zahnlosen Tigers

Auch ohne die jüngste Volte war und ist das Gesetzesvorhaben alles andere als ein Ruhmesblatt. Ãœberzeugende Argumente, weshalb es eines Leistungsschutzrechts der Presseverleger bedarf: Mangelware, vgl. nur die „Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für eine Ergänzung des Urheberrechtsgesetzes durch ein Leistungsschutzrecht für Verleger“ des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht v. 27.11.2012. Auch ohne die koalitionäre „Kleinstausnahme“ war das Gesetzesvorhaben zudem ein zahnloser Tiger, seitdem man darauf verzichtet hatte, Zwangsabgaben und Verwertungsgesellschaften gesetzlich einzuführen (Härting, „Leistungsschutzrecht der Presseverleger à la FDP: Sieg des Subversiven“, CRonline Blog v. 14.6.2012).

Am Ende steht ein Tiger, der nicht nur zahnlos ist, sondern auch noch kastriert. Keine Welt wird untergehen, wenn ein solches Gesetz tatsächlich käme. Dennoch bleibt das Ganze überflüssig und ärgerlich wie der berühmte Kropf.

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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