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Wiederaufleben des fliegenden Gerichtsstandes

avatar  Dr. Gerd Kiparski, MBA
Rechtsanwalt

Das LG Düsseldorf (Beschl. v. 15.1.2020 – 38 O 3/21) hat den fliegenden Gerichtsstand in Wettbewerbssachen, den der Gesetzgeber gerade erst mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beerdigt hatte, zu neuem Leben erweckt.

Ausführlich hierzu:
Wettig/Kiparski, „Wiederaufleben des fliegenden Gerichtsstandes contra legem!?“, CR 2021, 177-182
Dr.  Steffen Wettig betreut das Verfahren vor dem LG Düsseldorf und dem OLG Düsseldorf inhouse für die Antragsgegnerin.
Dr. Gerd Kiparski, MBA ist Head of Legal der Antragsgegnerin.

1. Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat der Gesetzgeber u.a. den bisherigen fliegenden Gerichtsstand des § 14 Abs. 2 UWG a.F. mit dem neuen § 14 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UWG für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien ausgeschlossen:  ausführlich zu den wichtigsten Änderungen und ihren praktischen Auswirkungen Föhlisch, CR 2020, 796 (801f.).

Fliegender Gerichtsstand

Fliegender Gerichtsstand ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, mithin des Begehungsortes gem. § 32 ZPO. Unter Geltung des früheren § 14 Abs. 2 UWG a.F. war bei Wettbewerbsverstößen als unerlaubte Handlungen auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen worden oder der Erfolg eingetreten war. Gerade bei Wettbewerbsverstößen, die im Internet begangen werden, ist der Erfolgsort das gesamte Bundesgebiet, womit gem. § 14 Abs. 2 UWG a.F., § 32 ZPO jedes deutsche Landgericht zuständig war und der Antragssteller sich ein Gericht für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aussuchen konnte.

Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes

Weil die Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gebietet, dass der zuständige Richter nicht durch sachfremde Einflüsse bestimmt werden soll oder eine gezielte Auswahl stattfindet (BT-Drs. 19/12084, S. 35), hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs den fliegenden Gerichtsstand des § 14 Abs. 2 UWG a.F. erheblich eingeschränkt. Letztlich will der Gesetzgeber beim Gerichtstand Waffengleichheit zwischen dem Antragssteller und dem Antragsgegner eines einstweiligen Verfügungsverfahrens in Wettbewerbssachen schaffen:

  • Der Antragsgegner muss sich auf das Verfahren einlassen,
  • der Antragssteller bestimmt Zeitpunkt, Art und Umfang des Antragsgegenstandes.

Bei Verstößen im Internet:  Bisher konnte der Antragsteller bei Verstößen im Internet zudem auch noch das zuständige Gericht bestimmen und sich so ein Gericht aussuchen, das nach der bisherigen Entscheidungspraxis seinem Antrag positiv gegenüber eingestellt ist. Deswegen soll nun mit der Änderung des § 14 UWG der Antragsgegner den Vorteil erhalten, dass der Antrag vor dem Gericht verhandelt wird, in dessen Bezirk er seinen Sitz hat (Drs. 19/12084, S. 35). Der Antragsteller soll sich das Gericht nicht mehr frei aussuchen können.

Motive des Gesetzgebers:  Der Referentenentwurf von § 14 Abs. 2 UWG sah noch einen gänzlichen Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes vor (Drs. 19/12084, S. 10). Im Gesetzgebungsverfahren wurde dieser Ausschluss aufgeweicht und bleibt in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur noch für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen

  • im elektronischen Geschäftsverkehr oder
  • in Telemedien erhalten (BT-Drs. 19/22238, 8).

Der Gesetzgeber führt hierzu aus, dass die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes damit auf die besonders missbrauchsanfälligen Verstöße beschränkt werden soll (BT-Drs. 19/22238, 10). Die Erwägungen des Referentenentwurfs zur Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes (Waffengleichheit zwischen Antragssteller und Antragsgegner) gelten aber auch weiterhin für die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes.

2. Entscheidung des LG Düsseldorf

Das LG Düsseldorf (Beschl. v. 15.1.2020 – 38 O 3/21) hat mit seiner jüngsten Entscheidung diese Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes nunmehr nahezu komplett wieder zurückgedreht:

Sachverhalt

Inhaltlich ging es in dem Verfahren vor dem LG Düsseldorf um einen Antrag auf einstweilige Verfügung wegen Wettbewerbsverstößen, die in einem TV-Werbespot, auf einer Internetseite, in einer Print-Anzeige und in einem YouTube-Spot begangen wurden. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk des LG Düsseldorf.

Örtliche Zuständigkeit

Verstöße im Internet:  Das LG Düsseldorf hat seine örtliche Zuständigkeit nicht nur hinsichtlich der auch in seinem Gerichtsbezirk erfolgten TV- und Print-Werbung, sondern auch hinsichtlich der Werbung im Internet und auf YouTube angenommen. Mithin erachtete sich das LG Düsseldorf auch für unlauteres Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien zuständig, obwohl die Antragsgegnerin ihren Sitz nicht in seinem Gerichtsbezirk hat.

Begründet hat das LG Düsseldorf seine örtliche Zuständigkeit damit, dass der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht jedes unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasse. Nach Sinn und Zweck soll sich der Ausschluss des fliegenden Gerichtsstandes nur auf solche unlauteren Handlungen beschränken, die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfen.

Ergo:  Es muss sich bei der wettbewerbswidrigen Handlung gerade um einen solchen Verstoß handeln, der nur im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangen werden kann, der mithin tatbestandlich schon an diese Medien anknüpft.

Folge:  Handlungen, die auch in anderen Medien begangen werden können, würden demnach nicht unter den Ausschluss des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG fallen. Der Ausschluss würde dann nur bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten, die speziell im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien Anwendung finden, gelten.

3. Auswirkungen

Dieser Ansatz des LG Düsseldorf lässt die Regelung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG weitestgehend leer laufen und konterkariert die Intention des Gesetzgebers, die er mit der Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes verfolgt hat.

Aushebelung von Zuständigkeitskonzentrationen:  Auch sieht § 14 Abs. 3 UWG nunmehr vor, dass die Landesregierungen durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte eines von ihnen als Gericht für Wettbewerbsstreitsachen bestimmen können. Diese Konzentrationsmöglichkeit könnte leicht unterlaufen werden, wenn sich der Antragssteller das zuständige Gericht im Wege des fliegenden Gerichtsstandes aussuchen kann und dann ein Landgericht in einem Bundesland wählt, dass von der Konzentrationsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.

Keine Waffengleichheit:  Der Gesetzgeber wollte mit der Novellierung des § 14 UWG den fliegenden Gerichtsstand weitestgehend einschränken, da dieser zu erheblichen Vorteilen für den Antragssteller führt. Der Antragssteller konnte sich bei (vermeintlich) unlauteren Handlungen im Internet oder in Telemedien den Gerichtsstand frei im Bundesgebiet aussuchen und wählte dabei ein Gericht, dessen Rechtsprechung für ihn günstig war. Ein Grund für diesen erheblichen Vorteil zugunsten des Antragsstellers ist nicht ersichtlich und ein solcher Vorteil unter Berücksichtigung der Vorgaben des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG auch höchst bedenklich. Den gesetzlichen Richter sollte sich eine Verfahrenspartei nicht frei aussuchen dürfen.

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