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Zusammenarbeit von BND und NSA: 7 Fragen, 7 Antworten

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Spiegel Online berichtet heute, dass der BND „massenhaft“ Verbindungsdaten („Metadaten“) erhebt und an die NSA weiterleitet. Dies habe der BND ausdrücklich in einer Mitteilung bestätigt, aus der Spiegel Online zitiert („Ãœberwachung: BND leitet massenhaft Metadaten an die NSA weiter“, Spiegel Online v. 8.3.2013).

Der Bericht wirft einige Fragen auf:

Frage 1:  Betreibt der BND Vorratsdatenspeicherung?

Antwort:  Ja.

Dass der BND in großem Umfang E-Mails mit Suchbegriffen durchforstet, ist bekannt. Nicht bekannt ist bisher, dass zusätzlich noch – in offenkundig beträchtlichem Ausmaß – Verbindungsdaten erfasst werden. Ein besonders brisantes Thema, da nicht auszuschließen ist, dass der BND Vorratsdatenspeicherung betreibt, obwohl ihm das BVerfG das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Anfang 2010 für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben hat (BVerfG, Urt. v. 2.3.2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 u. 1 BvR 586/08, CR 2010, 232 m. Anm. Heun).

Frage 2:  Hat die parlamentarische Kontrolle des BND versagt?

Antwort:  Ja.

In den jährlichen Berichten der Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKrG) findet sich nicht der leiseste Hinweis auf die („massenhafte“) Erhebung von Verbindungsdaten. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, die E-Mail-Kontrolle beschränke sich darauf, Mailbestände mit einer Vielzahl von Suchbegriffen zu durchforsten und die „Treffer“ (2010: 37 Mio. Mails) auf „nachrichtendienstliche Relevanz“ zu prüfen (vgl. Härting, „Bundesregierung bestätigt: BND prüfte 2010 die ‚nachrichtendienstliche Relevanz‘ von 37 Mio. Mails“, CRonline v. 24.5.2012).

In dem Bericht des PKrG heißt es zum Jahr 2010 beispielsweise:

„Strategische Kontrolle bedeutet, dass nicht der Post- und Fernmeldeverkehr einer bestimmten Person, sondern Telekommunikationsbeziehungen, soweit eine gebündelte Ãœbertragung erfolgt, nach Maßgabe einer Quote insgesamt überwacht werden. Aus einer großen Menge verschiedenster Gesprächsverbindungen werden mit Hilfe von Suchbegriffen einzelne erfasst und ausgewertet.“

(erster Absatz zu IV.1. auf Seite 5 im Bericht v. 10.2.2012 gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 dieses Gesetzes (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2010))
(vgl. auch – fast wortgleich den Bericht für 2011: erster Absatz zu IV.1. auf Seite 6 im Bericht gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) über die Durchführung sowie Art und Umfang der Maßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 dieses Gesetzes (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2011))

Kein Wort zur Erfassung von Verbindungsdaten (!), wofür es zwei mögliche Erklärungen gibt:

  • Unkenntnis:  Entweder hat der BND dem PKrG die heimliche „Vorratsdatenspeicherung“ verschwiegen. Dies wäre skandalös.
  • Intransparenz:  Oder die Parlamentarier haben es verabsäumt, die Öffentlichkeit pflichtgemäß über den brisanten Vorgang zu unterrichten. Dies wäre gleichfalls ein Skandal.

Frage 3:  Ist der BND überhaupt befugt, Verbindungsdaten zu erheben?

Antwort:  Nein.

Als Rechtsgrundlage kommt allenfalls § 2 Abs. 1 Satz 3 G10-Gesetz in Betracht:

„Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt, hat der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über die näheren Umstände der nach Wirksamwerden der Anordnung durchgeführten Telekommunikation zu erteilen…“

Dies Norm ist mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig, da sie lediglich die Verpflichtung der Provider zur Auskunft regelt, nicht jedoch die Voraussetzungen, unter denen der BND Verbindungsdaten herausverlangen kann. In seinem Urteil zur Bestandsdatenauskunft hat das BVerfG ähnliche Normen, die lediglich Auskunftspflichten, nicht jedoch die Auskunftsvoraussetzungen regelten, für verfassungswidrig erklärt (BVerfG, Beschl. v. 24.1.2012 – 1 BvR 1299/05, CR 2012, 245 m. Anm. Schnabel).

Frage 4:  Ist der BND zu einer Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten befugt?

Antwort:  Ja.

Ein Nachrichtendienst hat per definitionem die Aufgabe, Informationen zu sammeln, und die Zusammenarbeit mit „befreundeten“ Geheimdiensten gehört seit eh und je zu den bewährten Methoden, mit denen ein Nachrichtendienst seine „Aufklärungsaufgaben“ erfüllt. Es liegt somit in der Logik der Geheimdienste, dass sie untereinander Informationen austauschen.

Soweit es um Informationen geht, die der BND durch Abhörmaßnahmen sammelt, ist er gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 G10-Gesetz befugt, persönliche Daten an ausländische Nachrichtendienste weiterzuleiten, soweit es um internationalen Terrorismus, Exportkontrolle und die Bekämpfung des Menschenhandels geht. Die Befugnis besteht allerdings nur, soweit in dem ausländischen Staat, um den es geht, ein „angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist“ (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 G10-Gesetz).

Frage 5:  Welche Rolle spielt das Bundeskanzleramt?

Antwort:  Das Bundeskanzleramt ist die Genehmigungsbehörde.

Das Bundeskanzleramt muss jeder Übermittlung von personenbezogenen Daten an einen ausländischen Geheimdienst zustimmen:

„Die Ãœbermittlung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramtes.“
(§ 7a Abs. 1 Satz 2 G10-Gesetz)

Nirgendwo wird man besser Bescheid wissen über die Zusammenarbeit des BND mit „befreundeten Diensten“ als im Bundeskanzleramt.

Frage 6:  Sind die umfangreichen Überwachungsmaßnahmen des BND verfassungskonform?

Antwort:  Nein.

Die Befugnis des BND, bis zu 20 % der Kommunikation mit dem Ausland zu überwachen, steht in keinem Verhältnis zu den nachgewiesenen Erfolgen dieser Maßnahmen. Das verfassungsrechtliche Übermaßverbot wird verletzt.

Frage 7:  Warum hat sich das BVerfG nicht schon längst mit den Überwachungsbefugnissen des BND befasst?

Antwort:  Ohne Kläger, kein Richter.

Schon vor dem 11.9.2001 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung die Ãœberwachungsbefugnisse des BND massiv erweitert. Sogar der grüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele stimmte – mit erklärtem „Bauchgrimmen“ (Punkt VII.) – zu:

„Insgesamt können Bündnis 90/Die Grünen ohne Preisgabe ihrer grundsätzlichen Positionen und angesichts der Kräfteverhältnisse in der Regierungskoalition das Verhandlungsergebnis zur G-10-Novelle mittragen. Es gilt, künftig wachsam die Auswirkungen der Ãœberwachung durch die Geheimdienste zu beobachten und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Darüber hinaus müssen weiterhin politische Mehrheiten gesucht werden, um das geheimdienstliche Mithören bzw. Mitlesen der Telekommunikation von Bürgerinnen sowie Bürgern generell zu beenden und zu Strafverfolgungszwecken jedenfalls erheblich einzuschränken.“
(Punkt VII.5. in „Das neue G-10-Gesetz – eine Bewertung aus grüner Sicht“, stroebele-online.de v. 5.6.2001)
(vgl. auch Härting, „‚Strategische Fernmeldekontrolle‘ durch den BND: Um was geht es eigentlich?“ CRonline Blog v. 18.6.2013)

Für die weitreichenden Ãœberwachungsbefugnisse des BND gab es somit jedenfalls in den letzten 12 Jahren einen breiten politischen Konsens. Und diesem Konsens ist es zu „verdanken“, dass bis heute von keiner politischen Seite aus ein Verfahren in Karlsruhe in die Wege geleitet wurde, um die Ãœberwachungswut des Nachrichtendienstes mit Hilfe des BVerfG einzudämmen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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