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OLG Bremen und Kammergericht zu „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“

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Was in Bremen selbstverständlich ist, versteht sich in Berlin nicht von selbst. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man zwei neue Entscheidungen zu der weltbewegenden Frage liest, ob ein Anwalt in dem Impressum seiner Website darauf hinweisen darf, dass er an mehreren Gerichten zugelassen ist.

Zulassungsbeschränkungen

Seit etlichen Jahren gibt es bei den Gerichten kaum noch Zulassungsbeschränkungen. Jeder Rechtsanwalt kann vor jedem deutschen Amts-, Land- und Oberlandesgericht auftreten. Daher ist es fraglos zutreffend, wenn ein Bremer Anwalt auf eine „Zulassung OLG, LG, AG Bremen“ hinweist und ein Berliner Kollege angibt, er sei „zugelassen an allen deutschen Landgerichten und Oberlandesgerichten – sowie am Kammergericht Berlin“.

Selbstverständlichkeiten mit umgekehrten Vorzeichen – „inklusive MwSt“

Auch wahre Aussagen können den Tatbestand einer Irreführung gemäß § 5 UWG erfüllen, wenn mit „Selbstverständlichkeiten“ geworben wird. Schulbeispiel war früher die Angabe „inklusive MwSt.“ in der Werbung, die vielfach als wettbewerbswidrig erachtet wurde. Begründung: Der „inklusive“-Zusatz erwecke den unzutreffenden Eindruck, bei der Konkurrenz sei die Mehrwertsteuer nicht im beworbenen Preis enthalten (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, § 5 Rz. 7.110).

Den früher problematischen „inklusive“-Zusatz schreibt das Gesetz mittlerweise als verpflichtend vor (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAngV). Dies führte zu neuem Streit mit umgekehrten Vorzeichen, nämlich um die Frage, ob ein Fortlassen von „inklusive MwSt“ wettbewerbswidrig ist (verneinend: Schlegel, MDR 2008, 417, 420; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 6.3.2008 – 6 U 177/07, K&R 2008, 462 (463) = CR 2008, 741; vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 15.2.2007 – 3 U 253/06, MMR 2007, 438 (439) = ITRB 2007, 128 (Schwartmann); OLG Hamburg, Urt. v. 14.2.2007 – 5 U 152/06, MMR 2007, 723 (724 f.) = CR 2007, 404 = ITRB 2007, 156 (Wülfing); LG Bielefeld, Urt. v. 2.6.2006 – 15 O 53/06, CR 2006, 857; LG Bonn, Urt. v. 22.12.2009 – 11O 92/09, MMR 2010, 180 (181)).

Umfang anwaltlicher Zulassung bei Gericht – Irreführung?

Zurück zu den streitenden Anwälten:

Ja – Das OLG Bremen sieht in dem Hinweis auf die Gerichtszulassungen eine Irreführung:

„Die Verwendung des Zusatzes „Zulassung OLG, LG, AG Bremen“ ist gemäß §§ 3, 5 UWG irreführend, weil damit der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Rechtsanwalt verfüge jedenfalls in Bremen gegenüber anderen Anwälten aufgrund der Zulassung an den ausdrücklich aufgeführten Gerichten über eine besondere Stellung oder Qualifikation.“
OLG Bremen, Beschl. v. 15.3.2013 – 2 U 5/13, openJur 2013, 21595 Rz. 21

Befremdlich: Um welche „besondere Stellung oder Qualifikation“ soll es sich denn handeln? Und wie können Berufsrichter dies aus eigener Sachkunde beurteilen, die als Volljuristen weder den angesprochenen Verkehrskreisen angehören, noch dem Risiko eines – wie auch immer gearteten – Missverständnisses ausgesetzt sind?

Nein – Das Kammergericht argumentiert dagegen klar, souverän und überzeugend:

„Es ist auch von einer Selbstverständlichkeit auszugehen, weil es seit einiger Zeit Auftrittsbeschränkungen der in Rede stehenden Art für die Rechtsanwaltschaft nicht mehr gibt (…) Abgesehen davon, dass Vorstehendes nicht jedem Verbraucher bekannt sein muss, fehlt es vorliegend aber schon an einer in ihrer Textgestaltung in besonderem Maße hervorgehobenen Werbeaussage (…) Das Gegenteil ist der Fall.“
KG, Beschl. v. 14.6.2013 – 5 W 119/13 – Rz. 7f., dazu CRonline News v. 23.7.2013

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

Ein Kommentar

  1. Veröffentlicht 23.9.2013 um 17:20 | Permalink

    Auch der BGH hat zwischenzeitlich eine Irreführung hinsichtlich der Verwendung des Zusatzes „zugelassen am OLG“ verneint (vgl. Urt. v. 20.02.2013, Az. I ZR 146/12), da hierdurch keine besondere Qualifikation angepriesen werde, die eine Irreführung hervorrufen könnte.

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