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Privatkopien und Kunstfreiheit

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Wie weit reicht die Befugnis zur erlaubnisfreien Privatkopie gemäß § 53 UrhG? Diese Frage beschäftigte unlängst das OLG Frankfurt in einem ungewöhnlichen Fall (OLG Frankfurt, Urt. v. 19.2.2013, 11 U 37/12, IPRB 2013, 154): Eine Künstlerin hatte mit einer Digitalkamera Portraitaufnahmen angefertigt, die sie ausdruckte und noch bearbeiten wollte. Eines der „Modelle“ scannte die Entwürfe vor der Bearbeitung ein und wurde daraufhin von der Künstlerin auf Unterlassung verklagt.

Darf der Entwurf eines unveröffentlichten Kunstfotos zum privaten Gebrauch kopiert werden?

Das OLG Frankfurt bejahte die Voraussetzungen des § 53 UrhG und vertrat den Standpunkt, dass sich aus Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit) keine Einschränkung dahingehend ableiten lasse, dass die Privilegierung der Privatkopie nur für Werke gilt, die bereits veröffentlicht worden sind (vgl. § 6 Abs. 1 UrhG). Der Beklagte habe zudem rechtmäßigen Besitz an den Entwürfen gehabt, sodass offenbleiben könne, ob § 53 UrhG eine rechtmäßige Besitzerlangung voraussetzt. Für die Künstlerin lassen sich aus der Kunstfreiheit somit keine Maßstäbe herleiten, die nicht auch für andere Urheber gelten.

Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist die Herstellung „einzelner Vervielfältigungsstücke“ eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch erlaubnisfrei. Dasselbe gilt für die Herstellung von „Vervielfältigungsstücken“ zum sonstigen eigenen (nicht-privaten) Gebrauch nach Maßgabe des § 53 Abs. 2 bis 4 UrhG. „Vervielfältigungsstücke“, die gemäß § 53 Abs. 1 bis 4 UrhG auf zulässige Weise erlaubnisfrei hergestellt worden sind, dürfen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG weder verbreitet noch zur öffentlichen Wiedergabe genutzt werden. Dabei ist folgendes zu beachten:

  • Anwendbarkeit:  § 53 UrhG gilt für den „Gebrauch auf beliebigen Trägern“. An der Anwendbarkeit auf elektronische Kopien kann demnach kein Zweifel bestehen (Vgl. Lüft in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 53 Rdnr. 12).
    Der einfache Abruf einer Internetseite ist kein Fall des § 53 UrhG, da sich der Abrufende – jedenfalls im Normalfall – auf eine Einwilligung des Urhebers bzw. auf ein Vervielfältigungsrecht berufen kann, das ihm der Urheber (konkludent) eingeräumt hat. Liegen ein Nutzungsrecht oder eine Einwilligung vor, so ist die Frage bedeutungslos, ob die Nutzung auch gemäß § 53 UrhG hätte erfolgen können (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2007 – I ZR 94/05, CR 2008, 211 (213)).,
  • Downloads:  § 53 UrhG ist relevant bei dem Herunterladen von Texten, Musik- oder Videoclips oder anderen Dateien aus dem Internet. Zwei bedeutsame Einschränkungen sind dann zu beachten:
    • Zum einen darf die Anfertigung der Kopie weder unmittelbar noch mittelbar zu Erwerbszwecken erfolgen.
    • Zum anderen darf keine Vorlage verwendet werden, die offensichtlich rechtswidrig hergestellt oder öffentlich zugänglich gemacht wurde.
  • Keine generelle Befugnisnorm:  § 53 UrhG begründet keine Befugnis, digitalisierte Werke zu kopieren, die im Rahmen des § 52 b UrhG an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven bereitgehalten werden (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.5.2009 – 2-06 O 172/09, CR 2009, 536 (537) m.Anm. Heckmann = K&R 2009, 512 (513 f.) mit Anm. Jani). § 52 b UrhG ist eine veränderte Nachfolgevorschrift für den ab 2015 nicht mehr anwendbaren § 52 a UrhG. § 52 a UrhG erlaubt derzeit noch die Zugänglichmachung kleinerer Teile eines Werks für Unterricht und Forschung (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 4.4.2012 – 4 U 171/11, CR 2012, 387 ff.).

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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