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Sind Datenschutzverstöße abmahnfähig? Ein Rechtsprechungsüberblick.

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In den letzten Jahren hat es eine Reihe von OLG-Entscheidungen zum Wettbewerbsbezug (und damit zur Abmahnfähigkeit) von Verstößen gegen das Datenschutzrecht gegeben. Aus diesen Entscheidungen ergibt sich ein diffuses Bild und ein breites Meinungsspektrum. Man darf hoffen, dass der BGH in nicht allzu ferner Zukunft die derzeit offenen Fragen klärt.

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 BDSG)

In einer Reihe von Entscheidungen ging es um die (sehr grundsätzliche) Frage, ob das datenschutzrechtliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Wettbewerbsbezug hat. Zwei Oberlandesgerichte haben dies verneint, drei andere Oberlandesgerichte haben einen Wettbewerbsbezug jedenfalls für den Fall bejaht, dass persönliche Daten verbotswidrig zu Werbezwecken verwendet werden:

  • Ja – OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.5.2012 – 6 U 38/11:  Das Gericht vertrat die Auffassung, dass das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 BDSG) Wettbewerbsbezug hat (§ 4 Nr. 11 UWG) und somit abmahnfähig ist, soweit sich ein Unternehmen auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um die Nutzung personenbezogener Daten bei seiner Werbung zu rechtfertigen. Im Klartext: Nicht jeder Verstoß gegen das Datenschutzrecht ist wettbewerbswidrig, wohl aber eine datenschutzwidrige Verwendung von Daten zu Werbezwecken.
  • NeinOLG München, Urt. v. 12.1.2012 – 29 U 3926/11, CR 2012, 269:  Das Datenschutzrecht ist nach Auffassung des Gerichts Ausfluss des Persönlichkeitsrechts und schützt ganz allgemein diese Individualrechtsposition. Daher fehle es an einem Wettbewerbsbezug (§ 4 Nr. 11 UWG). Verstöße gegen das BDSG sind nach dieser Sichtweise nie abmahnfähig.
  • Ja OLG Köln, Urt. v. 19.11.2010 – 6 U 73/10, CR 2011, 680 m. Anm. Eckhardt und OLG Köln, Urt. v. 14.8.2009 – 6 U 70/09:  Mit einer ähnlichen Begründung wie das OLG Karlsruhe bejaht auch das Kölner Gericht einen Wettbewerbsbezug (§ 4 Nr. 11 UWG) des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4 BDSG) – gleichfalls mit der Einschränkung, dass dies gilt, soweit es um die Nutzung personenbezogener Daten zu Werbezwecken geht.
  • Ja – OLG Stuttgart, Urt. v. 22.2.2007 – 2 U 132/06, ITRB 2007, 252 (Stadler):  In dieser Entscheidung ging es darum, dass ein Unternehmen personenbezogene Daten unter Verstoß gegen das BDSG an ein anderes Unternehmen zu Werbezwecken übermittelt hatte. Das OLG Stuttgart bejahte in dem konkreten Einzelfall eine Wettbewerbsbezogenheit  (§ 4 Nr. 11 UWG).
  • Nein – OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 30.6.2005 – 6 U 168/04, CR 2005, 830:  Das Frankfurter Gericht vertrat die Auffassung, dass es bei einem Verstoß gegen das BDSG stets an einem Wettbewerbsbezug fehlt (§ 4 Nr. 11 UWG).

Unzulängliche Datenschutzbestimmungen (§ 13 Abs. 1 TMG)

Aus Berlin und Hamburg gibt es divergierende OLG-Entscheidungen zu der Frage, ob mangelhafte Datenschutzbestimmungen, die sich auf einer Website befinden (§ 13 Abs. 1 TMG), abmahnfähig sind. Das OLG Hamburg hat in einer frischen Entscheidung einen Wettbewerbsbezug des § 13 Abs. 1 TMG uneingeschränkt bejaht. Das Berliner Kammergericht vertritt dagegen die Auffassung, dass ein Wettbewerbsbezug allenfalls in Betracht kommt, wenn die Gefahr unerwünschter Werbung besteht (eine Gefahr, die sich nur selten aus Mängeln von Datenschutzbestimmungen ergeben dürfte):

  • Ja – OLG Hamburg, Urt. v. 27.6.2013 – 3  U 26/12:  Das OLG Hamburg hat eine Wettbewerbsbezogenheit der Informationspflichten des § 13 Abs. 1 TMG gemäß § 4 Nr. 11 UWG daraus abgeleitet, dass die Norm Anforderungen der EU-Datenschutzrichtlinie (DSRL) umsetzt und es zu den Zwecken der DSRL gehört, im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs europaweit einheitliche Regeln für den Datenverkehr aufzustellen.
  • Nein (idR) – KG, Urt. v. 29.4.2011 – 5 W 88/11, CR 2011, 468:  Es ging gleichfalls um einen Verstoß gegen die Informationspflichten gemäß  § 13 Abs. 1 TMG. Das Kammergericht ging davon aus, dass eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion allenfalls insoweit vorhanden ist, als die Vorschrift den Verbraucher vor unerwünschter Werbung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Privatsphäre schützen soll. Jedenfalls soweit es – wie im konkreten Fall – keine Gefahr unerwünschter Werbung gebe, sei ein Verstoß gegen § 13 Abs. 1 TMG nach § 4 Nr.11 UWG zu verneinen.

Ausblick:  Nebeneinander von Datenschutz und Wettbewerbsrecht

In den letzten Jahren sind persönliche Daten zunehmend zu einem Wirtschaftsgut geworden. Zugleich sind Verbraucher erheblich sensibler, wenn es um Datenschutz geht. Datenschutz ist ein Wettbewerbsfaktor geworden, sodass es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis sich die Auffassung durchsetzt, dass Verstöße gegen das Datenschutzrecht ausnahmslos als wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG anzusehen sind.

Eine ganz andere Frage ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Nebeneinanders staatlicher Sanktionsmöglichkeiten, die den datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden zustehen, und der klassischen Instrumentarien des Wettbewerbsrechts. So mag es zwar angehen, Auseinandersetzungen über fehlerhafte Datenschutzbestimmungen auf einer Website mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts auszutragen. Weshalb es daneben dann aber noch Aufgabe der Aufsichtsbehörden sein soll, derartige Verstöße festzustellen und zu sanktionieren, ist mehr als fraglich.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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