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BGH zum „Embedded Content“ und YouTube: Praxisfolgen

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Am vergangenen Donnerstag hat der I. Zivilsenat des BGH einen Fall verhandelt, in dem es um die Einbettung eines YouTube-Videos in eine Website ging. Der Sachverhalt lässt sich einer Pressemitteilung entnehmen, die der BGH kurz vor der Verhandlung veröffentlichte:

„Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar. Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.“
(„Terminhinweis des BGH für den 18.4.2013″ v. 15.4.2013)

Medienberichten zufolge hat der I. Senat in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt vertreten, das Einbetten eines YouTube-Videos bedürfe – anders als eine bloße Verlinkung – der Zustimmung des Rechteinhabers. Ob es in dem für den 16.5.2013 anberaumten Verkündungstermin zu einer entsprechenden Entscheidung oder zu einer Vorlage an den EuGH kommen wird, ist allerdings offen („Eingebettete Videos könnten illegal sein“, BR.de v. 18.4.2013).

Bedeutung für das Urheberrecht

Um die Bedeutung des Falls für das Urheberrecht zu verstehen, muss an die Paperboy-Entscheidung des BGH erinnert werden, die aus dem Jahre 2003 stammt (BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 259/00, CR 2003, 920 ff. m.Anm. Nolte = ITRB 2004, 26 (Günther) = BGH-R 2003, 1294 ff. mit Anm. Elßner):

  • Deeplinks:  In der Paperboy-Entscheidung hat der BGH für Deeplinks eine urheberrechtliche Nutzungshandlung verneint. Die bloße Linksetzung lasse sich weder als öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19 a UrhG noch gemäß § 16 UrhG als Vervielfältigung eines Werkes ansehen.
  • Leistungsschutzrecht für Presseverleger:  Ohne die Paperboy-Entscheidung wäre es wahrscheinlich nie dazu gekommen, dass ein Leistungsschutz der Presseverleger diskutiert und eingeführt wurde (vgl. Kühne, „Das entschärfte Leistungsschutzrecht für Presseverleger“, CR 2013, 169ff.; Härting, „Das frisch kastrierte Kleinstleistungsschutzrecht“, CRonline Blog v. 27.2.2013). Da aufgrund der Paperboy-Entscheidung keine urheberrechtliche Handhabe gegen eine Verlinkung besteht, wurden Angebote wie Google News aus Sicht vieler Verlage zu einem Problem, gegen das sich wenig unternehmen ließ.
  • Umgehung technischer Schutzmaßnahmen:  In seiner Session-ID-Entscheidung hat der BGH eine (kleine) Einschränkung vorgenommen für den Fall, dass durch einen Link technische Zugriffssperren umgangen werden, die den Zugang zu dem geschützten Werk erschweren. Bediene sich der Rechteinhaber derartiger Schutzmaßnahmen, um den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greife das Setzen eines Hyperlinks, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahmen einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein (BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 39/08, CR 2011, 41 = ITRB 2011, 2 (Rössel)– Session-ID).
  • Framing:  Ob für das Framing dieselben Grundsätze gelten wie beim Verlinken, ist seit vielen Jahren streitig. Teilweise wird für eine solche Gleichbehandlung plädiert, teilweise wird der Standpunkt vertreten, dass das Framing ein Akt des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 19 a UrhG sei (vgl. Heerma in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 16 Rdnr. 20; Ott, WRP 2008, 393 (410); Sosnitza, CR 2001, 693 (700); Kammergericht vom 21.3.2012 – 24 U 130/10, Rdnr. 24; LG München I, Urt. v. 10.1.2007 – 21 O 20028/05, CR 2007, 810 (811)). Das Framing erleichtert den Zugriff auf ein Werk, das bereits öffentlich zugänglich ist (§ 19 a UrhG).
  • Embedded Content:  Das klassische Framing ist ein wenig in die Jahre gekommen und durch die Variante des „Embedded Content“ ersetzt worden: Bei einem YouTube-Video erscheint das Video – wie in einem „Guckkasten“ – auf der Bildschirmoberfläche einer Website, wird jedoch ausschließlich von einem YouTube-Server aus ausgestrahlt.
  • Das OLG Düsseldorf  hat unlängst den Standpunkt vertreten, „Embedded Content“ unterscheide sich von Links dadurch, dass (urheberrechtlich geschützte) Inhalte zum unmittelbaren Abruf bereit gehalten werden. Die Einbettung fremder Inhalte bedürfe daher der Zustimmung des Berechtigten (OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.2011 – I-20 U 42/11, CR 2012, 122). Dieser Einschätzung scheint jetzt auch der BGH zuzuneigen.

Folgen für die Praxis

Die Praxisfolgen dürften keineswegs niederschmetternd sein. Es verhält sich keineswegs so, dass unzählige Websites mit „Embedded Content“ jetzt vom Verdikt der Rechtswidrigkeit bedroht sind:

  • Urheberrechtsverletzung:  Der zu erwartenden BGH-Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem die bei YouTube ein Video unter Verletzung von Urheberrechten gezeigt wurde.
  • Einstellen durch Berechtigte:  Nach der „Vorschaubilder I“-Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 29.4.2010, CR 2010, 463 /466f.)= WRP 2010, 916, 921 = MMR 2010, 475, 479 mit Anm.
    Rössel – Vorschaubilder I) wird derjenige, der als Berechtigter ein Video auf YouTube hochlädt, Dritten die Nutzung als „Embedded Content“ schwerlich untersagen können. Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss nach Auffassung des BGH mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen. Zu den üblichen Nutzungshandlungen gehört bei YouTube die Verbreitung von Videos durch „Einbettung“, die YouTube ermöglicht und gestattet.
  • Einstellen durch Nichtberechtigte:  Nach der „Vorschaubilder II“-Entscheidung (BGH, Urt. v. 19.10.2011 – I ZR 140/10, CR 2012, 333ff. – Vorschaubilder II) kommt eine Einwilligung sogar in Betracht, wenn ein YouTube-Video von einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden ist. Nach dieser Entscheidung würde es für eine Einwilligung ausreichen, dass das Video mit Zustimmung des Berechtigten (irgendwo) in das Internet hochgeladen und von dort (per Kopie) auf YouTube „gelangt“ ist.

Vorläufiges Fazit:

Wenn der BGH in der erwarteten Weise entscheiden sollte, wird es somit zwar nicht (mehr) selbstverständlich sein, dass man den Rechteinhaber nicht fragen muss, wenn man dessen Inhalte in eigene Inhalte „einbettet“. Wenn man jedoch davon ausgehen kann, dass es sich um Inhalte handelt, die rechtmäßig ins Netz „gelangt“ sind, wird der Berechtigte auch weiterhin über keine wirksame Handhabe verfügen, um eine Weiterverbreitung per „Einbettung“ zu verhindern. Der Freude am „Teilen“ von Videos und Fotos bei Facebook wird somit zumeist ungestört bleiben.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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