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Lobbyarbeit in eigener Sache: EU-Kommission möchte selbst oberste Hüterin des Datenschutzes werden

avatar  Niko Härting

Unter der Ãœberschrift „Die wichtige Bedeutung der Kommission als Auffangstation“ wirbt die EU-Kommission im flotten PR-Jargon für die pyramidenartige Behördenstruktur, die sie in Europa im Zeichen des Datenschutzes errichten möchte („The Proposed General Data Protection Regulation: The Consistency Mechanism Explained“, European Commission, Newsroom of 6.2.2013; vgl.  Härting, „Starke Behörden, schwaches Recht – der neue EU-Datenschutzentwurf“, BB 2012, 459). Die Kommission möchte sich selbst an die Spitze dieser Pyramide stellen und somit zum obersten Wächter über den Datenschutz in ganz Europa werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Datenaufsichtsbehörden möchte sich die Kommission ein Letztentscheidungsrecht einräumen – verbrämt mit den Begriffen „Consistency Mechanism“ und „Backstop“.

EU-Parlament: Stärkung des Europäischen Datenschutzausschusses

Der grüne Europaabgeordnete Albrecht möchte den Wünschen der Kommission nicht entsprechen und schlägt vor, den Europäischen Datenschutzausschuss (als Nachfolgeorgan der Art. 29 Datenschutzgruppe) an die Spitze der Europäischen Datenschutzaufsicht zu stellen (vgl. Entwurf eines Berichts über dem Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, 2012/0011 (COD) v. 17.12.2012 (insbesondere Änderungsanträge 297 – 304, Seiten 187-190)).

Ansatz der EU-Kommission

Die Kommission kritisiert dies in ihren Ausführungen zum „Consistency Mechanism“ mit markigen Worten:

  • „Die Rolle, die für die Kommission vorgesehen ist, ist das entscheidende supranationale Element des Vorschlags. Ohne eine solche Rolle für die Kommission würde der Datenschutzausschuss ein zwischenstaatlicher Club;
  • Ein Konsistzenzverfahren ohne die Kommission wäre schlecht für die Bürger. Die Kommission handelt als notwendige Auffangstation des Datenschutzausschusses und stellt sicher, dass der Ausschuss entschlossen handelt und das Grundrecht auf Datenschutz wahrt, das in der Grundrechtecharta verankert ist. Durch die Drohung mit Konsequenzen stellt die Kommission sicher, dass sich nationale Datenschutzbehörden nicht um schwierige Fälle drücken;
  • Ein Konsistenzverfahren ohne die Kommission wäre schlecht für die Wirtschaft. Die Kommission ist der Hüter des Binnenmarktes und verantwortlich für die richtige Ausführung des EU-Rechts. Die Verordnung wird nicht richtig angewendet werden können, wenn nur Kenntnisse des Datenschutzrechtsvorhanden sind. Der Binnenmarkt muss verwirklicht werden, und das Konsistenzverfahren mit der Kommission als Auffangstation isr der einzige Weg, der dahin führt;
  • Es wäre illegal, dem Datenschutzausschuss bindende Entscheidungen zu erlauben, wie dies alternativ vorgeschlagen wird. Nach den EU-Verträgen darf nur die Kommission Entscheidungen treffen, die für die Mitgleidsstaaten verbindlich sind;
  • Die Alternative wäre die Errichtung einer Superdatenschutzbehörde. Dies wäre mit enormen Kostenverbunden.“(siehe „The Proposed General Data Protection Regulation: The Consistency Mechanism Explained“, European Commission, Newsroom of 6.2.2013 unter „The Importance of the Commission as a Backstop“, Hervorhebungen wie im Original)

Die schrillen Töne sprechen für sich selbst: Die Kommssion möchte zur zentralen Schaltstelle des europäischen Datenschutzes werden und im Zeichen des Datenschutzes über die digitale Wirtschaft wachen. Wer künftig in Europa auf welche Weise kommunizieren und Online-Dienste anbieten darf, möchte die Kommission im Zweifel selbst entscheiden.

Das gesamte EU-Datenschutzpaket steht im Zeichen einer umfassenden Ãœberwachung von Netzaktivitäten durch die EU-Kommission. Nach eigenem Bekunden geht es EU-Kommssarin Reding nicht um die überfällige Erneuerung des europäischen Datenschutzrechts, sondern um eine deutlich verbesserte Durchsetzung von „bewährten“ Regeln (vgl. Härting, „Identische Regeln für Staat und Private: Reding möchte beim Datenschutz an ‚current situation‘ festhalten“, CRonline Blog v. 4.12.2012). Dies erklärt die Vehemenz und die markigen Worten, mit der sie die gewünschte Rolle der Kommission verteidigt.

Fazit:   Die Europäische Kommission als oberste Netzaufsichtsbehörde – ein rechtsstaatlicher Albtraum und um ein Vielfaches brisanter als die liebevollen Textabgleiche, mit denen sich Blogger seit einigen Tagen auf www.lobbyplag.eu unter der Ãœberschrift „Your privacy is in danger“ befassen.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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