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Dürfte der STERN über den Fall Brüderle berichten nach der DS-GVO?

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In den Brüsseler Entwürfen zur DS-GVO kommt die Kommunikationsfreiheit viel zu kurz. So wäre es beispielsweise unklar, ob der STERN über den Fall Brüderle noch berichten dürfte:

Medienprivileg

Der Bericht über angebliche „Herrenwitze“ und Anzüglichkeiten enthält eine Vielzahl personenbezogener Daten. Nach geltendem Recht kein ernsthaftes Problem, da für journalistische Berichte das „Medienprivileg“ gilt (Art. 9 EU-Datenschutzrichtline; § 41 BDSG).

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll die Reichweite von Medienprivilegien den nationalen Gesetzgebern überlassen bleiben (Art. 80 DS-GVO). Für die freie Kommunikation würden dann beispielsweise in Großbritannien andere Regeln gelten als in Ungarn.

Künftiger Ansatz für Medien

Der Berichtsentwurf des grüne Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht enthält in Änderungsantrag 101 eine gut gemeinte Vorschrift, die die Kommunikationsfreiheit stärken soll:

„1b. Die berechtigten Interesse des für die Verarbeitung Verantwortlichen im Sinne des Absatzes 1 haben grundsätzlich Vorrang vor den Interessen oder Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person, wenn

a) im Rahmen der Unionsrechts oder des mitgliedstaatlichen Rechts die Verarbeitung der personenbezogenen Daten als Teil der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Freiheit der Medien und der Künste stattfindet…“

(Entwurf eines Berichts über dem Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, 2012/0011 (COD) v. 17.12.2012, Seite 78).

Auf diese Vorschrift bzw. auf die „Freiheit der Medien“ würde sich der STERN berufen.

Künftiger Ansatz für Datenbetroffene

Aber auch für Brüderle findet sich in dem Albrecht-Entwurf ein starkes Argument, denn Albrecht schlägt in Änderungsantrag 102 vor, dass jedwede Datenverarbeitung grundsätzlich untersagt sein soll, wenn Betroffene ein „erhebliches Schadensrisiko“ geltend machen können:

„1c. Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person im Sinne von Absatz 1a haben grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des für die Verarbeitung Verantwortlichen, wenn

a) die Verarbeitung zu einem erheblichen Schadensrisiko für die betroffene Person führt…“

(Entwurf eines Berichts über dem Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, 2012/0011 (COD) v. 17.12.2012, Seite 79).

Ein „erhebliches Schadensrisiko“ für das Ansehen des FDP-Spitzenmanns wird man schwerlich verneinen können. Und da nach der DS-GVO jedwede Datenverarbeitung grundsätzlich verboten sein soll (Verbotsprinzip), könnte Brüderle versuchen, unter Berufung auf das Verbotsprinzip und das „erhebliche Schadensrisiko“ gegen den STERN vorzugehen – bis zum Europäischen Gerichtshof.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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