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Verkehrte Welt auf dem DJT: Datenschutzexperten fordern Maßnahmen gegen anonyme Internetnutzung

avatar  Niko Härting

Auf dem Deutschen Juristentag (DJT) in München sind heute zahlreiche Beschlüsse zum IT- und Kommunikationsrecht gefasst worden. Zum erheblichen Teil geht es in den Beschlüssen um Themen, die Gegenstand der von der EU-Kommission vorgeschlagenen EU-Datenschutz-GVO sind. Etliche Vorschläge der EU-Kommission werden unterstützt – beispielsweise die geplante Vereinheitlichung des europäischen Datenschutzrechts oder auch der Vorschlag, „Privacy by Design“ durch gesetzliche Anfoderungen an die Ausgestaltung von Hard- und Software zu fördern.

Für Kommunikationsfreiheit und Verbotsprinzip 

In einer Reihe von Punkten gibt es Widerspruch zu den Brüsseler Vorschlägen. Insbesondere teilt der DJT die Kritik an der unzureichenden Berücksichtigung der Kommunikationsfreiheit und fordert „deutlich erweiterte Erlaubnistatbestände für die Internetkommunikation“. Brüssel möchte es dagegen bei dem bilsang nur rudimentär geregelten „Medienprivileg“ belassen.

An dem in jüngerer Zeit (nicht nur von mir) viel kritisierten Verbotsprinzip möchte der DJT festhalten.

Wider die Anonymität

Auch lehnt der DJT ein „Recht auf anonyme Internet-Nutzung“ ausdrücklich ab. Datenschutzexperten wie Dix und Simitis möchten es staatlichen Behörden ermöglichen, bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen den „Schleier der Anonymität“ zu lüften. Sie werden damit zu Bündnispartnern der Innenminister, die Ähnliches schon seit geraumer Zeit fordern („Wie anonym darf das Netz sein?“, Handelsbatt Online v. 8.8.2011). Ein Schulterschluss, an den man sich erst noch gewöhnen muss.

Die heute gefassten Beschlüsse treiben die Deanonymisierung sogar noch dadurch auf die Spitze, dass sie die Provider dazu verpflichten wollen, Auskunft zu IP-Adressen nicht mehr nur bei Urheberrechtsverletzungen, sondern auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu erteilen. Schon die „behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung“ soll zu einem „Auskunftsanspruch zur Benennung des Rechtsverletzers“ führen. Was man in China zurecht kritisiert („Internetkontrolle: China weitet Klarnamenpflicht auf Blogs und Foren aus“ unwatched.org v. 12.6.2012), hält man in Deutschland für wünschenswert. Wenn sich eine Ex-Präsidentengattin verunglimpft fühlt (die „Behauptung“ soll ja reichen), soll sie sich an TK-Provider wenden dürfen mit der Aufforderung, die Klarnamen anonymer oder pseudonymer Blogger und Forennutzer samt ladungsfähiger Anschrift herauszugeben.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

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