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Clearingstelle Urheberrecht im Internet gegründet

avatar  Dr. Gerd Kiparski, MBA
Rechtsanwalt

Urheberrechteinhaber, Verbände von Urheberrechtsinhabern und die führenden deutschen Internetzugangsanbieter haben gemeinsam die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) gegründet.

Mit der Gründung der CUII haben die beteiligen Parteien einen Weg der freiwilligen Selbstregulierung gefunden, der helfen soll, gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Urheberrechteinhabern und Internetzugangsanbietern über die Sperrung von strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten zu vermeiden und DNS-Sperren betreffend derartige Webseiten zügig, rechtssicher und auch unter Wahrung der berechtigten Interessen aller Beteiligter umzusetzen.

Tauschbörsen

Das Urheberrecht ist ein wichtiges Schutzinstrument des geistigen Eigentums, das mit dem Aufkommen des Internet und sog. „Tauschbörsen“ eine besondere Herausforderung erfahren hat. War in der analogen Welt das Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken noch recht aufwändig und nur begrenzt massenmarktfähig, haben urheberrechtlich geschützte Werke gerade des Films und der Musik in der digitalen Welt des Internet eine fast existenzgefährdende Herausforderung erfahren. Über die erste große Tauschbörsen „Napster“ wurden wegen der seinerzeit noch begrenzten Internetbandbreite „nur“ Musikstücke zwischen den Nutzern ausgetauscht. Mit höheren Internetbandbreiten folgten mit „The Pirate Bay“ und dann mit „Kinox.to“ bald Plattformen, die sich auf Kinofilme spezialisierten. Nunmehr, ganz dem Serientrend folgend, gibt es bspw. die Plattform „s.to“, die beliebte Serien zum „Tausch“ anbietet.

Rechtliche Situation

All diesen Angeboten ist gemein, dass mit den über die Plattformen und ihren Diensten vorgenommenen Handlungen Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Da den Betreibern dieser Webseiten schwer beizukommen ist – einer der bekanntesten Protagonisten, Kim Dotcom lebt in Neuseeland, einer der Gründer von „The Pirate Bay hatte sich nach Kambodscha abgesetzt – sind Rechteinhaber dazu übergegangen, die deutlich einfacher greifbaren Internetzugangsanbieter in Anspruch zu nehmen, die urheberrechtsverletzende Inhalte durch ihre Telekommunikationsnetze leiten. Die rechtliche Situation zur Inanspruchnahme von Internetzugangsanbietern ist aber alles andere als klar.

Auf der einen Seite privilegiert Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr die Internetzugangsanbieter. Diese kennen die Inhalte, die sie durch ihre Netze leiten, nicht und sollen hiervon auch keine Kenntnis erlangen. Gleichwohl statuiert Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie, dass hiervon die Möglichkeit unberührt bleibt, vom Diensteanbieter zu verlangen, die Rechtsverletzung abzustellen oder diese zu verhindern.

Andererseits sieht Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechterichtlinie vor, dass Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.

Die EuGH Entscheidung zu UPC Telekabel

Auf dieser Basis hat der EuGH in der UPC Telekabel  Entscheidung urheberrechtliche Sperrverfügungen gegen Internetzugangsanbieter gestützt, die er als Vermittler i.S.v. Art. 8 Abs. 3 der Urheberrechterichtlinie ansieht. Hierbei hat er sich umfassend mit den jeweils betroffenen Grundrechten der Urheberrechteinhaber, der Internetzugangsanbieter und der Internetnutzer auseinandergesetzt und festgestellt, dass dabei…

„…die Maßnahmen, die der Anbieter von Internetzugangsdiensten ergreift, in dem Sinne streng zielorientiert sein [müssen], dass sie dazu dienen müssen, der Verletzung des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts durch einen Dritten ein Ende zu setzen, ohne dass Internetnutzer, die die Dienste dieses Anbieters in Anspruch nehmen, um rechtmäßig Zugang zu Informationen zu erlangen, dadurch beeinträchtigt werden. Andernfalls wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer gemessen am verfolgten Ziel nicht gerechtfertigt.“

Unter engen Voraussetzungen ist nach Ansicht des EuGH eine Webseitensperrung möglich. Klar postuliert der EuGH aber das Verbot des Over-Blockings, also das neben illegalen auch zu viele legale Inhalte betroffen sind.

Rechtliche Situation in Deutschland

Der deutsche Gesetzgeber hat die Privilegierung des Internetzugangsanbieters aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in § 8 Abs. 1 TMG in nationales Recht umgesetzt. § 8 Abs. 1 TMG statuiert, dass Internetzugangsanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich sind. Daher haben sich Instanzgerichte in Deutschland lange schwer mit der Verpflichtung von Internetzugangsanbietern getan, Websites im Internet zu sperren.

Erstmals hat der BGH in seinem Urteil vom 26.11.2015 – I ZR 174/14 – (Anm. Neidinger, CR 2016, 408) in seiner maßgebenden Entscheidung Störerhaftung des Accessproviders grds. Ansprüche gegen Internetzugangsanbieter bejaht und dies auf die Störerhaftung aus § 1004 Abs. 1 BGB analog gegründet.

Nach der TMG Novelle richten sich die Augen einiger Gerichte vermehrt auf den neu eingefügten § 7 Abs. 4 TMG. Die jüngste Entscheidung des BGH in der Sache Dead Island haben einige Instanzgerichte wie das OLG München, Urt. v. 17.10.2019 – 29 U 1661/19, so interpretiert, dass der in § 7 Abs. 4 TMG geregelte Sperranspruch gegen WLAN-Betreiber analog auch gegen Internetzugangsanbieter herangezogen werden kann. So war das LG München I, Urt. v. 1.2.2018 – 7 O 17752/17, CR 2018, 611 in seiner Entscheidung zu Kinox.to noch zögerlich, schwenkte dann aber mit seinem Urt. v. 7.6.2019 – 37 O 2516/18  auf die analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 TMG um. Ebenso tat es auch das OLG München, Urt. v. 14.6.2018 – 29 U 732/18, CR 2018, 603, das DNS-Sperransprüche gegen Internetzugangsanbieter nunmehr auf eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 TMG stützt.

Rechtliche Situation ist unbefriedigend

Jahrelang laufende Gerichtsverfahren um DNS-Sperren sind für Internetzugangsanbieter mit hohen Kosten verbunden. Ein Obsiegen in diesen Verfahren ist angesichts der Rechtsprechung des BGH und auch des EuGH oftmals ungewiss. Andererseits ist ein gerichtlich zugesprochener DNS-Sperranspruch für Rechteinhaber meist wenig effektiv, da das zugrundeliegende Gerichtsverfahren Jahre gedauert hat und die inkriminierte Webseite schon „weitergezogen“ ist. Ein Eilrechtsschutz ist für Rechteinhaber mit hohen Hürden versehen, da sich die Frist für die Eilbedürftigkeit nach der Kenntnis von der jeweiligen Tauschbörde richtet und nicht mit einem neu über die Tauschbörse angebotenen Werk neu zu laufen beginnt (so das OLG München, Urt. v. 17.10.2019 – 29 U 1661/19). Da diese Tauschbörsen zumeist schon geraume Zeit agieren, ist den Rechteinhabern der Eilrechtsschutz verwehrt. Auch sind Gerichtsverfahren Parteiverfahren und binden nur den jeweils verklagten Internetzugangsanbieter. Rechteinhaber müssten also alle in Deutschland tätigen Internetzugangsanbieter jeweils separat verklagen; eine Prozesslawine wäre unvermeidlich. Da diese Situation für beide Seiten sehr unbefriedigend ist, haben Urheberrechteinhaber, Verbände und die führenden Internetzugangsanbieter in den vergangenen zwei Jahren Roundtable-Gespräche geführt.

Im Ergebnis konnten sich beide Seiten darauf verständigen, ein Verfahren der freiwilligen Selbstregulierung aufzusetzen, dass bei eindeutig strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten zu einer zeitnahen DNS-Sperre führt. Wichtig war allen Parteien, ein rechtssicheres, unabhängiges und objektives Verfahren aufzusetzen, welches in keinem Fall hinter den bestehenden gesetzlichen und höchstrichterlichen Anforderungen für eine DNS-Sperre zurückfallen soll. Hierzu haben sich die teilnehmenden Unternehmen und Verbände einen Verhaltenskodex mit einer Verfahrensordnung gegeben und die Clearingstelle Urheberrecht im Internet gegründet.

Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII)

Die neu gegründete CUII soll auf Antrag eines Rechteinhabers eine Sperrempfehlung gegen eine strukturell urheberrechtsverletzende Webseite aussprechen können. Das Verfahren vor der CUII ist einem gerichtlichen Verfahren nachgebildet und erfordert dieselben hohen Darlegungslasten vom Antragssteller.

Zur Prüfung von Sperranträgen hat die CUII einen unabhängigen und fachlich hochkarätig besetzten Prüfausschuss eingerichtet. Dieser prüft gemäß Ziffer 3 b) des Verhaltenskodex eingehende Anträge auf DNS-Sperrung. Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist gemäß Ziffer 6 a) des Verhaltenskodex

  • die Darlegung der Rechteinhaberschaft,
  • die Darlegung der Voraussetzungen der strukturellen Urheberrechtsverletzung der Webseite und
  • die Darlegung der strengen Subsidiaritätsvoraussetzungen, vornehmlich, dass versucht wurde gegen den Webseitenbetreiber und den Host-Provider vorzugehen und dies erfolglos war.

Seine Entscheidung trifft der Prüfausschuss gemäß § 5 Abs. 7 der Verfahrensordnung einstimmig. Empfiehlt der Prüfausschuss eine Webseite zur Sperre, leitete er seine Entscheidung an die BNetzA weiter.

Strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten

Strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten sind solche gemäß Ziffer 2. a) des Verhaltenskodex, die auch auf Internetnutzer in Deutschland ausgerichtet sind. Zudem müssen die Inhalte der Webseiten klar gegen das deutsche Urheberrecht verstoßen. Zweifelsfälle sollen schon bedingt durch das Einstimmigkeitserfordernis des Prüfausschusses nicht zur Sperre empfohlen werden. Die Webseite muss also zu einem ganz überwiegenden Anteil aus urheberrechtsverletzenden Inhalten bestehen. Wenige legale Inhalte stehen der Einordnung als strukturell urheberrechtsverletzende Webseite nicht entgegen. So hat der BGH in seiner Entscheidung Störerhaftung des Access-Providers, CR 2016, 408 4% legale Inhalte als nicht ausreichend angesehen. In Rn. 55 seiner Entscheidung führt er aus, dass …

„…sich der Anbieter eines auf Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells nicht hinter wenigen legalen Angeboten verstecken können [soll], liegt es auf der Hand, dass eine Sperrung nicht nur dann zulässig sein kann, wenn ausschließlich rechtswidrige Informationen auf der Webseite bereitgehalten werden. (…) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist deshalb nicht auf eine absolute Zahl rechtmäßiger Angebote auf der jeweiligen Seite, sondern auf das Gesamtverhältnis von rechtmäßigen zu rechtswidrigen Inhalten abzustellen und zu fragen, ob es sich um eine nicht ins Gewicht fallende Größenordnung von legalen Inhalten handelt.“

Einbindung der BNetzA

Empfiehlt der Prüfausschuss eine Webseite zur Sperrung, leitet die Geschäftsstelle der CUII die Empfehlung des Prüfausschusses mitsamt den Antragsunterlagen an die BNetzA zur Prüfung weiter. Die BNetzA prüft daraufhin die Empfehlung dahingehend, ob mit der Sperrung der Webseite die nach Art. 3 Abs. 3 TSM-VO garantierte Netzneutralität gewahrt bleibt. Erst wenn die BNetzA gegenüber der Geschäftsstelle der CUII mitteilt, keine Einwände gegen die Sperre zu haben, setzen die teilnehmenden Internetzugangsanbieter die DNS-Sperre um. Ist eine DNS-Sperre eingerichtet, werden DNS-Anfragen zu der gesperrten Webseite auf eine Informationsseite der CUII umgeleitet.

Prüfausschuss

Der Prüfausschuss der CUII besteht gemäß Ziffer 5 Abs. 1 der Verfahrensordnung aus 3 Prüfern. Alle Prüfer müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Je einen Prüfer schlagen die Rechteinhaber und je einen die Internetzugangsanbieter als beisitzende Prüfer vor. Der Vorsitzende des Prüfausschusses ist eine unabhängige Person mit der Befähigung zum Richteramt aus der Justiz, Verwaltung oder der Wissenschaft.

Beteiligung der Internetnutzer und der Webseitenbetreiber

An dieser Stelle sei kurz ins Gedächtnis gerufen, dass es sich bei dem Betrieb von strukturell urheberrechtsverletzenden Websites um Straftaten handelt, die gemäß § 106 i.V.m. § 108a UrhG mit bis zu 5 Jahren Gefängnis bestraft werden. Auch haben Internetnutzer keinen Anspruch auf Zugang zu strukturell urheberrechtsverletzenden Websites.

Gleichwohl werden Interessen der Internetnutzer und der jeweiligen Webseitenbetreiber im Verfahren vor der CUII dadurch gewahrt, dass diese nach Ziffer 3 c) des Verhaltenskodex die Möglichkeit haben, Eingaben zu einer DNS-Sperre bei der CUII zu machen, die die CUII daraufhin prüft. Hierzu hat die CUII auf ihrer Webseite Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet. Eine aktive Einbeziehung von Internetnutzern in das Verfahren selbst ist nicht erforderlich. Dies hat schon der EuGH in der UPC Telekabel Entscheidung so gesehen, als er feststellte, dass…

„…Damit die im Unionsrecht anerkannten Grundrechte dem Erlass einer Anordnung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, ist es deshalb erforderlich, dass die nationalen Verfahrensvorschriften die Möglichkeit für die Internetnutzer vorsehen, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen, sobald die vom Anbieter von Internetzugangsdiensten getroffenen Durchführungsmaßnahmen bekannt sind.“

Endnutzern steht es nach Bekanntwerden der Entscheidung des Prüfausschusses, die auf der Webseite der CUII veröffentlicht wird, frei, eine Eingabe bei der CUII zu machen, den Beschwerdeweg zur BNetzA zu suchen oder den Klageweg zu beschreiten.

Webseitenbetreiber werden sich – das ist zu vermuten – schon aus dem Grunde nicht an die CUII wenden, da sie sich mit dem Betrieb einer strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite nach § 106 i.V.m. § 108a UrhG strafbar gemacht haben. Die Webseitensperrung war nur deswegen erforderlich, weil der Webseitenbetreiber als unmittelbarer Verletzer nicht greifbar war. Dass er sich nach Abschluss des Verfahrens vor der CUII aus seiner Deckung wagt, wird daher nicht anzunehmen sein.

Bedarf es eines Gerichtsverfahrens oder einer Behördenentscheidung zur Webseitensperrung?

Die Frage, ob es für eine DNS-Sperre eines Gerichtsurteils oder einer Behördenentscheidung bedarf, ist klar mit „Nein“ zu beantworten. Art. 3 Abs. 3 lit. a) TSM-VO ermöglicht das Blockieren von Webseiten als Verkehrsmanagementmaßnahmen, wenn dies Gesetzgebungsakte der EU oder mit dem EU-Recht im Einklang stehende nationale Rechtsvorschriften vorsehen, denen der Internetzugangsanbieter unterliegt. Diese nationalen Rechtsvorschriften sind einerseits mit § 1004 BGB, der analog für die Störerhaftung herangezogen wird, und andererseits mit § 7 Abs. 4 TMG, der ebenfalls analog auf Internetzugangsanbieter angewendet wird, gegeben. Eine gerichts- oder Behördenentscheidung ist von Verordnungswegen nicht erforderlich.

Auch sieht die weder Art. 8 Abs. 3 InfoSoc-RL noch Art. 11 IPRED vor, dass Rechteinhaber gerichtliche Verfahren einleiten müssen, um ihre Rechte gegenüber Internetzugangsanbietern durchzusetzen. Diese Regelungen lassen vielmehr die Möglichkeit der einvernehmlichen außergerichtlichen Einigung zu.

Ausblick

Der Start der CUII ist von Seiten der BNetzA, des BKartA und auch von der Bundesregierung positiv aufgenommen worden. Führende Tageszeitungen haben ebenfalls positiv über die Gründung der CUII berichtet (beispielhaft hier die FAZ). Dieser positive Start birgt nun die Hoffnung, dass Klageverfahren auf DNS-Websperren zukünftig stark zurückgehen werden. Andererseits zeigt die Brancheneinigung auf DNS-Sperren auch, dass die deutlich umfassenderen IP-Sperren, die in erheblichem Umfang legale Inhalte blockieren können, nicht konsensfähig sind.

 

Der Autor war Mitglied des der CUII vorausgehenden Roundtable von Rechteinhabern und Internetzugangsanbietern.

 

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