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Used Software: Schlussanträge des Generalanwalts

avatar  Helmut Redeker

Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Verfahren Used Soft ./. Oracle wird von der interessierten Öffentlichkeit mit Spannung erwartet. Erste Fingerzeige zu einer möglichen Entscheidung geben die jetzt veröffentlichen Schlussanträge des Generalanwalts, dem der EuGH in vielen, aber keinesfalls in allen – Fällen folgt.

Der Generalanwalt geht – zusammengefasst – davon aus, dass auch bei einem Onlinevertrieb von Software Erschöpfung eintreten kann, wenn der Onlinevertrieb sich als Verkauf darstellt. Er knüpft also den Erschöpfungsgrundsatz nicht an die Verkörperung des Mediums, auf dem die urheberrechtlich geschützte Software übertragen wird, sondern an die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Vertrages. Er greift damit in erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte auf. Dies wird ganz deutlich, wenn er unter Ziffer 59 ausführt, eine weite Auslegung des Begriffs der Erschöpfung sei erforderlich, um deren Zweck zu erfüllen, das Ausschließlichkeitsrecht im Recht des geistigen Eigentums einzuschränken, sofern es dem Rechtsinhaber vorher möglich war, den wirtschaftlichen Wert zu realisieren. Er hält es für wirtschaftlich unangemessen, dass Anbieter, die für das Downloaden zur endgültigen Nutzungsübertragung einen Kaufpreis verlangt haben, danach noch einmal kassieren können. Er greift damit das zentrale wirtschaftliche Argument auf, dass die Befürworter einer entsprechend analogen Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auch für die Fälle des Downloads auch in der deutschen Diskussion angewandt haben. Die mehr wörtliche Auslegung und die urheberfreundliche Position der meisten deutschen Instanzgerichte teilt er insoweit explizit nicht.

Er führt auch definitiv aus, dass das Downloaden solcher Software nicht unter das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, sondern unter das Verbreitungsrecht fällt.

Allerdings wird das so gewährte Recht durch die Beantwortung der weiteren Fragen des BGH stark eingeschränkt. Der Generalanwalt meint nämlich, dass sich die Erschöpfung nicht auf das Vervielfältigungsrecht bezieht. Insoweit schließt er es aus, dass derjenige, der Software durch Download erworben und dabei eine Vervielfältigung angefertigt hat, ein neues Vervielfältigungsstück für die Weitererwerbung erstellen darf, selbst wenn er alle bei ihm verbliebenen Kopien löscht. Das Vervielfältigungsrecht sei nämlich nicht durch den Erschöpfungsgrundsatz abgedeckt, weil der Wortlaut so weit nicht auszulegen sei. Damit wäre beim Download eine Weiterveräußerung nur mit Hilfe des ursprünglich angefertigten Werkstücks möglich, also in den meisten Fällen nur unter Weitergabe der Festplatte des verwendeten Rechners.

Das Geschäftsmodell von Used Soft wie auch der anderen Anbieter von Gebrauchtsoftware dürfte daher nicht aufrecht zu erhalten sein, wenn auch der EuGH so entscheidet. Nur derjenige, der rechtmäßig das ursprüngliche Vervielfältigungsstück vom berechtigten Erwerber erhält, darf die für die Nutzung der Software notwendigen Vervielfältigungen fertigen. Wer das ist, wird vom Generalanwalt nicht gesagt. Genau danach hatte der BGH gefragt.
Hier beschränkt sich die Antwort des Generalanwalts sehr auf die Fallkonstellation Used Soft / Oracle. Die weitergehenden Fragen des BGH werden von ihm nicht beantwortet aus seiner Sicht wohl deshalb, weil das für den Fall nicht von Bedeutung war. Der EuGH sollte auch diese Fragen auch beantworten.

Insgesamt ergibt sich aus der Antwort des Generalanwalts ein unbefriedigendes und widersprüchliches Ergebnis. Prinzipiell ist der Erwerber der Software auch beim Download endgültiger Erwerber und zur Weiterverbreitung berechtigt. Die dafür in aller Regel möglichen technischen Maßnahmen darf er aber nicht ergreifen, obwohl auch in diesem Zusammenhang die zentralen wirtschaftlichen Erwägungen des Generalanwalts zutreffend sind. Eine konsistentere Lösung wäre sinnvoll.

 

3 Kommentare

  1. Veröffentlicht 26.4.2012 um 14:43 | Permalink

    Hallo Herr Redeker,

    danke für Ihren Beitrag. Dazu eine Frage:

    Wie ist aus rechtlicher Sicht die genaue Identität der „ersten Kopie“, d.h. des „ursprünglich angefertigten Werkstücks“ bestimmt?

    Aus technischer Sicht ist das m.E. nicht so leicht zu ersehen:

    Wenn ich eine Software von Oracle herunterlade, kopiere ich die entsprechenden Bytes vielfach über die Ebenen des Netzwerksstacks, bis sie auf meiner Festplatte landen. Dort werden die Installationsdateien dann bei jeder Defragementierung oder Umorganisation des Speicherplatzes auch wieder „wild“ hin- und herkopiert. Dann erzeuge ich mir noch selbst eine Sicherheitskopie auf einer USB-Platte (was ich wohl für den eigenen Gebrauch darf). Die eigentliche Installationdatei („oracle_install.exe“ oder so), bleibt dabei immer genau gleich. Insbesondere kann man schlecht erkennen, was denn die „ursprüngliche“ Kopie war.

    Dürfte ich dann später die (zuerst nur für mich erzeugte) Kopie auf der USB-Platte zusammen mit Lizenz an UsedSoft weiterverkaufen? Wie könnte Oracle beweisen, dass die Kopie auf der USB-Platte nicht die ursprüngliche Kopie ist?

    Gruß

    Oliver Stiemerling

  2. avatar Helmut Redeker
    Veröffentlicht 26.4.2012 um 14:50 | Permalink

    Das ist ein juristisch überhaupt noch nicht diskutiertes Problem. Ich ziehe ohnehin eine Lösung vor, die zur technischen Realisierung der (an sich ja erlaubten) Weitergabe auch eine Vervielfältigung erlaubt, wenn alle eigenen Vervielfältigungen ja gelöscht werden. Es geht ja um das gleiche informationelle Gut (näher Redeker, CR 2011, 634).

  3. Veröffentlicht 3.5.2012 um 10:48 | Permalink

    Ich habe die Ausführungen des Generalanwalts so verstanden, dass nur die erste Kopie, die der Erstkunde selbst anfertigt, von der Erschöpfung umfasst ist. Ich muss also den Download direkt auf einen USB-Stick speichern, damit ich das Programm tatsächlich weiterverkaufen kann (von Spezialfällen wie Verkauf der ganzen Festplatte abgesehen).

    Denn eine später erzeugte Kopie des ursprünglich auf meiner Festplatte abgespeicherten Downloads ist eine (z.B. als Sicherungskopie zulässige) Kopie der erschöpften Datei, die selbst nicht der Erschöpfung unterliegt. Das sagt der Generalanwalt zwar nicht ausdrücklich (sondern sagt in Rn 98 nur, dass der Zweitkäufer keine Kopie anfertigen darf), es ergibt sich aber aus den Ausführungen drum herum.

    Dass dieses Ergebnis in der Praxis nicht wirklich brauchbar ist, zeigt sich daran, dass

    * nur aufwendig nachweisbar ist, dass eine Kopie *nicht* die erschöpfte Kopie ist (Alter des Datenträgers, Analyse der Meta-Informationen); *dass* es sich um die erschöpfte Kopie handelt, wird sich angesichts der Manipulationsmöglichkeiten nie technisch beweisen lassen;

    * das Ergebnis relativ willkürlich davon abhängt, wohin der Ersterwerber den Download gespeichert hat;

    * bei all dem Abstellen auf technische Kopiervorgänge die von Herrn Stiemerling angesprochene Defragmentier-Problematik vergessen wird (die man aber noch damit rechtfertigen könnte, dass die Kopie ja auf einem Datenträger bleibt, d.h. übertragen gesprochen nur von der linken Seite des Kartons auf die rechte Seite gelegt wird) ebenso wie die mögliche Speicherung in einer Cloud (hier könnte man evtl. auf Dateisystem-Ebene argumentieren, ähnlich der Situation beim Defragmentieren) oder gar auf Storage-Systemen – man nehme konkret ein RAID 1 an, bei dem ja tatsächlich zwei Kopien (des Downloads) erstellt werden und bei Auftrennung des RAID unabhängig nutzbar wären. Welche von den beiden ist denn erschöpft?

    Unklar ist für mich zudem der letzte Satz von Rn 98: Will der Generalanwalt damit grundsätzlich dem Zweiterwerber die Benutzung des – legal erworbenen, da erschöpften – Programms verbieten? M.E. gibt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dies nicht her, da dort nicht steht: „Wenn der Erwerber einen Vertrag mit dem Rechtsinhaber hat, braucht es keine Zustimmung…“, sondern sinngemäß „Wenn es keine oder keine abweichende vertragliche Regelung gibt…“.

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