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Marco Buschmann, bitte übernehmen – Verkürzung des Rechtsschutzes bei Streit um „Digital Services Act“ geplant

avatar  Niko Härting

Ab dem 17.2.2024 gilt das Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“) in vollem Umfang. Online-Plattformen – klein, mittelgroß oder auch „sehr groß“ – werden einer umfangreichen Regulierung unterworfen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat jetzt einen Referentenentwurf zur Umsetzung des neuen Gesetzes vorgelegt. Nach diesem Entwurf ist eine höchst bedenkliche Einschränkung des Rechtsschutzes gegen Anordnungen zur Durchsetzung des „Digital Services Act“ geplant. Man muss hoffen, dass Justizminister Marco Buschmann eine solche Verkürzung des Rechtsschutzes nicht mitträgt.

Eine neue „Koordinierungsstelle für digitale Dienste“ soll bei der Bundesnetzagentur in Bonn eingerichtet werden, um den „Digital Services Act“ durchzusetzen und zu überwachen (§ 14 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs) Die „Koordinierungsstelle“ soll zugleich „Zentrale Beschwerdestelle“ werden, wie dies Art. 53 des Digital Services Act vorsieht (§ 21 des Gesetzesentwurfs).

In der Praxis könnte dies wie folgt aussehen: Die Nutzerin einer Online-Plattform meldet ein Posting, das sie für rechtswidrig hält (Art. 16 Abs. 1 Digital Services Act). Der Betreiber der Plattform lehnt eine Löschung des Postings ab, die Nutzerin beschwert sich bei der Bonner „Koordinierungsstelle“. Die „Koordinierungsstelle“ hat umfangreiche Untersuchungsbefugnisse. Sie muss sich nicht an die Geschäftsführung des Plattform-Betreibers halten, sondern darf auch „alle Mitarbeiter oder Vertreter dieser Anbieter“ zu „Erklärungen“ auffordern (Art. 51 Abs. 1 lit. c Digital Services Act“.

Kommt es zu einer solchen Aufforderung, soll diese Aufforderung – wie sämtliche „Entscheidungen“ der „Koordinierungsstelle“ – sofort vollziehbar sein (§ 29 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs). Widerspruch und Vorverfahren ausgeschlossen (§ 29 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs). Und der Rechtsschutz wird (mit wenigen Ausnahmen) auf eine Instanz verkürzt (§ 29 Abs. 3 des Gesetzesentwurfs). Berufung, Beschwerde, Revision ausgeschlossen. Viel Arbeit für das zuständige Verwaltungsgericht Köln, denn den Betroffenen wird nichts anderes übrig bleiben, als mit Eilanträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Verwaltungsakte der neuen Behörde vorzugehen.

Warum die Eile? Warum der auf ein Minimum reduzierte Rechtsschutz? Man höre und staune: Die Verkürzung des Rechtswegs soll laut der Gesetzesbegründung im Interesse der Diensteanbieter liegen:

„Die Rechtswegverkürzung in Absatz 3 dient, wie bereits die Absätze 1 und 2 insgesamt der Verfahrensbeschleunigung und damit der Rechts- und Planungssicherheit der Diensteanbieter.“

Ein ganz schlechter Witz: Der Dienstanbieter, der sich in erster Instanz gegen eine behördliche Anordnung erfolglos wehrt, wird für den Fortfall der zweiten Instanz damit getröstet, dass er „Rechts- und Planungssicherheit“ erhält. Wenn ein solches Argument Schule macht, kann man den Instanzenzug in allen Angelegenheiten und bei allen Gerichten vollständig abschaffen.

Auch die Begründung für die geplante sofortige Vollziehbarkeit aller Anordnungen der „Koordinierungsstelle“ ist mehr als dürftig: Man verweist auf den „vollharmonisierten Bereich“, dem der Digital Services Act entstammt, obwohl man es im BMDV besser wissen sollte. Das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht entzieht sich europäischer Regulierung, ansonsten bedürfte es ja gar nicht des Durchführungsgesetzes, das das BMDV erarbeitet hat. Es ist unredlich, der EU mit dem plumpen Verweis auf eine „Vollharmonisierung“ die Verantwortung für den verkürzten Rechtsschutz in die Schuhe zu schieben.

 

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Mehr zum Autor: RA Prof. Niko Härting ist namensgebender Partner von HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin. Er ist Mitglied der Schriftleitung Computer und Recht (CR) und ständiger Mitarbeiter vom IT-Rechtsberater (ITRB) und vom IP-Rechtsberater (IPRB). Er hat das Standardwerk zum Internetrecht, 6. Aufl. 2017, verfasst und betreut den Webdesign-Vertrag in Redeker (Hrsg.), Handbuch der IT-Verträge (Loseblatt). Zuletzt erschienen: "Datenschutz-Grundverordnung".

Ein Kommentar

  1. avatar Dr. Daniel Holznagel
    Veröffentlicht 28.8.2023 um 18:50 | Permalink

    Sehr interessant, zumal ja auch Art. 51 Abs. 6 DSA ausdrücklich sagt, die Mitgliedstaaten sollen das Verfahren ausgestalten: „Die Mitgliedstaaten legen spezifische Bedingungen und Verfahren für die Ausübung der Befugnisse gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 fest und stellen sicher, dass jede Ausübung dieser Befugnisse angemessenen Garantien unterliegt, … “ usw.

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