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Von DALL•E bis DABUS – Mit großen Schritten voran in rechtliche Untiefen

avatar  Dr. Stefan Papastefanou
Rechtsanwalt, White & Case LLP, Hamburg; Lehrbeauftragter und Dozent Bucerius Law School, Center for Transnational IP, Media and Technology Law and Policy, Hamburg

Zwei Klagen in den USA und ein ebenso bilderbuchhaftes wie notwendiges Erwachen auf rechtlicher Ebene lassen für 2023 erwarten, dass die Entwickler kreativer „KI“-Umgebungen vielleicht den Fuß ein wenig vom Gaspedal nehmen werden. Ob dies noch rechtzeitig geschieht, ist fraglich, denn bekanntlich fliegt der Raser regelmäßig aus der Kurve; im Einzelnen:

Von „Künstlicher Intelligenz“ zu „künstlicher Kreativität“

Den Entwicklern von sog. „künstlicher Intelligenz“ („KI“) kann es in der Regel gar nicht schnell genug gehen. Insbesondere im vergangenen Jahr haben die KI-Entwickler die kreative Sphäre für sich entdeckt. Anwendungen wie DALLE 2, Stable Diffusion und nicht zuletzt auch ChatGPT führen nicht nur zu immensem Aufsehen, sondern auch zur Erstellung von unzähligen „Erzeugnissen“ im Digital Arts Market. Die Bedienung ist denkbar einfach: Sie erfordert weder einen hohen zeitlichen Aufwand, noch ist eine besondere eigene kreative Eigenleistung notwendig. Im Fall von DALLE 2 reichen schon wenige Begriffe und bei ChatGPT führen ähnlich einfache Anweisungen zu umfangreichen Text-Ergebnissen.

Inwieweit hier rechtliche Besonderheiten und Unsicherheiten bestehen, ist häufig zweitrangig. Diese Umstände spielen üblicherweise erst dann eine Rolle, wenn vermeintliche Rechteinhaber auftreten oder eine vermisste Monetisierung im Raum steht.

In ähnlicher Weise lassen sich im Rahmen von rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Themen häufig vorschnelle und verallgemeinernde Abhandlungen finden, die sich bevorzugt mit allgemeinen und theoretischen Ausführungen zum Schöpferbegriff beschäftigen, als konkrete Anwendungen im Detail zu untersuchen.

Allerdings ist für eine aussagekräftige Analyse auch eine konkrete Untersuchung unabdingbar. Nicht jede „künstliche Intelligenz“ funktioniert gleichermaßen: Bereits der Begriff „künstliche Intelligenz“ ist nebulös und keineswegs so eindeutig definiert wie es manche rechtlichen Ausführungen zu dem Thema erscheinen lassen.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Ebenen und den beteiligten Akteuren der Anwendung DALLE 2 zeigt etwa, dass wohl keinerlei Urheberrechte am Erzeugnis entstehen (grundlegend zur rechtlichen Bewertung der einzelnen Elemente: Papastefanou, CR 2023, 4 Rz. 17 ff.).

Dieser Umstand und die außergewöhnliche Einfachheit, diese Erzeugnisse zu erstellen, führen jedoch zu rechtlichen Problemen, die im Urheberrecht bisher unbekannt waren:

Beispielsweise sei hier das von Ammaar Reshi erstellte Kinderbuch „Alice and Sparkle“ angeführt. Dem Fin-Tech Produktmanager gelang es im Dezember 2022 auf einfache Weise durch Anwendung von ChatGPT, ein Kinderbuch zu schreiben und mit Midjourney zu illustrieren. Von der Idee bis zur Veröffentlichung verging lediglich ein Wochenende. Nicht gänzlich unerwartet schwang das anfänglich sehr positive Feedback innerhalb ähnlich kurzer Zeit in ausgesprochen negative Rückmeldungen um, welche insbesondere von „klassischen“ Künstlern ausgingen. Insbesondere der Vorwurf von Copyright-Verletzungen stand schnell im Raum (BusinessInsider vom 15.1.2023).

Rechtliche Fallstricke: zwei US-Klagen

Die Verärgerung gipfelte am 13.1.2023 in einer Klage von drei Künstlern des Digital Arts Market gegen die Träger der text-to-image Modelle StableDiffusion und Midjourney (TheVerge vom 16.1.2023). Gegenstand der Klage ist zweierlei:

  • Vorlagen:
    Zunächst wird geltend gemacht, die Anbieter der Modelle hätten beim Aufbau der – für die Anwendungen zentralen – Datenbanken künstlerische Werke verwendet, obwohl hierfür keine Berechtigungen vorlagen.
  • Erzeugnisse:
    Darüber hinaus wird der Vorwurf erhoben, die Erzeugnisse der Anwendungen selbst seien Copyright-Verletzungen, da sie den „Stil“ der Künstler kopieren.

=> Weiterführend zu beiden rechtlichen Aspekten vgl. Papastefanou, CR 2023, 7 Rz. 50 f.

Unglücklicherweise zeigen sich in dieser Klage auch Ungenauigkeiten in der Vorstellung über die technische Funktionsweise von text-to-image Modellen: Insbesondere wird behauptet, die verwendeten Datenbanken enthielten “komprimierte” Kopien der ausgesuchten Bilder. Tatsächlich liegen jedoch aus den Bilddateien errechnete Matrizen vor (mit Einzelheiten hierzu: Papastefanou, CR 2023, 5 Rz. 6 ff.)

Nur wenige Tage zuvor, am 10.1.2023, hatte Stephen Thaler, der als Verfechter der „KI“-Schöpfungsfähigkeit im Patentrecht zu besonderer Bekanntheit gelangt ist, ebenfalls eine Klage erhoben. Diese richtet sich gegen das U.S: Copyright Office. Thaler möchte mit der Klage sicherstellen, dass „KI“-Schöpfungen gleichermaßen wie menschliche Schöpfungen Copyright-Schutz genießen (Stephan Thaler, Klageschrift vom 10.1.2023). Das U. S. Copyright Office hatte die versuchten Anmeldungen Thalers bisher mit dem Verweis auf die notwendige “menschliche Autoreneigenschaft“ zurückgewiesen.

Umdenken der “KI”-Entwickler?

Neben den erwähnten Gerichtsverfahren, deren Ausgang aufgrund der völlig neuen Rechtsfragen gänzlich offen ist, hat sich mittlerweile auch die Positionierung der „KI“-Entwickler verändert:

Hatte OpenAI CEO Sam Altman noch vor einiger Zeit zur großen Beschleunigung der Entwicklung aufgerufen “Move faster. Slowness anywhere justifies slowness everywhere.” (Sam Altman, Twitter-Post vom 1.1.2021), so drückte er sich kürzlich deutlich verhaltener aus und deutete auf eine angepasste Unternehmenspolitik hin: “In general we are going to release technology much more slowly than people would like. We’re going to sit on it for much longer…” (Krytal Hu, Twitter-Post vom 13.1.2023).

Ähnliche Gedanken müssen auch DeepMind CEO Demis Hassabis umtreiben, der auch eine Zurückhaltung bei der weiteren Entwicklung betonte: “When it comes to very powerful technologies—and obviously AI is going to be one of the most powerful ever—we need to be careful.” Ebenso sprach er sich für eine langsamere und vorsichtigere Entwicklung aus: “I would advocate not moving fast and breaking things.” (Demis Hassabis, Time-Interview vom 12.1.2023).

Ob diesen guten Vorsätzen tatsächlich entsprechende Taten folgen, bleibt abzuwarten. Mit den für dieses Jahr zu erwartenden Durchbrüchen im Bereich der text-to-voice und text-to-video Modelle zeichnen sich bereits die nächsten Rennstrecken ab, auf denen im KI-Wettbewerb niemand als Letzter ins Ziel kommen möchte.

 

 

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