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Digital Markets Act: Verbot der Selbstbevorzugung im Ranking

avatar  Dr. Sebastian Louven
Rechtsanwalt

Im Beitrag letzte Woche habe ich das Verbot von Meistbegünstigungspraktiken nach Art. 5 Abs. 3 DMA behandelt. Dabei handelt es sich um wettbewerbliche Praktiken, mittels derer die Handlungsfreiheit von gewerblichen Kunden außerhalb der Plattform eingeschränkt wird. Meistbegünstigung ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Selbstbevorzugung, um die es in diesem Beitrag heute geht.

Zur Ãœbersicht wieder vorab der Wortlaut des Art. 6 Abs. 5 DMA im Volltext:

„Der Torwächter darf von ihm selbst angebotene Dienstleistungen und Produkte beim Ranking sowie bei der damit verbundenen Indexierung und dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten eines Dritten nicht bevorzugen. Der Torwächter muss das Ranking anhand transparenter, fairer und diskriminierungsfreier Bedingungen vornehmen.“

Zweck der Vorschrift

Der Regelungstext ist überschaubar im Vergleich mit anderen Regelungen innerhalb des DMA. Hintergrund ist auch hier eine kartellrechtliche Kasuistik. Es geht um die Situation, dass eine Plattform im Wettbewerb eine Doppelrolle übernimmt: Sie wird erstens als Vermittlerin für Drittunternehmen tätig, während sie zweitens mit diesen Drittunternehmen – auf ihrer eigenen Plattform – im direkten Wettbewerb steht.

Im Rahmen ihrer Vermittlerrolle kann die Plattform dabei Einfluss auf ihre Darstellungsergebnisse (aka Ranking) nehmen und damit den Wettbewerb über Produkte oder Dienstleistungen zwischen ihr selbst und den Drittunternehmen beschränken. Geschieht dies ohne sachliche Rechtfertigung durch ein marktbeherrschendes oder relativ marktmächtiges Unternehmen, so sind derartige Praktiken bereits nach dem allgemeinen Kartellrecht verboten. Eine klare sachliche Rechtfertigung etwa kann die nachgewiesene unterschiedliche Relevanz der Produkte oder Dienstleistungen auf der Vermittlungsplattform sein. Liegt eine sachliche Rechtfertigung nicht vor, dann gehen das Kartellrecht und auch der DMA von einem Interessenkonflikt aus: Der Torwächter untergräbt seine wettbewerbliche Bestreitbarkeit in Bezug auf die Produkte oder Dienstleistungen. Damit stellt er seine eigenen Interessen über die Interessen des – von ihm – zu schützenden Wettbewerbs.

Einige Beispiele listet EG 51 DMA auf:

  • Online-Vermittlungsdienste, die über Online-Suchmaschine bereit gestellt
  • Software-Anwendungen, die über Geschäfte für Software-Anwendungen vertrieben werden
  • Videos, die über Video-Sharing-Plattform vertrieben werden
  • Produkte/Dienstleistungen, die
    • im Newsfeed eines Online-Dienstes eines sozialen Netzwerkes hervorgehoben werden
    • in den Suchergebnissen oder auf einem Online-Marktplatz angezeigt werden
    • über einen virtuellen Assistenten angeboten werden

Übersicht über das Verbot

Der Verordnungstext bezieht sich primär auf das Ranking. Gemäß Art. 6 Abs. 5 DMA muss der Torwächter das Ranking anhand transparenter, fairer und diskriminierungsfreier Bedingungen vornehmen. Es kommt also auf das Ergebnis an und ob hierbei die selbst angebotenen Produkte oder Dienstleistungen anders oder bevorzugt behandelt werden.

Der Begriff Ranking wird in Art. 2 Nr. 22 DMA definiert (mit meinen redaktionellen Hervorhebungen):

„Ranking“ die relative Hervorhebung von Waren und Dienstleistungen, die über Online-Vermittlungsdienste, Online-Dienste sozialer Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste oder virtuelle Assistenten angeboten werden, oder die Relevanz, die den Suchergebnissen von Online-Suchmaschinen mittels entsprechender Darstellung, Organisation oder Kommunikation durch die Unternehmen, die Online-Vermittlungsdienste, Online-Dienste sozialer Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste, virtuelle Assistenten oder Online-Suchmaschinen anbieten, zugemessen wird, unabhängig von den für diese Darstellung, Organisation oder Kommunikation verwendeten technischen Mitteln und unabhängig davon, ob nur ein einziges Ergebnis dargestellt oder kommuniziert wird.“

Es handelt sich mit anderen Worten also um eine Auswahlentscheidung der Plattform über Ergebnisse gegenüber dem Endnutzer. Erfasst sind sämtliche eingebundenen Online-Suchmaschinen. Damit ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift denkbar weit und umfasst auch schon bloße Produktgestaltungsentscheidungen. Dies ergibt sich auch aus den aufgelisteten Beispielen, mit denen der Verordnungsgeber das weitere Gefährdungspotenzial darstellt. Nicht maßgeblich ist außerdem, ob der Torwächter die Entscheidung selbst trifft, sondern auch ein von ihm kontrollierter Nutzer wäre erfasst. Damit sollen Umgehungslösungen ausgeschlossen werden.

Ein Ranking kann schon dann nach diesen Vorgaben falsch sein, wenn den eigenen Produkten oder Dienstleistungen auf den vorgelagerten Stufen des Auffindens oder der Indexierung ohne sachliche Rechtfertigung eine bessere Position eingeräumt wird. Zusätzlich soll nach EG 52 S. 4 DMA jede Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine Differenzierung oder einer Vorzugsbehandlung erfasst werden. Dies erfasst rechtliche, kommerzielle wie auch technische Maßnahmen und entspricht der weiten kartellrechtlichen Praxis. Art. 6 Abs. 5 S. 2 DMA schreibt dazu ergänzend vor, dass der Torwächter seine Maßnahmen nach transparenten, fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen vornehmen muss. Hierbei soll laut EG 52 S. 4 DMA ein Gleichlauf mit Art. 5 P2B-Veordnung bestehen, der sich ebenso auf die Rankingbedingungen bezieht.

Nicht ausdrücklich erklärt wird, was es mit ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten eines Dritten auf sich hat. Was ähnlich ist, dürfte erneut sehr weit zu verstehen sein. Ansonsten wäre es denkbar, dass ein Torwächter seine eigenen Produkte oder Dienstleistungen so gestaltet, dass sie mit denen von Drittunternehmen nicht mehr direkt vergleichbar sein könnten. Eine derartige gewillkürte Umgehung des Verbots soll dem Torwächter nicht möglich sein. Dies ergibt sich zum einen aus der Klarstellung, dass auch Maßnahmen mit gleicher Wirkung erfasst sind. Zudem spricht die Bestreitbarkeit im Wettbewerb für eine noch intensivere Auslegung als im allgemeinen Kartellrecht, das lediglich die Offenhaltung des Wettbewerbsprozesses schützt.

Weiterhin nicht unmittelbar erklärt wird, welche Dienstleistungen oder Produkte eines Dritten überhaupt erfasst sind. Allerdings ergibt sich erst in diesem Zusammenhang der eigentliche Anknüpfungspunkt dieser Vorschrift, nämlich als Verbot missbräuchlicher Verdrängungsstrategien. Art. 6 Abs. 5 DMA setzt also voraus, dass der Torwächter die Vermittlungsleistungen gegenüber den Dritten erbringen muss. Denn die schärfste Maßnahme mit gleicher Wirkung zur Selbstbevorzugung ist der vollständige Ausschluss der Drittunternehmen. Damit wird der Torwächter im Rahmen des Verbotes auch daran gehindert, seine bisher offene Suchmaschine aus schlicht eigenwirtschaftlichem Interesse zur reinen Selbstvermarktung einzuschränken. Sollte ein Torwächter hier die Geschäftsbeziehung beenden oder ein Drittunternehmen nicht in der Suchmaschine aufnehmen, könnte es sich unabhängig von kartellrechtlichen Vorgaben direkt auf das Verbot aus Art. 6 Abs. 5 stützen.

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