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Wie verändert „Metall auf Metall“ (EuGH) die Harmonie einer nationalen Umsetzung von Art. 17 Urh-RL?

avatar  Prof. Dr. Caroline Volkmann
h_da Hochschule Darmstadt University of Applied Sciences

Der Umsetzungsprozess der neuen Urheberrechts-Richtlinie 2019/790 (Urh-RL) hat begonnen. Zwar haben die Mitgliedstaaten bis Juni 2021 Zeit, aber die komplexen und wertungsoffenen Regelungen des Art. 17 Urh-RL erfordern Präzisionsarbeit. Die EU-Kommission hat soeben den Stakeholder-Prozess nach Art. 17 Abs. 10 Urh-RL zur Vorbereitung ihrer Leitlinien eröffnet. Die Leitlinien sollen insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Diensteanbietern und Rechteinhabern bei der Sperrung der Inhalte regeln (Commission, „Organisation of a stakeholder dialogue on the application of Article 17 of Directive on Copyright in the Digital Single Market“, 28 August 2019).

Das Bundesjustizministerium hat bereits im Juli eine öffentliche Konsultation zur Umsetzung der Urh-RL begonnen. Dabei wird eine aktuelle Entscheidung des EuGH zu berücksichtigen sein: Mit der Entscheidung  „Metall auf Metall“ (Rs. C-476/17) hat er den Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Urh-RL eingeschränkt – siehe Widuwielt, „Die unweigerlichen Uploadfilter“, FAZ v. 21.8.2019 (2. und 3.). Wenn die Upload-Filter de lege lata unvermeidbar sind, wird der Fokus des Gesetzgebers auf eine möglichst flächendeckende Lizenzierung der Inhalte für die nicht gewerbliche öffentliche Zugänglichmachung der Nutzer auf der Plattform gelenkt. Das in Art. 12 Urh-RL geregelte Modell des extended collective licensing bietet insoweit wertvolle Chancen, aber auch schwierige Herausforderungen (4.).

  1. Filterpflichten nach Urh-RL

Art. 17 Abs. 1 Urh-RL sieht vor, dass der Diensteanbieter bei den Rechteinhabern die entsprechenden Lizenzen für das nicht gewerbliche öffentliche Zugänglichmachen durch seine Nutzer erwerben muss.

Gelingt dies nicht, wird der Diensteanbieter dennoch von der Haftung für das unerlaubte Hochladen der Nutzer befreit, wenn er nach Art. 17 Abs. 4 Urh-RL u.a. alle Anstrengungen unternommen hat, um die Verfügbarkeit der Inhalte zu vermeiden. Dies erfolgt mittels der Upload-Filter, und einiges spricht dafür, dass diese nicht zu verhindern sind (vgl. dazu eingehend Spindler, CR 2019, 283 Rz. 85 ff.; zur konkreten Ausgestaltung der Filterpflichten und den sich anschließenden Haftungsfragen auch Volkmann, CR 2019, 376 Rz. 21 ff., Rz. 55 ff.).

  1. Keine zusätzlichen Schrankenregelungen für user-generated-content nach EuGH

Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses für die Urh-RL wurde in der Fachliteratur vorgeschlagen, das Hochladen von Ausschnitten durch Nutzer im nicht gewerblichen Bereich als user generated content-Schranke ähnlich der Privatkopie nach § 53 UrhG auszugestalten (vgl. Leistner/Metzger, „Wie sich das Problem illegaler Musiknutzung lösen lässt“, FAZ v. 04.01.2017). Ein sinnvoller Vorschlag, der sich nicht durchsetzen konnte.

Sofern vertreten wird, dass der nationale Gesetzgeber ungeachtet des nun anders gestalteten Art. 17 Urh-RL eine solche Schranke dennoch einführen könnte, dürfte nach dem EuGH-Urteil „Metall auf Metall“ diese Möglichkeit in weitere Ferne gerückt sein. Denn der EuGH hat unmissverständlich Folgendes bestätigt:

Nationale Schrankenregelungen außerhalb des Art. 5 der geltenden Infosoc-RL sind unzulässig.
(EuGH, Urt. v. 29.7.2019 – C-476/17 – Metall auf Metall, CR 9/2019 Rz. 62 ff. m.Anm. Papastefanou)

Es mag in der EuGH-Entscheidung Metall auf Metall in der Sache um die Frage gegangen sein, ob das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers mittels der deutschen Rechtsfigur der freien Nutzung gem. § 24 UrhG über Art. 5 Infosoc-RL hinaus beschränkt werden darf. Eine andere Betrachtung in Bezug auf die Beschneidung von Urheberrechten durch eine nicht in Art. 5 Infosoc-RL vorgesehene, nationale user-generated-content-Schranke lässt sich aber nunmehr schwerlich argumentieren.

  1.  Allenfalls verschärfende Schrankenregelungen

Art. 25 Urh-RL sieht vor, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der neu geregelten Schrankenregelungen (Text- und Datamining, grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten und Erhaltung des Kulturerbes, siehe Spindler, CR 2019, 283 ff.) strengere Bestimmungen erlassen können, sofern diese mit den Beschränkungen und Ausnahmen nach der geltenden Infosoc-RL und der Richtlinie 96/9/EG vereinbar sind. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass der in Art. 5 Infosoc-RL festgelegte Schrankenkatalog nach nationalem Ermessen erweiterbar ist. Dies wäre rechtsdogmatisch auch nicht mit Art. 17 Urh-RL vereinbar, der eine solche Schranke schlicht nicht vorsieht.

  1. Modell des extended-collective-licensing

Gerade bei individueller Rechtewahrnehmung dürfte die nach Art. 17 Abs. 1 Urh-RL erforderliche Rechteeinräumung ein für Diensteanbieter schwer realisierbares Unterfangen darstellen. Eine größtmögliche Lizenzierung der Schutzgegenstände ist aber das erklärte Ziel der Urh-RL, gleichzeitig würde hiermit der Umfang der zu filternden Inhalte reduziert.

Deshalb wird eine Kollektivierung der entsprechenden Nutzungsrechte im Rahmen des skandinavischen Modelles des extend-collective-licensing vorgeschlagen (vgl. dazu Steinhau, „Ermöglichen Artikel 9a und „verpflichtende Pauschallizenzierung“ Auswege aus dem Uploadfilter-Dilemma?“, irights.info v. 19.3.2019). Hierzu sieht Art. 12 Urh-RL die kollektive Rechtevergabe mit erweiterter Wirkung vor. Verwertungsgesellschaften können demnach die entsprechenden Rechte auch von Rechteinhabern wahrnehmen, die der Verwertungsgesellschaft ihre Rechte nicht zur Wahrnehmung übertragen haben.

Das extended collective licensing Modell könnte zwar einige Hürden bei der massenhaften Lizenzierung der Inhalte abbauen. Aber auch dieses Modell birgt weitere Herausforderungen:

a) Europarechtliche Vorgabe

Art. 12 Abs. 2 Urh-RL stellt für erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung u.a. folgende Bedingungen auf:

Nutzungsbereich:  Sie findet nur in genau bestimmten Bereichen der Nutzung Anwendung.

Keine Erlaubnis:  Die Einholung der Erlaubnis der Rechteinhaber in jedem Einzelfall ist normalerweise beschwerlich und praxisfern.

Berechtigte Interessen:  Die berechtigten Interessen der Rechteinhaber müssen bei diesem Lizenzierungsverfahren gewahrt werden.

Opt-Out:  Rechteinhaber, die der Verwertungsgesellschaft kein Mandat erteilt haben, können jederzeit der Rechtewahrnehmung widersprechen.

Gerade bei der massenhaften Lizenzierung von Inhalten für eine öffentliche Zugänglichmachung von user generated content könnten diese Bedingungen erfüllt sein.

b) Räumlich fragmentierte Rechtevergabe

Die Nutzung nach dem extendend-collective-licensing-Modell ist nach Art. 12 Abs. 1 Urh-RL nur für den jeweiligen Mitgliedstaat vorgesehen.

Um eine europaweite Nutzung der Inhalte zu gewährleisten, müssten nahezu alle Mitgliedstaaten Art. 12 Urh-RL für diesen Bereich vorsehen und die Verwertungsgesellschaften müssten Gegenseitigkeitsverträge abschließen.

c) Umfassende Werknutzungen: Gefährdung der Primärmärkte

Ein berechtigtes Interesse der Rechteinhaber nach Art. 12 Abs. 2 Urh-RL ist die Verwertung ganzer exklusiver Werke über on-demand-Dienste, wie beispielsweise bei Filmwerken. Damit eine opt-out-Klausel in diesen Fällen nicht umfassend wahrgenommen wird, müssten ausschnittsweise Nutzungen in kleinem Umfang den Regelfall der kollektiven erweiterten Rechtewahrnehmung darstellen. Diese marginalen Nutzungen müssten sich wiederum europaweit vereinheitlichen lassen, was ein schwieriges Unterfangen sein dürfte.

Die kollektive erweitertet Rechtewahrnehmung dürfte erleichtert werden durch:

eine Verwertungsgesellschafts-Pflichtigkeit des Rechts der öffentlichen Wiedergabe bei user generated content und

einen Direktanspruch der Rechteinhaber gegen die Diensteanbieter nach dem Vorbild des § 20b UrhG.

  1.  Ausblick:

Erstens, das EuGH-Urteil „Metall auf Metall“ spricht gegen eine Umgehung von Upload-Filtern über eine Schrankenregelung für user generated content.

Zweitens, das Modell des extended collective licensing nach Art. 12 Urh-RL kann eine flächendeckende Lizenzierung von Inhalten fördern und zur Praktikabilität des Art. 17 Urh-RL maßgeblich beitragen. Dies gilt ungeachtet einiger Herausforderungen dieses Modells.

Drittens, gleichzeitig würde damit der Umfang der nach Art. 17 Abs. 4 Urh-RL zu filternden Inhalte mutmaßlich verringert.

Viertens, auch die öffentliche Zugänglichmachung von user generated content im Rahmen des extended collective licensing-Modelles wird den Einsatz von Upload-Filtern nicht vermeiden können. Dies gilt insbesondere für den Fall des in Art. 12 Urh-RL ausdrücklich vorgesehenen Widerspruchs von Rechteinhabern gegenüber der erweiterten kollektiven Nutzung.

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