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Immersiver Journalismus – Regelungsbedarf der Suggestivkraft von VR

avatar  Kai von Lewinski

Der journalistische Einsatz von Virtual Reality (VR) lässt den Nutzer nicht unberührt und führt zu besonderen medienrechtlichen Herausforderungen für Journalismus in der virtuellen Realität. Das Medienrecht muss auf die neuen Problemstellungen durch den journalistischen Einsatz von VR (von Lewinski, „Immersiver Journalismus – Virtual Reality als Herausforderung für das Medienrecht“, CRonline Blog v. 9.4.2018) reagieren:

Die Regulierungsgeschichte zeigt, dass in Bezug auf andere Techniken – etwa das Radio, den Rundfunk, aber auch im Hinblick auf die elektronische Presse und womöglich auch schon die Zeitung und den Buchdruck überhaupt – bereits in der Vergangenheit Medienwandel immer auch Anpassungen des Regulierungsrahmens zur Folge hatte.

Welche Wege also kann der Gesetzgeber konkret einschlagen,
um „immersiven Journalismus“ zu regulieren?

Zulassung(sfreiheit)

Im Rahmen der allgemeinen Medien- und Mediennutzungsfreiheit sind immersive Medien grundsätzlich erlaubnisfrei, nur bei einer Einordnung als Rundfunk unterfallen sie den einschlägigen Zulassungsregeln.

Ob allerdings die Maßstäbe, nach denen der Rundfunk von den anderen Medien unterschieden wird (Linearität, besondere Suggestivkraft), in Bezug auf immersive Medien sinnvoll sind, muss bezweifelt werden.

  • Linearität entfällt umso eher, je mehr der Nutzer sich autonom im virtuellen Raum bewegt und interagiert.
  • Besondere Suggestivkraft hat VR ohne weiteres, nur ist dann die – eine Ebene grundsätzlichere – Suggestivkraft des Rundfunks nicht mehr „besonders“.

Einstweilen wird man mit den bisherigen Maßstäben und damit mit den bisherigen Regelungen weiter arbeiten können; jedenfalls so lange, wie immersive Medieninhalte im wesentlichen (nur und erst) 360°-Videos sind, die nach wie vor linear verbreitet werden (können) und mangels durchgehender Interaktionsmöglichkeiten auch keine neue Stufe der Suggestion erreichen.

Daneben werden noch weitere nicht spezifisch medienrechtliche Gefahren mit VR verbunden:
Bekannt und verbreitet ist die sog. „Simulatorkrankheit“ (Übelkeit, Schwindel), zudem können auch psychische Traumata auftreten. Auch mag VR ein Suchtpotential besitzen, was aber bislang noch jedem „neuen“ Medium zugeschrieben wurde (Fernsehsucht, Computerspielesucht usw.).
=> Ob der Gesetzgeber insoweit gesundheits‑, jugend- oder verbraucherschützend eingreift, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Journalistische Sorgfaltspflichten

Die (allgemeinen) journalistischen Sorgfaltspflichten werden auch in die virtuelle Realität fortgeschrieben werden können. Größeres Augenmerk wird auf die durch Immersion verschwimmenden Grenzen gerichtet werden müssen, so dass die Umsetzung der verschiedenen Trennungsgebote (Inhalt<=>Werbung, Meldung<=>Meinung usw.) neu gedacht werden muss.

Auch bei der Ausgewogenheit (als Vorgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk) und die Binnenvielfalt wird man in Rechnung stellen müssen, dass die Nutzer sich freier im Programm bewegen können als beim linearen Rundfunk, so dass die Ausgewogenheit und Vielfalt nicht nur gesendet, sondern auch als solche empfangen werden (können) muss.

Werbung

Ähnlich wie bei den journalistischen Sorgfaltspflichten wird man das Transparenzprinzip sowie den schon erwähnten Grundsatz der Trennung von journalistisch-redaktionellem Inhalt und Werbung ohne weiteres auf immersive Medien übertragen.

Die Mittel zur Herstellung von Transparenz freilich müssen angepasst werden. Hierbei kann an Konventionen aus der realen Welt angeknüpft werden. – Warum sollte eine virtuelle Litfaßsäule nicht ebenso leicht und gut erkannt werden können wie eine in der echten Welt?

Jugendschutz

Auch das Jugendschutzrecht muss wohl nicht grundsätzlich geändert werden. So kann die dem deutschen Jugendschutzrecht eigene Einteilung von Inhalten in Altersgruppen und die Möglichkeit der Indizierung an sich beibehalten werden. Auch hier können und müssen die medialen interaktiven Möglichkeiten berücksichtigt werden:

By Design: Möglicherweise kann von einer an den Inhalt des Contents insgesamt anknüpfenden Regelung Abstand genommen werden, wenn etwa durch die graphische und akustische Gestaltung der virtuellen Welt – deren Aufbau – Kinder und Heranwachsende von jugendgefährdenden Inhalten weggelockt und weggelotst werden. Denkbar wäre auch, dass bestimmte Inhalte situativ für eine bestimmte Altersgruppe nicht sichtbar sind.

Immaterialgüterrecht

Nicht allein auf den Medienbereich beschränkt, dort aber besonders relevant ist die Frage des immaterialgüterrechtlichen Schutzes von journalistischen Inhalten in der virtuellen Realität:

Problem:  Denn der konkrete Eindruck ergibt sich ja in spezifischer Weise erst durch die Interaktion des Nutzers mit dem Werk. Während eine Zeitung nur von links nach rechts gelesen und der lineare Rundfunk nur entsprechend der Ausstrahlung wahrgenommen werden kann, liegt der Eindruck virtueller journalistischer Inhalte im wahrsten Sinne „im Auge des Betrachters“. Damit passt er nicht mehr ganz in das vom Begriff des Werkes ausgehende und damit jedenfalls insoweit überkommene Urheberrecht.

Lösungsansatz:  Ein naheliegender Ansatz, jedenfalls für eine Übergangszeit, ist womöglich die Anlehnung an die Behandlung von Let’s Play-Videos, in denen ein urheberrechtlich geschütztes Werk – die Software – auf eine spezifische Weise genutzt – „gespielt“ – wird. Auch hier konkurrieren und mischen sich Positionen des Rechteinhabers und des aufführenden Spielers.

Notwendige Diskussion:  Ob man an virtuellen Welten ein eigenes Urheber- oder jedenfalls ein Leistungsschutzrecht konstruieren kann und einführen sollte, ist eine zu diskutierende Frage. Jedenfalls muss dann auch die aktive Nutzung durch den Rezipienten berücksichtigt werden – denn ein Leistungsschutzrecht an einer (Nutzungs‑)Leistung eines Dritten wäre doch recht ungewöhnlich.

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