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Open Data – Chancen und Grenzen?

avatar  Helmut Redeker

Ein neues Schlagwort macht die Runde. Die Rede ist von „Open Data“. Es geht dabei um Daten, die für alle im Netz öffentlich zugänglich sind. Diese Daten werden izum einen von urheberrechtlich geschützten Daten unterschieden, die keinesfalls alle verwenden dürfen, zum anderen – und dies ist der Schwerpunkt der derzeitigen politischen Debatte – geht es um den öffentlichen Zugang zu Regierungs- und Verwaltungsdaten. Bis vor einigen Jahren unterlagen diese in Deutschland weitgehend dem Amtsgeheimnis. Seit einigen Jahren werden im Bund und in zunehmend mehr Ländern Gesetze verabschiedet, nach denen jedermann ohne Voraussetzung Anspruch auf die Übermittlung solcher Daten oder die Einsicht in solche Daten hat, sog. Informationsfreiheitsgesetze. Umfassend gibt es einen solchen Anspruch aufgrund von EU-Recht im Umweltrecht (Umweltinformationsgesetz). Dieser Anspruch ist oft eingeschränkt, weil es gegenläufige Interessen gibt, so den Schutz von personenbezogenen Daten oder den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Auch staatliche Interessen können gegen eine Veröffentlichung sprechen. Die Ausnahmelisten in den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen sind relativ umfassen (vgl. z. B. §§ 3 – 6 IFG Bund).

Open Data ist nun ein ganz neuer Ansatz in diesem Zusammenhang. Dabei geht es darum, dass Bürger nicht einfach ein Anspruchsschreiben an eine Behörde schicken und dann von dieser Informationen oder Akteneinsicht bekommen. Vielmehr sollen die entsprechenden Informationen in einem geeigneten Format öffentlich zugänglich gemacht werden und dann über Internetplattformen von den Bürgern aktiv eingesehen werden können.

In einigen Ländern (z. B. in Berlin) und in vielen Kommunen laufen entsprechende Aktivitäten.

Grundsätzlich ist eine solche aktive Information wichtig. Unabhängig von dem Begriff „Open Data“ gibt es dies zunehmend auch in traditionell für Bürger offenen Verfahren wie Bauleitplanverfahren oder Planfeststellungsverfahren. Hier wird das Internet immer mehr als Instrument auch zur Information für die Öffentlichkeit eingesetzt, zum einen, weil dadurch Verwaltungsleistungen erleichtert werden, zum anderen aber auch, weil die Zugänglichkeit der Information für die Bürger größer wird. Auch informelle Bürgerbeteiligung über Internet ist eine durchaus übliche Praxis in vielen Kommunen.

Open Data geht über solche einzelnen Gesetze allerdings weit hinaus. Die Verfechter von „Open Data“ stellen sich vor, dass ein strukturierter Zugang möglich ist, der unabhängig von einzelnen Verfahren oder Anlässen die Verwaltungsinformation zugänglich macht. Dies erleichtert zum einen die Arbeit der Behörden, die nicht mehr einzelnen Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgesetzt sind und hierfür Personal zur Verfügung stellen müssen, sondern den Bürgern den Zugang nur ermöglichen. Die konkrete Anfrage muss der Bürger selber bearbeiten. Zum anderen ist es auch für die Bürger einfacher, weil Hemmschwellen, die im komplizierten Antragsverfahren liegen, wegfallen.

Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten und Grenzen. Eine der zentralen Grenzen ist technischer Art. Wenn jede Stadt ihren eigenen Open-Data-Zugang gestaltet und diese Zugänge sich in den Systematik und Struktur unterscheiden, entsteht ein Wirrwarr, den nur professionelle Informationsbeschaffer vielleicht überwinden können. Wer auch immer in einer solchen Situation bei einer Behörde, einer Kommune oder einem Land Informationen abfragen will, muss jedes Mal ein anderes Fenster öffnen, andere Stichwörter eingeben oder an anderer Stelle des Bildschirms arbeiten. Es ist daher dringend anzuraten, dass hier zumindest eine einheitliche Grundstruktur erarbeitet wird und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht – ein in der föderalen Struktur unseres Landes schwer zu erreichendes ZIel.

Zum anderen ist es naturgemäß schwierig, Interessen zu bewerten, die gegen eine Veröffentlichung einzelner Daten sprechen. Viele Verwaltungsinformationen enthalten ja nun einmal personenbezogene Daten von Dritten, seien es die der Nachbarn der Einsichtnehmenden, seien es solchen von Firmeninhaber, Antragstellern aller Art oder derjenigen, die von Ordnungsverfügungen betroffen sind. Solche Daten können schon wegen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht ohne weiteres für jedermann zugänglich gemacht werden. Dabei ist die Schutzbedürftigkeit einzelner personenbezogener Daten im Verhältnis zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einzelnen Verfahren und Beteiligungen unterschiedlich. Wer Einwendungen in einem Bauleitplanverfahren erhebt, muss damit einverstanden sein, dass sein Name in der Öffentlichkeit genannt wird. Es geht um die Beteiligung an einem politischen Prozess. Die anonyme Beteiligung in einem politischen Prozess widerspricht dem Demokratieprinzip. Wer demgegenüber in einem Baugenehmigungsverfahren einen Antrag stellt oder Einwendungen gegen das Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken erhebt, ist nicht Beteiligter in einem politischen Prozess. Es geht um die konkrete Abwägung der Interessen einzelner Personen. Hier sind weder die Daten des Bauherrn noch der Nachbarn üblicherweise für die Öffentlichkeit bestimmt. Vergleichbare Fälle gibt es auch in viel empfindlicheren Bereichen (z.B. bei Gesundheitsdaten). Das gleiche natürlich auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Wenn in einem Genehmigungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren bestimmte Produktionsverfahren dargelegt werden müssen, damit die Genehmigungsfähigkeit geprüft werden kann, darf es nicht sein, dass die Konkurrenz über Informationsfreiheit und Open Data die Produktionsverfahren ausforschen kann. Dies dient weder den Geschäftsinteressen desjenigen, der her Anträge stellt, noch dient es einem ordentlichen Verwaltungsverfahren, weil dann diejenigen, die Betriebsgeheimnisse haben, versuchen, möglichst wenig Informationen in ein solches Verfahren hineinzugeben, um nicht der Gefahr des Nachahmens und Ausspionierens ausgesetzt zu sein.

Einzelfallbezogene Interessenabwägungen lassen sich in einem Open Data-Prozess nicht durchführen. Vielmehr müssen entsprechende Prozesse im Voraus für eine Vielzahl von Informationen ziemlich abstrakt stattfinden. Hier müssen in der Regel wohl weit mehr Daten gesperrt werden, als dies bei Einzelauskünften möglicherweise der Fall ist. Bei Einzelauskünften kann ja der jeweilige Sachbearbeiter bewerten, welche Informationen herausgegeben werden können und welche nicht. Er kann auch ggf. – und auch das ist vielen Informationsfreiheitsgesetzen vorgesehen (z. B. in § 8 Abs. 1 IFG Bund) – die betroffenen Personen oder Firmen anhören und erst danach entscheiden. All dies lässt sich beim öffentlichen Zurverfügungstellen einer Vielzahl von Daten praktisch nicht machen.

Insofern sind die rechtlichen Möglichkeiten zur Zugänglichmachung von Verwaltungsdaten für die Öffentlichkeit im Internet wegen des Schutzbedürfnisses Dritter eingeschränkt. Man wird nur einen begrenzten Kreis von Informationen öffentlich darstellen können. Aber auch dieser Kreis kann schon so weitreichend sein, dass Open Data ein sehr lohnendes Projekt ist.

Dr. Helmut Redeker

7 Kommentare

  1. avatar woksoll
    Veröffentlicht 15.3.2012 um 20:50 | Permalink

    Ich gebe Ihnen völlig recht, dass es unsinnig ist, in jeder der 6.000 Kommunen eigene Apps entwickeln zu lassen, die irgendeine Trivialität zu Pixeln macht wie Hundetoiletten oder öffentliche Toiletten. Wir produzieren mit vielen Milliarden Aufwand staatliche Daten, die wir vor dem Souverän verstecken. Das ist abnorm und wurde früher nie bedacht schon alleine wegen der hohen Distributionskosten, die heute weggefallen sind. Ich kann mir vorstellen, dass man in Google Earth in einen Interface, das Millionen Deutsche oft nutzen, sinnvoll die Daten darstellen kann. Stellen Sie sich eine Familie mit zwei Kindern und einem Opa in eine neue Stadt kommen:

    -Wo ist eine Kita für ein Kind? Wie sind Kindergärtnerinnen qualifiziert (Entgeltgruppen S2-S18 TvÖD-VKA)? Welche Zusatzangebote gibt es? Zu welchen Preisen?
    -Welche Schulen gibt es, wie sind die Lehrer geraten (siehe Spickmich), was sind die Ergebnisse der Qualitätsinspektionen, welche Zensuren erreichen Schüler in den Abschlüssen, was ergaben die Inspektion mit PISA und anderen?
    -Welche Ergebnisse haben die Qualitätsinspektionen des MDK bei den Pflegeheimen ergeben, wenn Opa stationär in Pflege muss?
    -Welche Krankenhäuser, Ärzte sind in der Gegend (alle staatlich überwacht)?
    -Welche Kultureinrichtungen mit welchem Programm finanziert der Staat in der Umgebung (Opern, Theater, Sporteinrichtungen)?
    -Wo sind die Zahlen aus den Gutachterausschüssen für Immobilienverkäufe, wie hoch sind die Mieten nach Mietspiegel, wie hoch ist die Belastung an Schadstoffen (S02, Schwebstoffe, Emissionskataster…)?

    Der Staat hätte Tonnen nützliche Informationen, die aber vor dem Bürger udn Souverän in Amtsmachtmissbrauch geheim gehalten werden. Wir haben nicht mal angefangen darüber zu diskutieren. Auf der CeBIT 2012 habe ich gesehen, dass die Gutachterausschüsse kostenlos die Grundstückspreise in NRW auf eine eigene Kartenanwendung mappen, die Immobilienpreise aber nicht.

    Wir stehen erst ganz am Anfang der Diskussion, auch was die Verwerfung auf den Märkten anbelangt, wenn plötzlich Transparenz durch öffentliche Daten die Wirtschaftsgüter mit den Daten öffentlich beschreibt, die vorher zynischerweise vom Staat geheim gehalten werden.

    Die Gefahr aber ist groß, dass wir unsere ganze Kraft weiter darauf verwenden, die öffentliche Hand maximal in der elektronischen Welt von den Bürgern abschotten, wie es in den letzten Jahren uns erfolgreich gelungen ist und die Deutschen es klaglos hinnehmen, dass sie gegenüber Bürgern anderer Staaten von ihrem Staat erheblich benachteiligt und behindert werden, der sich an preußische Werte des „Dienstes“ nicht erinnern will:
    http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/02/26/e-government-in-der-trutzburg-das-rheingold/

  2. avatar Helmut Redeker
    Veröffentlicht 16.3.2012 um 09:07 | Permalink

    Die von Ihnen genannten Informationen sind oft sehr nützlich – zeigen aber auch die Probleme:
    1. Wirklich belastbare Daten über die Qualifikation von Mitarbeitern gibt es nur begrenzt, sie dürfen aber auf jeden Fall nicht veröffentlicht werden (vgl. § 32 BDSG). Das gleiche gilt für Eingruppierungsinformationen. Ähnliches gilt für die tatsächlich gezahlten Immobilienpreise. Spickmich war u.a, deswegen zulässig, weil nur Schüler der jeweiligen Schule Zugang hatten.
    2. Viele Daten sind schon verfügbar, aber nicht leicht zu finden, z.B. die Informationen der Gutachterausschüsse. Gerade hier kann ein Open Data – Ansatz helfen.

  3. avatar Helmut Redeker
    Veröffentlicht 19.3.2012 um 09:16 | Permalink

    Eines zeigt Ihr Kommentar deutlich: Wir sind unterschiedlicher Meinung darüber, was jeder Bürger über jeden anderen Bürger wissen können soll. Dies ist letztlich eine politische und verfassungsrechtliche Debatte, die nnotwendig ist.
    Zu Ihren Beispiel: Der Qualitätsbericht des Krankenhauses kann und sollte veröffentlicht werden – die Kindergartenstellenpläne eher nicht.

  4. avatar woksoll
    Veröffentlicht 16.3.2012 um 20:49 | Permalink

    Sie zeigen sehr schön die automatisch ablaufenden Verhinderungsmechanismen der öffentlichen Verwaltung, die durch falsche Rechtsauslegung bedingt wird zum Nachteil des Bürgers.
    Zu 1.) Ich habe nicht gesagt, dass man Namen erwähnen muss. Der Stellenplan im Haushalt reicht und die aktuelle Besetzung. Siehe z.B. hier für die Stellenpläne: http://ratsinfo.magdeburg.de/vo0050.asp?__kvonr=200886&voselect=113605
    Macht man im Krankenhaus auch. Siehe z.B. http://www.landkreis-harburg.de/internet/page.php?site=27&search=stellenplan%202011&vorgeschaltet=1
    Qualitätsberichte von Schulen udn Krankenhäusern gibt es auch vereinzelt onlien, aber nicht systematisch, z.B. hier http://www.glg-mbh.de/fileadmin/glg/pdf/QB_MGK.pdf
    Ihr Hinweis auf die Eingruppierungsinformationen ist auch verfehlt, siehe öffentliche Stellenpläne. Aber es kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden, ob von 15 Stellen fünf für Erzieherinnen und 10 für PraktikantInnen sind.
    Der Hinweis auf §32 BDSG ist verfehlt.
    Spickmich war erst der Anfang, dass der öffentliche Dienst öffentlich wird. Wer über andere öffentlich-rechtliche Urteile in Zeugnis schreiben will, die diesen lebenslang begeleiten, sollte nicht das Licht scheuen.

    Zu 2) Bei den Gutachterausschüssen sind nur die Grundstücksinformationen Open Data, die Immobilienpreise werden hinter obskuren Geldmauern versteckt. Bei den Online-Kaufpreisabfragen muss der Auskunftsersuchende ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen. Der Betreiber aber muss ohne berechtigtes Interesse die Zugriffe erst protokollieren und dann löschen. Das ist veraltete Obrigkeitsstaatmentalität und nicht Dienstleistungsbewusstsein eines Öffentlichen „Dienstes“. Der Souverän wird keck vergackeiert. Es gibt keine Bundesweite Karte mit allen Werten aller Gutachterausschüsse. Es gibt nur primitives Flickwerk aus dem vorigen Jahrhundert, dass sich weigert in der Gegenwart anzukommen.

    Wir fordern im §195 Baugesetzbuch, dass jeder private Verkauf öffentlich den Kaufpreis zu offenbaren hat, verstecken die Daten dann aber schnell vor dem Souverän.

    Wie grob missbräuchlich immer noch trotz diverser Informationsfreiheitsgesetze, die von den Verwaltungen bisher geschickt unterlaufen und obstruiert wurden, zeigt auch das Beispiel „Steuergeheimnis“. Bei uns ist das allergeheimste, was der einzelne Bürger zur Gemeinschaft beiträgt, in Schweden ist das von jedem online. Selbst im preussischen Dreiklassenwahlrecht musste man sich wegen der Klassenzugehörigkeit offenbaren.

    Wir haben nicht mal ansatzweise darüber diskutiert, welche eh schon bezahlten Daten dem Bürger wie präsentiert werden sollen. Wir lassen uns abspeisen mit öffentlichen Toiletten und Verzeichnissen für Verpackungen von Hundescheisse.

  5. avatar woksoll
    Veröffentlicht 20.3.2012 um 16:19 | Permalink

    „Zu Ihren Beispiel: Der Qualitätsbericht des Krankenhauses kann und sollte veröffentlicht werden – die Kindergartenstellenpläne eher nicht.“

    Und weil das so ist, dass wir uns unsachlich hinter Datenschutz verstecken, werden wir auch weiterhin den öffentlichen Dienst als Geheimwissenschaft ohne jeder Verantwortung betreiben und weiter hinter unsere Nachbarn in Europa, USA und China zurückfallen. PISA hat schön gezeigt, in welches Elend unsere Irrlehren führen.

    in den USA wäre es zum Beispiel undenkbar, dass ein Hochschullehrer sich an einer teuren Universität hinter Datenschutz verstecken könnte. Ich setze noch einen drauf: wir haben auf der CeBIT gefeiert, dass man BaFÖG online beantragen kann. Einen Kredit. Wenn man einen neuen Personalausweis hat (also nur Inländer, wenn überhaupt) Ich habs nachgeprüft: an der Harvad University gibt es ein Portal, wo Ausländer Stipendien bekommen können: Nach Leistung, als Zuschuss. Ohne Technofirlefanz wie nPA; DE-Mail und qualifizierte Signatur, mit der sich der öffentliche Dieset den Bürger vom Leib hält. Entsprechend ist die Bildungspolitik bei uns eine Katastrophe: PISA schlecht, Bologna versemmelt, ZVS abgeschafft aber keine Online-Bewerbung hinbekommen, Unterausstattung bei starken Jahrgängen. Aber 6 Mrd € für den Opium-Krieg sieglos verschwenden und 100.000 Menschen zu Tode kommen lassen.

    Das sind keine schönen Perspektiven: für meine Kinder orientiere ich auf Länder, wo es auf Leistung ankommt, nicht auf Abstammung. oder Vermögen der Eltern und maximale Geheimhaltung im öffentlichen Dienst wie jetzt gerade wieder bei ACTA:

  6. avatar Helmut Redeker
    Veröffentlicht 20.3.2012 um 16:37 | Permalink

    Zum Thema Datenschutz: Informieren Sie uns doch einmal über Ihren Klarnamen.

  7. avatar woksoll
    Veröffentlicht 20.3.2012 um 23:19 | Permalink

    Was wollen Sie: Datenschutz oder Klarnamen? Ist Ihr Google kaputt?

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