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Bandbreiten-Drosselung der Telekom auf dem Prüfstand

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Autoren: Sonja Fechtner und Dominik Hausen

Das LG Köln („Landgericht bremst Drosselpläne der Telekom aus“, Pressemitteilung der Verbraucherzentrale NRW v. 30.10.2013) hatte durch eine Klage der Verbraucherzentrale NRW über die Wirksamkeit von Vertragsklauseln der Deutschen Telekom GmbH zu entscheiden, die eine Drosselung der dem Kunden zur Verfügung gestellten Bandbreite seines Festnetz-Internetanschlusses bei Erreichen einer (tarifabhängigen) Volumenobergrenze vorsehen.

Die nun im Volltext (LG Köln, Urt. v. 30.10.2013, Az.: 26 o 211/13) vorliegende Entscheidung des LG Köln ist die erste Gerichtsentscheidung, welche die im April dieses Jahres bekannt gewordenen und seit dem 2.5.2013 vertraglich festgeschriebenen „Drosselpläne“ der Telekom einer AGB-rechtlichen Überprüfung unterzieht.

„Drossel-Klausel“ unwirksam:  Das LG Köln entschied, dass die streitgegenständliche „Drossel-Klausel“, nach der die Ãœbertragungsgeschwindigkeit des Internetanschlusses bei Erreichen eines bestimmten Datenvolumens auf 2 Mbit/s (bzw. 384 Kbit/s) und damit auf weniger als 10% der ursprünglich vereinbarten Bandbreite reduziert werden kann, wegen unangemessener Benachteiligung gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam und zudem „überraschend“ im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB sei.

Flatrate und Volumenobergrenzen:  Dass die Telekom mit ihren Kunden wirksam Volumenobergrenzen auch für den Internetzugang im Festnetz vereinbaren kann, steht außer Frage. Ein abstrakter Anspruch auf unbegrenzte Internetnutzung zum Festpreis besteht nicht. Die Richter haben aber entschieden, dass die von der Telekom gewählte Vermarktung ihrer Festnetz-Internetanschlüsse als „Flatrate“ jedenfalls nicht mit der Festlegung von Volumenobergrenzen in der Leistungsbeschreibung vereinbar sei.

Die Begründung des LG Köln in Schlagworten:

  • Der Begriff der „Flatrate“ bzw. eines Flatrate-Internetzugangs sei – zumindest im Festnetzbereich im Unterschied zum Mobilfunkbereich – so zu verstehen, dass damit ein Anspruch des Kunden auf die Verschaffung eines Internetzugangs zu einer bestimmten Bandbreitengeschwindigkeit verbunden sei, für die im Rahmen der vereinbarten Bandbreite unbegrenzte Datenübertragung zu einem Festpreis ermöglicht werde.
  • Weder Einschränkungen noch verdeckte Kosten:  Nicht mit dem Begriff der Flatrate vereinbar seien daher Einschränkungen dieses Leistungsversprechens, etwa in Form von Volumenobergrenzen, oder in Form von versteckten Kosten, die z.B. in dem Angebot zu sehen sind, weiteres „High Speed-Volumen“ nachkaufen zu können (unzulässige Preiserhöhung).
  • Gefährdung des Vertragszwecks:  Solche Einschränkungen des Hauptleistungsversprechens, wie sie in den angegriffenen Klauseln vorgenommen werden, schränkten die sich aus der Natur des Vertrages ergebenden Rechte so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei, vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
  • Ãœberraschende Klausel:  Die Festlegung von Volumenobergrenzen in einer drucktechnisch nicht besonders hervorgehobenen Klausel in der Leistungsbeschreibung, stelle eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB dar, da dies mit dem Leitbild des Vertrages unvereinbar sei und im Ãœbrigen auch im Widerspruch zur Werbung der Telekom mit „Flatrate“ stehe.

Zuspruch und Kritik:

  • Ergebnis:  Das Urteil ist im Ergebnis richtig; siehe bereits die rechtliche Bewertung der Drosselpläne von Hausen, „Ist der Versuch der Deutschen Telekom, Volumengrenzen bei Breitband-Internetanschlüssen jetzt vertraglich festzuschreiben aber erst 2016 umzusetzen, zum Scheitern verurteilt?“, CRonline Blog v. 25.4.2013 und Hausen, „5 Thesen zur Auswirkung der Einführung von Volumenobergrenzen bei Internet-Breitbandanschlüssen im Festnetz“, CRonline Blog v. 2.5.2013.
  • Begriff der Flatrate:  Das „Festbeißen“ an dem Begriff „Flatrate“ wäre nicht erforderlich gewesen, zumal der Begriff der Flatrate – wie vom Gericht zutreffend erkannt – nicht zuletzt wegen der Entwicklung im Mobilfunkmarkt im Wandel begriffen ist.
  • Das Hauptleistungsversprechen für Festnetz-Internetzugänge wie es sich aus der Werbung der Telekom auf der eigenen Website sowie aus der Leistungsbeschreibung für die Call&Surf-Tarife ergibt, lautet, auch ohne Rückgriff auf den Begriff „Flatrate“:
    • Zu einem Pauschalpreis abgerechneter Internetzugang,
    • zu einer vereinbarten Bandbreitengeschwindigkeit (z.B. von 16 MBit/s, 25 MBit/s, 50 Mbit/s oder 100 Mbit/s).
  • Transparenz und Volumenobergrenze:  Soll neben der Bandbreite zusätzlich eine Volumenobergrenze vereinbart werden, muss diese transparent zum Bestandteil des Vertrages gemacht werden. Das Verstecken in der Leistungsbeschreibung oder hinter Sternchen-Zusätzen ist jedenfalls nicht ausreichend, sondern stellt eine unzulässige einseitige Modifizierung des hinsichtlich des Datenübertragungsvolumens uneingeschränkten Leistungsversprechens dar.
  • Wahrung des Leistungsversprechens statt zweckgemäßer Nutzung:  Ob eine „zweckgemäße Nutzung des Internets“ bei der von der Telekom vorgesehenen Drosselung noch möglich ist oder nicht, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass das gegebene Leistungsversprechen nicht durch die Hintertür ausgehöhlt werden darf. Hat der  Kunde einen Tarif mit einer Bandbreitengeschwindigkeit von 100 MBit/s gewählt und drosselt ihn die  Telekom auf 50 MBit/s nach Ãœberschreiten einer Volumenobergrenze, so ist eine zweckgemäße Nutzung des Internetzugangs für den Kunden u.U. immer noch gegeben, die Drosselung muss er aber trotzdem nicht hinnehmen.
  • Irrelevanz tatsächlicher Nutzung:  Unglücklich sind insoweit auch die Ausführungen des LG Köln dazu, inwieweit die Ãœbertragung sensibler Daten „wie etwa im Rahmen von Onlinebanking“ durch die Drosselung beeinträchtigt werde. Online-Banking ist alles andere als bandbreitenintensiv und auch bei gedrosselter Verbindungsgeschwindigkeit noch möglich. Aber darauf kommt es wie gesagt nicht entscheidend an.

Wer zuletzt lacht…

Von der klagenden Verbraucherzentrale NRW und Teilen der Netzgemeinde wird dieses Urteil des LG Köln bereits als Sieg gegen die „Drosselkom“ gefeiert („Landgericht bremst Drosselpläne der Telekom aus“, Pressemitteilung der Verbraucherzentrale NRW v. 30.10.2013). Ob allerdings der „Surf-Bremse“ die wirksame Rechtsgrundlage entzogen ist, darf bezweifelt werden:

Das Urteil ist dem Umstand geschuldet, dass die Telekom ihren Tarif als „Flatrate“ vermarktet hat und der Durchschnittskunde bei einer solchen zumindest im Festnetzbereich nicht mit einer Volumenbeschränkung rechnet.

Sofern die Telekom dem Tarifmodell, das nach dem Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens gedrosselt wird, einen anderen Namen gäbe und etwa eine deutliche drucktechnische Hervorhebung aus dem übrigen Text der Leistungsbeschreibung vorsähe, stünde einer zulässigen Reduzierung der Ãœbertragungsgeschwindigkeit – zumindest vorerst – nichts im Wege …

Spannende Anschlussfrage noch offen

Bereits im April hatte Hausen im Blog die Frage aufgeworfen, ob der Versuch der Telekom, Volumengrenzen bei Breitband-Internetanschlüssen vertraglich festzuschreiben, aber erst 2016 umzusetzen, zum Scheitern verurteilt sei (Hausen, „Ist der Versuch der Deutschen Telekom, Volumengrenzen bei Breitband-Internetanschlüssen jetzt vertraglich festzuschreiben aber erst 2016 umzusetzen, zum Scheitern verurteilt?“, CRonline Blog v. 25.4.2013).

Es ist nach wie vor offen, ob unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ein Kunde, der ab 2013 einen Internetanschluss beauftragt, darauf vertrauen darf, dass er bis 2016 ungedrosselt surfen kann, obwohl der Vertrag eine Drosselung vorsieht. Zu diesem Aspekt hat sich das LG Köln, obwohl die geplante technische Umsetzung der Drosselung erst für 2016 im Tatbestand Niederschlag gefunden hat, nicht geäußert.

Konsequenzen auch für andere Unternehmen

Sollte das Urteil des LG Köln rechtskräftig werden, werden sich auch andere Unternehmen auf Gegenwind gefasst machen müssen. Die Verbraucherzentrale NRW zieht bereits jetzt die Abmahnung weiterer Unternehmen in Erwägung (so Thomas Bradler, Rechtsanwalt der Verbraucherzentrale NRW, denn die Telekom sei „nicht das einzige Unternehmen, das Flatrates im Festnetz bewirbt und dann in Wahrheit doch Volumengrenzen hat.“ Zitiert nach „Telekom: Gericht stoppt Internetbremse“, Rheinische Post v. 31.10.2013).

Einen ausführlichen Vergleich der Drosselung bei der Telekom mit den Drosselansätzen bei 1&1 Internet AG und bei Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH bietet Hausen, „Ist der Versuch der Deutschen Telekom, Volumengrenzen bei Breitband-Internetanschlüssen jetzt vertraglich festzuschreiben aber erst 2016 umzusetzen, zum Scheitern verurteilt?“, CRonline Blog v. 25.4.2013.

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