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Die DSGVO entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber den Rechtsbehelfen aus dem UWG (Diercks, CR 2018, S1)

Der Beitrag stellt den von Köhler in WPR 12/2018, 1269 ff. vertretenen Ansatz auf den Prüfstand, nach dem die DSGVO gegenüber dem Wettbewerbsrecht abschließenden Charakter entfalten soll.
Nach kurzer Vorbemerkung zu den Ursprüngen und der Praxisrelevanz dieses Ansatzes (I.) untersucht der Beitrag, ob der DSGVO eine Sperrwirkung gegenüber wettbewerbsrechtlichen Rechtsbehelfen beigemessen werden kann (II.). Dabei werden zum einen Zielsetzung und Adressat von DSGVO und UWG gegenübergestellt und zum anderen die Regelungsansätze für die Rechtsdurchsetzung nach DSGVO und UWG verglichen. Beide Gesichtspunkte lassen keine Verdrängung des Lauterkeitsrechts durch die DSGVO erkennen. Vielmehr sprechen sowohl die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsinstrumente im Datenschutzrecht und im Wettbewerbsrecht (III.) als auch die Grundsätze der Gewaltenteilung und des Effet Utile (IV.) dafür, dass Verstöße gegen die DSGVO grundsätzlich von Mitbewerbern durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung angegriffen werden können.

Inhaltsverzeichnis:

I. Hintergrund und Praxisrelevanz

II. Sperrwirkung der DSGVO gegenüber Rechtsbehelfen aus dem UWG

1. Argument der abschließenden Rechtsbehelfe der Art. 77-80 DSGVO

a) Adressat
b) Mitbewerber

2. Argument der einheitlichen Rechtsdurchsetzung durch die DSGVO

a) Regelungsansatz der UGP-Richtlinie
b) Harmonisierung der Rechtsdurchsetzung

3. Vorrang der DSGVO

a) Europarechtliche Vorgaben
b) Kollisionsregeln
c) Regelungsziele

4. Zwischenfazit

III. Argument der mangelnden Erforderlichkeit weiterer Rechtsbehelfe neben der DSGVO

IV. Argument des Effizienzgrundsatzes

1. Grundsatz der Gewaltenteilung

2. Effet Utile

V. Fazit

Der vollständige Aufsatz ist nur online in diesen beiden Datenbanken verfügbar:


I. Hintergrund und Praxisrelevanz

[1] Schon zu Zeiten des bis Mai 2018 geltenden Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG-alt) war umstritten, ob Normen des Datenschutzes sog. Marktverhaltensnormen darstellen und damit, ob eine Verletzung solcher Normen durch Mitbewerber mittels einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung angegriffen werden können.1  Eine endgültige Klärung durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgte nicht.

[2] Dieser juristische Diskurs ist mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) neu entfacht. Zum einen wird weiterhin in Frage gestellt, ob Regelungen der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) Marktverhaltensnormen i.S.d. § 3a UWG darstellen können. 2  Zum anderen wird, nahezu ausschließlich von einer wettbewerbsrechtlich renommierten Stimme, nämlich der Köhlers, vertreten, die DSGVO sei eine abschließende Regelung, so dass eine Anwendung des UWG, bzw. der dort vorgesehenen Rechtsmittel, durch Mitbewerber im Falle von Datenschutzverstößen der Konkurrenz per se ausgeschlossen sei. 3

[3] Ob Unternehmen bei Datenschutzverstößen von Mitbewerbern der Rechtsbehelf der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung auch unter der Geltung der DSGVO zur Verfügung steht, ist von erheblicher Bedeutung für die Praxis. Dies zeigt sich schon daran, dass bislang 4  bereits sechs Gerichte zu der Frage, ob Datenschutzverstöße auch unter der DSGVO mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln seitens Mitbewerber angegriffen werden können, Stellung nehmen mussten. Die Ergebnisse sind weiterhin divers:

  • Sperrwirkung:  Zwei Gerichte haben sich der Auffassung Köhlers angeschlossen. Das LG Bochum verweist umfänglich auf Köhler und merkt kurz an, es sei besonders überzeugend, dass die DSGVO eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthalte. 5  Das LG Wiesbaden wiederholt zwar ausführlich Argumentationslinien von Köhler, setzt sich mit diesen aber nicht weiter auseinander. 6
  • UWG anwendbar:  Dem gegenüber unterzieht das OLG Hamburg die Auffassung Köhlers unter Verweis auf die bereits hervorgebrachten Einwände einer kritischen Prüfung und kommt zu dem Ergebnis, dass die DSGVO nicht abschließend sei, es im konkreten Fall aber an einer Marktverhaltensnorm mangele. 7  Das LG Würzburg hält die Anwendbarkeit des UWG neben der DSGVO für derart selbstverständlich, dass es zur der Frage kein Wort verliert. Daneben haben das LG Frankfurt 8  sowie das LG Hamburg 9  zugunsten der Anwendbarkeit des UWG neben der DSGVO entschieden. 10

[4] Vor dem Hintergrund dieser Praxisrelevanz ist die von Köhler aufgeworfene These des abschließenden Charakters der DSGVO zu hinterfragen.

[5] An der Notwendigkeit dieser Betrachtung ändern die für den 19.12.2018 angekündigten Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH in der Rechtssache “Fashion ID” C-40/17 sowie die entsprechend bald erwartete Vorabentscheidung des EuGH voraussichtlich wenig, da sich der EuGH ausschließlich mit der Frage zu befassen hat, ob “die EU-Datenschutzrichtlinie einer nationalen Regelung entgegen steht, die [...] gemeinnützigen Verbänden zur Wahrung der Interessen der Verbraucher die Befugnis einräumt.” Hier schafft die DSGVO über Art. 80 Abs. 2 eine eindeutige Klarstellung. Verbänden wird explizit eine Klagebefugnis eingeräumt. Dass daneben ein “Obiter Dictum” zur Sperrwirkung der DSGVO gegenüber dem UWG ergehen wird, ist nicht ersichtlich. 11

II. Sperrwirkung der DSGVO gegenüber Rechtsbehelfen aus dem UWG

[6] Köhler ist der Auffassung, es handelt es sich bei der DSGVO um eine abschließende Regelung, die den Einsatz weiterer – lauterkeitsrechtlicher – Rechtsbehelfe ausschließt. Der DSGVO wohnt insoweit nach Köhler also eine Sperrwirkung inne.

[7] Als wichtigstes Argument für den abschließenden Charakter der DSGVO wird angeführt, dass die DSGVO mit den Art. 77-84 DSGVO ein abschließendes Rechtsbehelfs- und Sanktionsregime bereithalte (1.). 12  Der Gesetzgeber habe damit die Rechtsdurchsetzung abschließend regeln und nur den dort benannten Rechtssubjekten auf den dort genannten Wegen die Rechtsdurchsetzung ermöglichen wollen (2.). 13  Diese Auffassung werde dadurch gestützt, dass der Gesetzgeber mit der DSGVO gerade das Recht und die Rechtsdurchsetzung weiter harmonisieren und schon deswegen nationale Sonderwege habe ausschließen wollen (3.). 14

[8] Keines dieser Argumente kann im Ergebnis eine abschließende Regelung der DSGVO im Hinblick auf die Rechtsbehelfe des UWG begründen.

1. Argument der abschließenden Rechtsbehelfe der Art. 77-80 DSGVO

[9] Köhler schreibt “Die ab dem 22.5.2018 geltende Datenschutzgrund-Grundverordnung [...] enthält in den Artikeln 77 – 84 DSGVO [...] eine grundsätzlich abschließende Regelung (Ausnahme: Art. 80 II DSGVO). Verstöße gegen die DS-GVO können daher nicht nach § 3a UWG verfolgt werden.” 15  (Anm. der Verfasserin: Das vorstehende Datum ist kein Tippfehler derselben.)

a) Adressat

[10] Diese Aussage ist im Ergebnis falsch. Denn die Frage ist nicht, ob eine abschließende Regelung in den Art. 77-84 DSGVO getroffen wurden, sondern für wen diese getroffen wurden bzw. wer überhaupt Adressat dieser Regelungen sein kann. Die Rechtsbehelfe nach Art. 77 – 80 DSGVO stehen den betroffenen Personen zu. Auch Art. 80 Abs. 2 DSGVO regelt nicht die Geltendmachung von Dritten im engeren Sinn, sondern stellt nur fest, dass Mitgliedstaaten vorsehen können, dass Dritte (Organisationen i.S.v. Abs. 1) unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Personen die Rechte von betroffenen Personen geltend machen können. 16

[11] Wer betroffene Personen im Sinne der DSGVO sein können, definiert Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Demnach ist eine betroffene Person jede identifizierte oder identifizierbare natürliche Person. Ein Mitbewerber ist jedoch nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 UWG ein Unternehmer. Mit Ausnahme der Einzelunternehmer handelt es sich hierbei um juristische Personen. Juristische Personen können die Rechte nach Art. 77 – 80 DSGVO nicht geltend machen, dies ist natürlichen Personen gemäß der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO vorbehalten. 17 . Sie können nicht Träger von personenbezogenen Daten sein. Davon abgesehen könnten auch Einzelunternehmer nur eine Verletzung der Rechte an ihren personenbezogenen Daten mit Hilfe der vorgenannten Rechtsbehelfe geltend machen. Die Art. 77 bis 80 DSGVO regeln ausschließlich die Rechte betroffener Personen.

[12] Hieran ändert auch die Feststellung in Art. 77 Abs. 1 DSGVO nichts, dass jede juristischen Person gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss der Aufsichtsbehörden einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf haben muss. Damit ist nur klargestellt, dass einer juristischen Person, die von einer Maßnahme der Aufsichtsbehörde getroffen ist, der Rechtsweg offensteht.

[13] Damit ist festzustellen, dass in Kapitel 8 der DSGVO die Betroffenenrechte detailliert geregelt sind. Nur insoweit kann von einer abschließenden Regelung im Hinblick auf die Rechtsbehelfe für betroffene Personen gesprochen werden.

b) Mitbewerber

[14] Mitbewerber sind demgegenüber keine Betroffenen. Sie verfolgen auch nicht das Interesse, für den Betroffenen dessen Recht auf Datenschutz durchzusetzen. 18  Mitbewerber wollen ausschließlich in eigener Sache ihr ureigenes Interesse durchsetzen, ergo dass sich jeder Mitbewerber an die von Gesetzen aufgestellten Regelungen hält sowie die dafür notwendigen wirtschaftlichen Dispositionen trifft und/oder sich nicht durch ein gesetzeswidriges Verhalten einen sonstigen (unzulässigen) Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. 19  Bekanntermaßen ist ein geregelter Wettbewerb im Interesse des gesamten Marktes. Infolgedessen haben der EU-Gesetzgeber und der nationale Gesetzgeber über die UGP-Richtlinie und das UWG den Unternehmen Rechtsbehelfe zur privatrechtlichen Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs an die Hand gegeben.

[15] Es überzeugt nicht, dass eine detaillierte Regelung der Rechtsbehelfe der Betroffenen in der DSGVO die Durchsetzung der vollkommen anders gelagerten Rechtsinteressen und die dafür vorgesehen Rechtsbehelfe der Wettbewerber ausschließen kann. 20

[16] Im Übrigen wird allein in den Art. 77-79 DSGVO viermal konstatiert, dass die dort genannten Rechtsbehelfe “unbeschadet” von anderweitigen Rechtsbehelfen bestehen, was ebenfalls gegen einen abschließenden Regelungscharakter spricht. 21

2. Argument der einheitlichen Rechtsdurchsetzung durch die DSGVO

[17] Letztlich erkennt auch Köhler, dass Mitbewerber nicht zum Kreis der durch die DSGVO geschützten Personen gehören. 22  Doch das folgende Argument überzeugt ebenfalls nicht. Köhler argumentiert nunmehr, die DSGVO sei im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung – auch vor dem Hintergrund des Ziels der Harmonisierung – abschließend und lasse insoweit keinen Raum für lauterkeitsrechtliche Rechtsbehelfe. 23

a) Regelungsansatz der UGP-Richtlinie

[18] Bekanntermaßen können nach Art. 11 der UGP-Richtlinie 2005/29/EG von 11.5.2005 (UGP-RL) Personen und Organisationen, ausdrücklich einschließlich Mitbewerbern, gegen unlautere Geschäftspraktiken vorgehen und zwar entweder gerichtlich (Art. 11 Abs. 1 a)) oder mittels eines Verwaltungsverfahrens (Art. 11 Abs. 1 b). (...)


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.12.2018 10:45

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