VG Berlin v. 6.6.2023 - VG 12 K 430/21

Exmatrikulation wegen Teilnahme an Online-Chat während einer Klausur

Der Austausch über Prüfungsinhalte in einer Online-Chatgruppe während einer Online-Klausur stellt eine besonders schwere Täuschung dar, die zur Exmatrikulation führen kann. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm als Studentin einer Berliner Hochschule an einer Online-Klausur teil. Nach der Klausur wurden dem Prüfer anonym per E-Mail Screenshots sowie Texte von Chat-Verläufen zugespielt. Diese zeigen die Kommunikation mehrerer Personen über Prüfungsinhalte im Zeitraum der Klausurbearbeitung. Nachdem die Hochschule die Klägerin dazu angehört hatte, stellte sie fest, dass die Klägerin am Online-Chat teilgenommen hat und sah darin eine besonders schwere Täuschung. Entsprechend wurde die Klausur der Klägerin als „endgültig nicht bestanden“ bewertet und die Klägerin exmatrikuliert.

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG möglich.

Die Gründe:
Der Behauptung der Klägerin, die Screenshots und die Texte des Chats seien gefälscht, die Hochschule selbst habe die Chatgruppe eingerichtet, war nicht zu folgen. Es ist fernliegend, dass die Hochschule den Chat selbst konstruiert hat. Es erscheint plausibel, dass der Übermittler der Chatprotokolle aus Angst vor Repressalien der Kommilitonen anonym hat bleiben wollen.

Entgegen der Darstellung der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass jemand aus politischen Motiven den Chat produziert hat, um der Klägerin zu schaden. Dagegen spricht bereits der enorme zeitliche und intellektuelle Aufwand, dessen es bedurft hätte, um den ca. 1000 Zeilen umfassenden Chat nebst Schreibfehlern zu produzieren und die lebhafte, fortlaufend aufeinander bezogene Kommunikation abzubilden.

Überdies ist die Annahme der Klägerin unzutreffend, wonach die Inhalte des Chats ohnehin sinnlos seien und lediglich „allgemeines Gemurmel“ darstellten. Denn der Chat hat sich detailliert mit der Aufgabenstellung der Klausur befasst und es sind Lösungsvorschläge untereinander diskutiert worden.

Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass Folge der Täuschung die Exmatrikulation ist. Bei der Bemessung der Sanktion hat die Hochschule berücksichtigen dürfen, dass die Maßnahme auch generalpräventive Wirkung hat. Dies ist mit Blick auf die Vielzahl der bei Online-Klausuren vorgenommenen Täuschungshandlungen gerechtfertigt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.08.2023 13:31
Quelle: VG Berlin PM Nr. 27 vom 5.7.2023

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