Aktuell im ITRB

Die Aktualisierungspflicht gem. § 327f BGB – Fluch oder Segen in der Insolvenz des Softwarelizenzgebers? (Seegel, ITRB 2023, 131)

Unternehmensinsolvenzen haben im vierten Quartal 2022 aufgrund der Energiekrise und der Zinswende zum zweiten Mal in Folge zugenommen. Die Frage nach der Insolvenzfestigkeit eines (Software-)Lizenzvertrags bleibt daher aktuell. Der Beitrag gibt zunächst einen Überblick, in welchen Fällen der Softwarelizenznehmer in der Insolvenz des Softwarelizenzgebers ein insolvenzfestes Nutzungsrecht erworben hat. Danach beleuchtet er die Frage, ob und inwieweit sich die Rechtslage nach Einführung der Aktualisierungspflicht gem. § 327f BGB geändert hat.


I. Insolvenzfestigkeit des Softwarelizenzvertrags

II. Anwendungsbereich des § 103 Abs. 1 InsO

III. Anwendbarkeit des § 103 InsO auf Softwarelizenzverträge

IV. Insolvenzrechtliche Auswirkungen der Aktualisierungspflicht gem. § 327f BGB

1. Problemaufriss

2. Aktualisierungspflicht gem. § 327f BGB

a) Anwendung auf Software

b) Umfang und Dauer der Aktualisierungspflicht bei einmaliger Bereitstellung

c) Dogmatische Einordnung der Aktualisierungspflicht

d) Insolvenzrechtliche Konsequenz der dogmatischen Einordnung

e) Konkrete Anwendungsfälle

aa) § 103 Abs. 1 InsO ist eröffnet

bb) § 103 Abs. 1 InsO ist nicht eröffnet

V. Fazit


I. Insolvenzfestigkeit des Softwarelizenzvertrags

Die h.M. knüpft die Frage, ob ein Softwarelizenzvertrag insolvenzfest ist oder nicht, an die Anwendbarkeit des Insolvenzverwalterwahlrechts gem. § 103 Abs. 1 InsO. Ist § 103 Abs. 1 InsO anwendbar, ist der Softwarelizenzvertrag nicht insolvenzfest, da der Insolvenzverwalter dessen Nichterfüllung wählen kann. Wählt der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung, fällt das Nutzungsrecht an der Software automatisch und entschädigungslos an den Rechteinhaber zurück. Das hat zur Folge, dass der Lizenznehmer nicht mehr berechtigt ist, die Software zu nutzen. Der Frage, in welchen Fällen § 103 InsO auf den Softwarelizenzvertrag Anwendung findet, kommt also entscheidende Bedeutung zu.

Einige Sonderkonstellationen, wie die Insolvenzfestigkeit der Unterlizenz oder die Insolvenzfestigkeit einer aufschiebend bedingten Rechtseinräumung, werden außerhalb des Insolvenzverwalterwahlrechts angeknüpft und gelöst: Zu einer möglichen Insolvenzfestigkeit der Unterlizenz in der Insolvenz des Hauptlizenznehmers gelangt der BGH unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Sukzessionsschutzes und unter Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen des Hauptlizenzgebers und des Unterlizenznehmers. Die aufschiebend bedingte Rechtseinräumung hat der BGH als insolvenzfest eingeordnet und den mit Bedingungseintritt stattfindenden Erwerb insb. nicht an § 91 InsO scheitern lassen.

II. Anwendungsbereich des § 103 Abs. 1 InsO

Die Rechtsprechung hat dem Anwendungsbereich des Verwalterwahlrechts gem. § 103 Abs. 1 InsO mittlerweile zugunsten des Lizenznehmers in der Insolvenz des Lizenzgebers Konturen verliehen. Jüngster wichtiger Meilenstein ist das BGH-Urteil v. 16.5.2019 – IX ZR 44/18.

Danach ist § 103 InsO nur dann anwendbar, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf beiden Seiten synallagmatische Pflichten noch nicht vollständig erfüllt sind. Beiderseitig offene Neben- und Nebenleistungspflichten, die mit den Vertragspflichten der anderen Vertragspartei nicht synallagmatisch verbunden sind, reichen nicht. Die alte Streitfrage, ob das Verwalterwahlrecht auch dann zur Anwendung kommt, wenn allein noch nicht synallagmatische Nebenpflichten offenstehen, hat sich damit erledigt.

III. Anwendbarkeit des § 103 InsO auf Softwarelizenzverträge

Für den Softwarelizenzvertrag bedeutet das, dass es mit Blick auf die Annahme einer beiderseitigen Nichterfüllung i.S.d. § 103 Abs. 1 InsO entscheidend auf die inhaltliche Ausgestaltung des konkreten Vertrags ankommt:

Der Softwaremietvertrag, der neben der klassischen Softwaremiete auch SaaS und ASP erfasst, ist als Dauerschuldverhältnis bis zu seiner Beendigung von beiden Vertragsparteien in der Regel (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2023 14:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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