BGH v. 12.1.2023 - I ZR 49/22

Eine als PDF übersandte Unterlassungserklärung kann ernstlich und damit ausreichend sein

Es fehlt in der Regel nicht an der Ernstlichkeit einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt einen Gewerbebetrieb. Sie hatte von dem beklagten Händler am 3.3.2021 eine Werbe-E-Mail für medizinische Masken und am 30.3.2021 eine weitere Werbe-E-Mail für Corona-Schnelltests jeweils ohne ihre Zustimmung erhalten. Die Klägerin mahnte den Beklagten mit E-Mail vom 4.5.2021 ab und forderte ihn auf, bis zum 18.5.2021 eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung zu übersenden. In der Abmahnung wies sie darauf hin, dass eine Versendung der Erklärung vorab per Fax oder E-Mail genüge, sofern das entsprechende Original spätestens am 20.5.2021 eingehe.

Am 18.5.2021 übersandte der Beklagte der Klägerin per E-Mail eine inhaltlich dem Verlangen der Klägerin entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie eine der E-Mail beigefügte unterschriebene Erklärung als PDF-Datei. Das reichte der Klägerin nicht und sie beauftragte am 21.5.2021 ihren Rechtsanwalt mit der Erhebung der vorliegenden Klage.

Am 24.5.2021 teilte der Beklagte der Klägerin in einer E-Mail mit, dass er das unterschriebene Original zur Post aufgegeben habe. Die Klägerin hat einen vor Klageerhebung erfolgten Zugang des Originals der Erklärung des Beklagten bestritten. Nachdem der Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens eine Erklärung im Original übersandt hatte, erklärte die Klägerin die Unterlassungsklage für erledigt. Dem widersprach der Beklagte.

Das AG hat festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das LG hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:
Das LG hatte angenommen, dass der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens unbegründet gewesen sei, weil die vom Beklagten am 18.5.2021 per E-Mail übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung in Textform nebst der der E-Mail beigefügten unterschriebenen Erklärung als PDF-Datei die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr schon vor Klageerhebung beseitigt habe. Diese Beurteilung hielt jedoch der rechtlichen Nachprüfung nach Maßgabe der - allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils geänderten – BGH-Rechtsprechung nicht stand.

Zwar hatte die Übersendung der unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung als PDF-Datei per E-Mail den Anforderungen für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügt. Denn eine von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt der Formfreiheit (§ 343 Abs. 1, § 350 HGB). Insofern fehlt es in der Regel nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.

Die Revision hat dennoch im Ergebnis Erfolg. Denn im Streitfall konnte von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr infolge der mit E-Mail vom 18.5.2021 übersandten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ausgegangen werden, weil es nach einer erst nach Verkündung des Berufungsurteils erfolgten Änderung der BGH-Rechtsprechung wegen der durch die Klägerin erklärten Ablehnung der Annahme der per E-Mail übersandten strafbewehrten Unterlassungserklärung an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine drohende Vertragsstrafeverpflichtung fehlte.

Der Senat geht nunmehr davon aus, dass es dann, wenn der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt, ab dem Zugang der Ablehnung an einer verhaltenssteuernden Vertragsstrafenandrohung fehlt, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten soll, weil er nicht mehr damit rechnen muss, dass der Gläubiger durch die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafeverpflichtung begründet hat. Die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr kann mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aber nur solange widerlegt werden, wie die erforderliche Abschreckungswirkung durch eine - nach Ablehnung durch den Gläubiger nicht mehr bestehende - effektive Sanktionsdrohung gesichert ist.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.04.2023 13:20
Quelle: BGH online

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