Aktuell in der CR

EU-Patentschutz auf der Zielgeraden (Russlies, CR 2023, 209)

Die letzte Hürde ist genommen: Zehn Jahre nach Unterzeichnung des Übereinkommens vom 19.2.2013 über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) hinterlegte die Bundesrepublik Deutschland am 17.2.2023 ihre Ratifikationsurkunde und vollzog damit den endgültigen Schritt für dessen Inkrafttreten am 1.6.2023. Damit werden gleichzeitig das Einheitliche Patentgericht (EPG) als neuartige supranationale Gerichtsbarkeit für Patentstreitigkeiten und das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung als neues Unionsschutzrecht zum Leben erweckt. Das EPG wird auch für Streitigkeiten betreffend bisherige europäische Patente zuständig sein, so dass auch für bestehende Schutzrechte eine bedeutende Rechtsänderung bevorsteht. Damit ist es höchste Zeit, sich mit den Grundzügen der Neuerungen vertraut zu machen. Der Beitrag gibt einen Überblick ausgehend von der Entwicklungsgeschichte, aus der sich die verzweigte Struktur des neuen Regelwerks erklärt, und erläutert abschließend einige neue Handlungsoptionen für Rechtsinhaber.


I. Entstehungsgeschichte: ein steiniger Weg

1. EPÜ

2. UPV und EPGÜ

II. Das Einheitspatent (UP)

1. Voraussetzungen

2. Wirkungen

a) Einheitlicher Charakter

b) Ausweichmanöver vor nationaler Gerichtsbarkeit

c) Einsparpotentiale

d) Mit einem Bein im Unionsrecht

III. Das Einheitliche Patentgericht (EPG)

1. Zuständigkeit nicht nur für UPs

2. Organisation als internationales, spezialisiertes Fachgericht

3. Prozessuale Besonderheiten

a) Verfahrensarten und -grundsätze

b) Einstweiliger Rechtsschutz

c) Kostenfragen

4. International harmonisiertes materielles Recht

IV. Handlungsbedarf, Optionen und Taktiken


I. Entstehungsgeschichte: ein steiniger Weg

Erste Gehversuche zur Schaffung eines länderübergreifend einheitlichen Patentschutzes in der EU lassen sich bis 1959 zurückverfolgen. Schon 1962 erstellte eine Arbeitsgruppe der Mitgliedstaaten einen Vorentwurf für ein Abkommen über ein europäisches Patentrecht. Dieser sah europäische Patente mit einheitlicher Wirkung dergestalt vor, dass Erteilung, Aufrechterhaltung, Übertragung und Vernichtung nur für alle sechs damaligen Mitgliedstaaten gemeinsam möglich sein sollten. Verletzungsstreitigkeiten hingegen sollten vor nationalen Gerichten ausgetragen werden. Über das Entwurfsstadium kam dieses Vorhaben jedoch nicht hinaus.

1. EPÜ

Immerhin ein Etappenziel wurde 1973 mit dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) erreicht. Dieses sah die Errichtung des Europäischen Patentamts (EPA) vor, das seit 1978 europäische Patentanmeldungen entgegennimmt und darauf europäische Patente (EPs) erteilt. Diese bisherigen EPs gelten jedoch – im Gegensatz etwa zur Unionsmarke – nicht länderübergreifend einheitlich, da mit dem Erteilungsakt der Sache nach nationale Schutzrechte in denjenigen Ländern entstehen, in denen der Inhaber den Schutz durch Gebührenzahlungen an die nationalen Behörden und Einhaltung etwaiger Übersetzungserfordernisse aufrecht erhält. Der hierfür eingebürgerte Begriff des „Bündelpatents“ bringt das Fehlen einer einheitli-CR 2023, 210chen Wirkung zum Ausdruck. Immerhin ist ein einheitliches Einspruchsverfahren vor dem EPA vorgesehen, mit dem Dritte einen Widerruf zu Unrecht erteilter EPs mit Wirkung für alle Länder erreichen können. Soweit es nicht dazu kommt, ist für jeden nationalen Teil in dem jeweiligen Vertragsstaat ein Nichtigkeitsverfahren zu betreiben, um ein EP in seiner bisherigen Form als Bündelpatent zu Fall zu bringen.

Für das EPÜ wurde allerdings ein alternativer Weg jenseits der EU beschritten. Innerhalb der EU ließ sich jahrzehntelang keine Einigkeit über ein Regelwerk zum einheitlichen Patentschutz erzielen. Dabei waren in den Art. 142 ff. EPÜ schon 1973 Sonderregeln für den Fall vorgesehen worden, dass eine Gruppe von Vertragsstaaten sich doch noch auf einheitliche Patente für ihre Hoheitsgebiete einigt. Damit war ein Grundstein für eine Fortentwicklung hin zu europäischen Patenten mit EU-weit einheitlicher Wirkung gelegt.

2. UPV und EPGÜ

Mehrere Anläufe, diese Sonderbestimmungen mit Leben zu füllen, scheiterten jedoch. Vor allem in der Sprachenfrage ließ sich kein EU-weit gemeinsamer Nenner finden. Eine neue Perspektive eröffnete sich erst, als (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.04.2023 16:44
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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