OLG Brandenburg v. 7.2.2023 - 6 U 55/22

Werbung mit Kundenbewertungen kann irreführend sein

Der Einsatz von Kundenbewertungen als Werbemittel stellt als ein auf die Förderung des eigenen Absatzes gerichtetes Verhalten eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. dar. Eine solche ist nach § 5 Abs. 1, 2 UWG bzw. § 5 Abs. 1 UWG a.F. unlauter, wenn sie unwahre Angaben beinhaltet oder sonst zur Täuschung über die in § 5 Abs. 2 UWG genannten Umstände geeignet ist, und hierdurch bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise eine irrige Vorstellung über das Angebot hervorgerufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise beeinflusst werden kann.

Der Sachverhalt:
Die Verfügungsbeklagte befasst sich gewerblich mit der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen aus der Fluggastrechte-Verordnung (EG) 261/2004. Sie bietet darüber hinaus einen Service „F... FirstClass“ zu einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von 69 € an, bei dem Kunden im Falle von Flugstörungen gegen Abtretung der hieraus resultierenden Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen besondere Leistungen der Verfügungsbeklagten in Anspruch nehmen können. So verspricht sie etwa unter bestimmten Voraussetzungen die Erbringung von Beförderungsdienstleistungen, nämlich „bei Ausfall, großer Verspätung & verpasstem Anschluss“ neue Flüge, gegebenenfalls „auch auf eine andere Airline“ zu buchen.

Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um ein Luftfahrtunternehmen. Sie hat bestimmte Werbeaussagen, insbesondere die Werbung mit Kundenbewertungen im Zusammenhang mit dem Service der Verfügungsbeklagten für unlauter bzw. irreführend gehalten.

Das LG hat dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung überwiegend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Verfügungsbeklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Das LG hat die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen.

Der Verfügungsanspruch ergab sich aus § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Bezogen auf das im Streit stehende Marktverhalten der Verfügungsbeklagten begründete sich ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien schon daraus, dass die Verfügungsbeklagte mit dem Angebot des Produkts „F... FirstClass“ unter bestimmten Voraussetzungen die Erbringung von Beförderungsdienstleistungen verspricht, nämlich „bei Ausfall, großer Verspätung & verpasstem Anschluss“ neue Flüge, gegebenenfalls „auch auf eine andere Airline“ zu buchen. Ein Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG besteht ferner im Hinblick darauf, dass die Buchung eines Alternativfluges gemäß den AGB des Service „F... FirstClass“ u.a. die Ablehnung bzw. Nichtausübung des Rechtes auf eine Ersatzbeförderung voraussetzt. Auch insofern besteht aus Sicht des Fluggastes daher eine Austauschbarkeit zwischen den Dienstleistungen der Verfügungsbeklagten einerseits und den Leistungen des ausführenden Luftfahrtunternehmens andererseits.

Ein durchschnittlich informierter, verständiger und aufmerksamer Durchschnittsverbraucher (s. etwa BGH, Urt. v. 17.1.2002 – I ZR 215/99 – Lottoschein) wird wegen des mit der Inanspruchnahme der Leistungen des Produktes „F... FirstClass“ einhergehenden Verlustes seiner Ausgleichs- und Erstattungsansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen die Möglichkeiten in Betracht ziehen, die anderweitige Beförderung des Luftfahrtunternehmens oder eine entsprechende Beförderungsleistung eines Dritten in Anspruch zu nehmen. Hiervon ist zumindest dann auszugehen, wenn der Fluggast von der Verfügungsbeklagten zuvor im gebotenen Umfang über den in ihren AGB vorgesehenen Anspruchsübergang aufgeklärt worden war. Fehlt es an einer solchen Aufklärung, begründet sich die Annahme der Mitbewerbereigenschaft der Parteien jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs.

Der angegriffene Hinweis auf die Trustpilot-Bewertung ist unter dem Gesichtspunkt der Irreführung unlauter, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 2 UWG, § 5 Abs. 1 UWG a.F. Der Einsatz von Kundenbewertungen als Werbemittel stellt als ein auf die Förderung des eigenen Absatzes gerichtetes Verhalten eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a.F. dar. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1, 2 UWG bzw. § 5 Abs. 1 UWG a.F. unlauter, wenn sie unwahre Angaben beinhaltet oder sonst zur Täuschung über die in § 5 Abs. 2 UWG genannten Umstände geeignet ist, und hierdurch bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise eine irrige Vorstellung über das Angebot hervorgerufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise beeinflusst werden kann.

Zu den in § 5 Abs. 2 UWG genannten Umständen zählt die Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung, worunter sämtliche nach der Verkehrsauffassung für deren Wertschätzung bedeutsamen Merkmale zu verstehen sind. Der demnach weit zu verstehende Begriff der Beschaffenheit umfasst daher auch Bewertungen und Empfehlungen von Verbrauchern. Denn derartige Bewertungen stellen für Verbraucher eine wichtige Informationsquelle dar und können ihre Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen. Insofern ist der vorliegend im Streit stehende Hinweis auf die Kundenbewertung in wettbewerblich relevanter Weise irreführend. Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht anzunehmen, dass der größte Teil der angesprochenen Verkehrskreise Kenntnis davon hat, dass es sich bei Sterne-Bewertungen des Online-Portals Trustpilot nicht um Produktbewertungen handelt, wie sie dem Verbraucher aus einer Vielzahl von Online-Shops bekannt und vertraut sind, sondern dass sich diese Bewertungen ausschließlich auf Unternehmen beziehen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Irreführende Werbung mit "Klimaneutralität"
Stefan Ernst, MDR 2022, 1320

Beratermodul ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht:
Das Beratermodul ZIP bündelt die Inhalte einer der führenden Zeitschrift zum Wirtschaftsrecht mit Volltexten zu Gesetzen und Entscheidungen sowie den Kurzkommentaren der EWiR. 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul IPRB - Recht des geistigen Eigentums und der Medien:
Das exklusive Modul für einen gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte des IPRB Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.03.2023 13:30
Quelle: Landesrecht Brandenburg

zurück zur vorherigen Seite