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Softwareverträge im Rahmen der §§ 327 ff. BGB: Passen die Verträge der Leistungskette zum Vertrag mit dem Verbraucher? (Schneider, ITRB 2023, 104)

Der Beitrag behandelt die Friktion zwischen typischen Lizenzkonzepten in der Leistungskette bzgl. der Vertragsgegenstände und deren Beurteilung beim letzten Glied in der Kette, beim B2C- Vertrag. Die These ist, dass dieser Vertrag, der sich nach den §§ 327 ff. BGB beurteilt, in vielen, wahrscheinlich sehr vielen Fällen ein Dienst- oder Mietvertrag, evtl. einen Hybrid-Vertrag aus beiden ist. Deshalb tritt keine Erschöpfung bei Software und entsprechenden Gegenständen ein, während der Charakter der Leistungskette auf Weitergabe/Überlassung und damit auf Kauf ausgerichtet ist. Wichtiger noch für die Leistungskette ist, dass urheberrechtlich beim Endvertrag keine Verbreitung vorliegt, sondern Zugänglichmachung. Die Reibung entsteht dadurch, dass Vertriebsverträge wohl weniger auf die Einräumung entsprechender Rechte abzielen.


1. Weichenstellung zu öffentlicher Zugänglichmachung

2. Software als digitales Produkt

3. Wichtige Neuerungen durch §§ 327 ff. BGB

a) Bereitstellung

b) Verlust von Anknüpfungsmerkmalen

c) Irrelevanz des Vertragstyps

d) Neutralität

4. These zu Erschöpfung

a) Werkstück

b) „Erwerb“

c) Relevanz der Erschöpfung, Reichweite

d) Praktische Handhabung

5. These: Irrelevanz des Streits zu Erschöpfung

6. Konsequenzen für Unternehmer beim Softwarevertrieb


1. Weichenstellung zu öffentlicher Zugänglichmachung

Für die Vertragsverhältnisse am Ende der Leistungskette für digitale Produkte hat nach wohl h.M. die Umsetzung der DID-RL bzgl. Einschränkbarkeit der Kundenrechte (einschließlich Weitergabeverboten) bei Software, solange kein Mangel vorliegt, nichts geändert. Dies basiert für Software auf der Voraussetzung, dass „Überlassung“ bzw. Erwerb durch den Endkunden erfolgt. Auch hinsichtlich der Erschöpfung bei Software haben sich durch §§ 327 ff. BGB keine Änderungen ergeben. Das korrespondiert zwar mit dem unten dargestellten befund, dass nur bei einem geringen Anteil der Fälle Erschöpfung eintritt bzw. eintreten kann. Anders aber als unterstellt liegt das (auch) daran, dass meist öffentliche Zugänglichmachung – nicht Verbreitung – vorliegen dürfte.

Anliegen des Beitrags ist es, auf den Umstand hinzuweisen, dass strukturell eine Divergenz zwischen der Vertragsgestaltung in der Leistungskette und der durch §§ 327 ff. BGB geschaffenen Rechtssituation an deren Ende besteht. In vielen Fällen erfolgt die Leistung hinsichtlich Software im Rahmen von Vertriebsverträgen, die erlauben, „Lizenzen“ weiterzugeben. Dazu passen die Regeln, die aufgrund der Gesetzeslage am Ende der Leistungskette B2C nahezu unverrückbar bestehen, nicht. Dies betrifft v.a. „Bereitstellung“ und Anforderungen (§ 327b und e BGB). Die Anforderungen könnten nur in einem sehr speziellen Verfahren abgesenkt werden. Was aber möglich erscheint, ist eine klare, auch auf die Konkretisierung der Anforderungen abzielende Leistungsbeschreibung.

Es geht primär nicht um den Rückgriff in der Leistungskette, auch wenn dieser dann bei evtl. Mängeln relevant wird (§ 327u BGB). Sondern es geht um die Frage, ob die Vertragsformulierungen in der Leistungskette ausreichend zum Pflichtengefüge gem. §§ 327 ff. BGB passen, ob die Verträge in der Leistungskette also dem Unternehmer im B2C-Vertrag die Erfüllung seiner Pflichten, etwa auch Aktualisierung, aber vor allem die eigentliche Bereitstellungsleistung, ermöglichen.

Bei einem SaaS-Modell etwa braucht der Endkunde neben einfachen vertraglichen Regelungen bzgl. Leistung, Dauer, Kosten keine Nutzungsrechte. Es bedarf nicht nur auf Grund der Zweckübertragungslehre keiner ausdrücklichen Nutzungsrechtseinräumung, sondern auch, weil der Kunde/Nutzer keine urheberrechtlich relevanten Handlungen vornimmt. Der SaaS-Unternehmer dagegen braucht nach h.M. entsprechende Rechte, die nicht durch ein übliches Vertriebsrecht abgedeckt sind.

In der Leistungskette selbst allerdings kommen (wohl immer noch) Vertriebsverträge zum Einsatz, die letztlich Verbreitung vorsehen, nicht öffentlich Zugänglichmachen, die auch nicht auf Miete (oder Leihe) ausgerichtet sind bzw. diese nicht explizit erwähnen. Dabei ist das Vermietrecht aber, wenn der Händler ein Bezugsrecht hinsichtlich Vertrieb/Verbreitung an Dritte erhält, nicht automatisch inkludiert, ebenso wenig das Recht öffentlicher Zugänglichmachung.

Oft sind Softwarevertriebsverträge nicht darauf ausgerichtet, dass der letzte Unternehmer in der Leistungskette diese Leistung im Rahmen einer SaaS-Konstellation ausführt und die entsprechenden Anforderungen rückwärts gerichtet in der Leistungskette von den Beteiligten zu erfüllen sind. Anders als bei Verbreitung kommt das Modell öffentlicher Zugänglichmachung in einer Vielzahl von Fällen, bei denen man nicht unbedingt daran denkt, zum Zug.

Evtl. entsteht beim Zusammenwirken mehrerer Unternehmer zur Erbringung der diversen Leistungen, die im Ergebnis „Bereitstellung“ bewirken (sollen), eine Konstellation, die sich datenschutzrechtlich als Joint Control erweist. Es kann angenommen werden, dass viele Verträge dabei nicht Art. 26 DSGVO entsprechen. Dies soll hier nicht vertieft werden. Das gilt auch für die Frage, ob ggf. alternativ oder zusätzlich Auftragsverarbeitung besteht (Art. 28 DSGVO). Anders als Art. 26 macht Art. 28 DSGVO das Bestehen des entsprechenden Vertrags zur Voraussetzung für diese Konstruktion der Verarbeitung im Auftragsverhältnis. Bei Art. 28 DSGVO ist das Vorliegen des Vertrags konstitutiv dafür, dass im Verhältnis Auftragnehmer/Auftraggeber die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen müssen.

2. Software als digitales Produkt

Software genießt durch die spezielle Regelung in den §§ 69a ff. UrhG eine Sonderrolle, die es rechtfertigen würde, eine Ausstrahlungswirkung hinsichtlich Online-Erschöpfung zumindest bei solchen weiteren digitalen Produkten anzunehmen, die Software enthalten, also (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.03.2023 16:30
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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