LG Köln v. 2.2.2023 - 14 O 48/22

Berechnung von Schadensersatz wegen öffentlicher Zugänglichmachung eines Aktfotos im Internet

Nicht zuletzt erschien der Umstand wertprägend, dass es sich beim Kläger um einen international renommierten Fotokünstler handelt. Auch insoweit hielt die Kammer einen Aufschlag i.H.v. 30 % für angemessen. Damit war der Grundbetrag von 869 € um insgesamt 110 % zu erhöhen, sodass sich ein Betrag von 1.824 € ergab. Der Betrag war wegen fehlender Urheberbenennung zu verdoppeln.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als Fotograf und Fotokünstler tätig. Der Beklagte ist Handwerker und hatte am 17.12.2015 eine vom Kläger gefertigte Aktfotografie auf seiner Facebookpräsenz eingestellt. In dem zugehörigen Post hieß es:

„Auszug aus dem Spendenkalender 2016. Der X-Kalender von L M entstand an verlassenen Orten in und um Berlin. Mehr unter www.02“

Der Kläger ließ den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 30.1.2021 wegen unlizensierter Vervielfältigung und öffentlicher Zugänglichmachung von geschützten Werken abmahnen. Der Beklagte gab daraufhin am 3.12.2021 unter Verwendung der mit der Abmahnung übersandten vorformulierten Erklärung eine Unterlassungserklärung ab. Über die Google-Bildersuche war die Facebookpräsenz des Beklagten mit dem Bild am 12.12.2021 weiterhin als Vorschaubild abrufbar sowie ebenfalls auf dem Portal findglocal.com. Der Kläger ließ den Beklagten deswegen am 10.12.2021 erneut abmahnen und auffordern, eine neue, höher strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Gleichfalls machte der Kläger einen Vertragsstrafenanspruch von 2.500 € geltend. Der Beklagte ließ dies durch seinen Anwalt zurückweisen. Beide Einträge wurden in der Folge gelöscht.

Der Kläger machte Unterlassung, Schadensersatz i.H.v. 5.051 € sowie Vertragsstrafe i.H.v. 2.500 € geltend. Den Schadensersatz hatte er anhand der MFM-Tabelle berechnet. Der Beklagte war der Ansicht, es handele sich um eine erlaubte Nutzung. Auf dieselbe Art erfolge die Verbreitung der Bilder des Spendenkalenders auf reichweitenstarken Publikationen. Eine eigenständige Einvernahme des gegenständlichen Bildes oder eine neue Kontextualisierung erfolge durch den Beklagten nicht.

Das LG hat der Klage weitestgehend stattgegeben.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Bildnutzung aus § 97 Abs. 1, § 16, § 19 a UrhG sowie aus dem Unterlassungsvertrag zu.

Eine vertraglich übernommene Unterlassungsverpflichtung ist nicht darauf beschränkt, ein Bild nicht erneut hochzuladen oder sonst zu verlinken, sondern zwingt zur Entfernung des Bildes von Webseite und Server, als actus contrarius zu der Einstellung auf der Webseite. Der Beklagte war danach gehalten, sowohl dafür Sorge zu tragen, dass das streitgegenständliche Aktfoto nicht mehr in der Google-Bildersuche erscheint als auch nicht auf FindGlocal. Dies galt auch soweit der Beklagte geltend machte, die dortige Anzeige nicht veranlasst zu haben. Der Beklagte hat das streitgegenständliche Aktfoto i.S.v. § 16 UrhG vervielfältigt, indem er es auf seiner Facebookpräsenz eingestellt hatte. Er war zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung des Aktfotos allerdings nicht berechtigt. Der Kläger hat der ihm nach § 15 UrhG vorbehaltenen Verwertung des Fotos durch den Beklagten nicht zugestimmt. Es griff insofern auch keine Schrankenregelung.

Der Kläger hat aufgrund der Urheberrechtsverletzung gem. § 97 Abs. 2 UrhG auch einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie i.H.v. 3.649 €. Der Schadensersatz für die Verletzung der Rechte aus §§ 16, 19a UrhG im Wege der Lizenzanalogie richtet sich gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG auf den Betrag, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu. Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat.

Sofern der Kläger deshalb auf die MFM-Bildhonorare verwiesen hatte und seinen lizenzanalogen Schadensersatz anhand dieser Tabellen berechnen wollte, waren die Bildhonorare nach Auffassung der Kammer jedoch nicht unmittelbar als branchenüblicher Vergütungssatz oder Tarif heranzuziehen. Es war nicht ersichtlich, dass die Parteien Mitglieder der MFM sind oder sonst in irgendeiner Art und Weise an diese Tarife gebunden wären. Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Die Kammer ging im Fall einer Social Media-Nutzung auf Facebook von einem Grundbetrag von 869 € aus.

Außerdem hielt die Kammer einen Aufschlag von 50 % für die Bekanntheit des Klägers einschließlich der von ihm in Fotowettbewerben erzielten Erfolge für angemessen. Ferner erschien auch ein Aufschlag i.H.v. 30 % – in Anlehnung an die MFM-Bildhonorare – für die Mitwirkung eines Modells als angemessen. Nicht zuletzt erschien der Umstand wertprägend, dass es sich beim Kläger um einen international renommierten Fotokünstler handelt. Auch insoweit hielt die Kammer einen Aufschlag i.H.v. 30 % für angemessen. Damit war der Grundbetrag von 869 € um insgesamt 110 % zu erhöhen, sodass sich ein Betrag von 1.824 € ergab. Der Betrag war wegen fehlender Urheberbenennung zu verdoppeln. Damit ergab sich ein Lizenzbetrag von 3.649 €.

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Aufsatz

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.03.2023 16:09
Quelle: Justiz NRW

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