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Das Pro und Contra für Chatbots in Rechtspraxis und Rechtsdogmatik (Bachgrund/Nesum/Bernstein/Burchard, CR 2023, 132)

Ein kritischer Beitrag zum Auftrag des Rechts und der (Rechts-)Wissenschaft: Argumentieren Sie noch, oder chatten Sie schon?

Nach kurzer Einführung zu Critical Computational Studies, die auf das Konzept von „Recht als Argumentation“ angewandt werden (I.), präsentiert der Text zunächst ein Streitgespräch zum Pro & Contra des Einsatzes von smart Chatbots im Rechtssystem (II.) und erläutert sodann die Einordnungen von und Erfahrungen mit Chatbots für einen kritischen Ausblick auf den wissenschaftlichen Diskurs (III.).

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Recht als Argumentation und Critical Computational Studies

II. Pro & Contra für Chatbots in unserem Rechtssystem

1. Rollenverständnis von Mandanten, Anwälten und Richtern

2. Empathie in Rechtsberatung und Entscheidungsfindung

3. Potential von Chatbots für Rechtsfindung

4. Fairness

5. Theorie des Rechts

6. Zusammenfassung

III. Chatbots und Rechtswirklichkeit

1. Auswahl von Themen und Experten

2. Normative Färbung (Bias)

3. Wissenschaftlicher Diskurs

4. Folgebetrachtung

5. Regulierung

6. Ausblick

 


Leseprobe:

 

"I. Recht als Argumentation und Critical Computational Studies

1

In der Rechtspraxis und Rechtsdogmatik geht es darum, Recht durch rationale und überzeugende Argumentation zu begründen („Recht als Argumentation“). Eine der zentralen Fragen in diesem Zusammenhang ist, ob der Einsatz von Chatbots wie ChatGPT dieses Verständnis von Recht als Argumentation beeinflusst oder gar zerstört. Wir werden uns mit den verschiedenen Pro- und Contra-Argumenten auseinandersetzen und dabei auch die Implikationen für die juristische Aus- und Weiterbildung in den Blick nehmen. Diese Debatte wird vor dem Hintergrund der Critical Computational Studies geführt, die sich mit den Auswirkungen von Technologie auf Gesellschaft und Recht beschäftigen.

2

Das von Neil MacCormick 1 entwickelte Konzept „Recht als Argumentation" betont, dass Recht nicht ausschließlich als eine Sammlung von Gesetzen und Vorschriften verstanden werden sollte, sondern auch eine rationale und argumentative Dimension besitzt. Diese Perspektive betont, dass Recht durch Argumentation und Überzeugung legitimiert wird und nicht nur durch Autorität. In der Rechtspraxis werden Argumente verwendet, um Positionen oder Standpunkte zu untermauern oder zu verteidigen, sowohl in gerichtlichen als auch in außergerichtlichen Verfahren. Argumente werden von Anwälten, Richtern und anderen Rechtsexperten verwendet, um die Stärke ihrer Positionen zu demonstrieren und Entscheidungen zu beeinflussen. Verschiedene Argumentationstechniken, wie Autoritätsargumente, Prinzipienargumente, utilitaristische Argumente und Analogieargumente, können in der Rechtspraxis verwendet werden, wobei jede ihre eigenen Stärken und Schwächen hat und in unterschiedlichen Kontexten am besten eingesetzt werden kann. Argumentationstechniken beeinflussen das Verständnis und die Anwendung des Rechts, indem sie die Art und Weise beeinflussen, wie Rechtsfragen betrachtet und entschieden werden. Sie können dazu beitragen, die Legitimität und Akzeptanz von Entscheidungen zu erhöhen und die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität von Recht und Regulierung zu verbessern. Daher ist es wichtig, Argumente sorgfältig zu formulieren und zu präsentieren, um die bestmöglichen Chancen zu haben, Entscheidungen von Gerichten oder anderen Entscheidungsträgern zu beeinflussen. Eine fundierte Kenntnis der verschiedenen Argumentationstechniken und ihrer Anwendung in unterschiedlichen Kontexten ist daher für eine effektive Anwendung von „Recht als Argumentation" unerlässlich.

3

Die Anwendung von Critical Computational Studies (CCS) 2 ermöglicht eine adäquate Untersuchung der Transformation von „Recht als Argumentation“ durch auf Big Data trainierte Chatbots. CCS ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die sozialen, kulturellen, politischen und ethischen Auswirkungen von Computertechnologien untersucht. Der Fokus von CCS liegt darauf, die Auswirkungen von Computational Technology auf Gesellschaft und Kultur zu hinterfragen und zu analysieren. Im juristischen Kontext bedeutet dies, dass CCS die Auswirkungen von Chatbots auf die juristische Praxis und das juristische Denken untersucht. Der kritische Blick von CCS erweist sich dabei als besonders wichtig, um die Auswirkungen von Chatbots auf die Rechtspraxis adäquat verstehen und gestalten zu können.

4

Chatbots, die auf KI und maschinellem Lernen basieren, beeinflussen das Verständnis von „Recht als Argumentation“, indem sie automatisch generierte Argumente präsentieren. Dazu werden sie auf große Mengen von Rechtstexten und -Dokumenten trainiert. In der Rechtsbranche werden Chatbots bereits eingesetzt, um automatisch Argumente auf der Grundlage spezifischer rechtlicher Fragen oder Probleme zu generieren und zu präsentieren und um auf Fragen der Nutzer zu reagieren und ihnen relevante Informationen oder Argumente zur Verfügung zu stellen. Beispiele hierfür sind: …"

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.02.2023 12:44

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