LG Saarbrücken v. 9.12.2022, 1 O 181/20

Telefonische Weitergabe von TAN kann teuer werden

Im Rahmen des Online-Bankings kann die telefonische Weitergabe dreier TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstenutzers begründen, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdiensteleister stammen konnte.

Der Sachverhalt:
Zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau einerseits sowie der beklagten Bank andererseits bestehen Zahlungsdiensterahmenverträge betreffend eines Girokontos sowie eines S-ZinsOnline-Konto. Auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung nutzt der Kläger das von der Beklagten angebotene Online-Banking. In der Rahmenvereinbarung wird ausdrücklich darauf hinweist, dass TAN nicht außerhalb des Online-Banking mündlich (z. B. per Telefon) weitergegeben werden dürfen.

In der Zeit vom 12.4.2020 (Ostersonntag) 21:59 Uhr bis 13.4.2020 (Ostermontag) 04:29 Uhr erfolgten Überträge vom S-ZinsOnline Konto auf das Girokonto des Klägers und eine Vielzahl an Echtzeitüberweisungen (Instant Payment) vom Girokonto auf ein weiteres Konto. Dabei wurden nach drei ersten erfolgreichen Echtzeitüberweisungen von 22:06 Uhr bis 22:40 Uhr fünf Echtzeitüberweisungen von dem Betrugspräventionssystem der Beklagten als Echtzeitüberweisungen blockiert, bevor ab 22:40 Uhr – teilweise – wieder erfolgreiche Echtzeitüberweisungen erfolgten. Insgesamt wurde ein Betrag von rund 47.218 € überwiesen, auf die Zeit ab 22:40 Uhr entfiel hiervon ein Betrag von 34.220 €.

Der Kläger behauptete, bereits am 2.4.2020 sei seine Frau in dem Online-Banking System der Beklagten aufgefordert worden, den TAN Generator zu aktualisieren. Hierzu habe sie den TAN Generator an den Bildschirm gehalten, den auf dem Generator angezeigten Startcode bestätigt und die TAN in das Online-Banking System eingegeben. Hierauf sei die Mitteilung „Auftrag fehlgeschlagen“ erschienen. Danach habe ein Dritter unter der Nummer der Beklagten auf dem Handy seiner Frau angerufen und sich als Mitarbeiter der Beklagten ausgegeben. Er habe sich gleich zu Beginn des Telefonats auf die fehlgeschlagene Aktualisierung des TAN Generators bezogen und erklärt, dass die Aktualisierung nunmehr durch ihn vorgenommen werde. Anschließend teilte die Ehefrau dem Anrufer die erzeugte TAN mit. Nach der Mitteilung der ersten TAN habe der Anrufer erklärt, dass ihm ein Fehler unterlaufen sei und der Vorgang noch einmal wiederholt werden müsse. Daher habe seine Frau zwei weitere TAN nach den Vorgaben des Dritten generiert.

Der Kläger nahm die Beklagte auf Erstattung nicht autorisierter Überweisungen i.H.v. 47.218 € in Anspruch. Die Beklagte war der Ansicht, infolge der Weitergabe der TAN habe die Ehefrau die streitgegenständlichen Transaktionen autorisiert. Jedenfalls stünde ihr ein korrespondierender Schadensersatzanspruch zu, mit dem sie die Aufrechnung erklärte. Das LG gab der Klage i.H.v. 17.110 € statt.

Die Gründe:
Dem Kläger stand zunächst zwar ein Anspruch auf Gutschrift von 47.218 € auf seinem Girokonto nach § 675 u BGB wegen nicht autorisierter Zahlungsvorgänge zu, wobei lediglich die – letztlich schadensursächlichen und nicht allein bloße Vorarbeiten darstellende – Überweisungen von dem Girokonto aus relevant waren. Dieser grundsätzlich bestehende Anspruch des Klägers ist jedoch durch die hilfsweise von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit einem korrespondierenden Schadensersatzanspruch teilweise erloschen.

Im Rahmen des Online-Bankings kann die telefonische Weitergabe dreier TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstenutzers begründen, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles (wie hier) geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdiensteleister stammen konnte. Bei einer Gesamtschau aller Umstände im vorliegenden Fall – das ungewöhnliche telefonische Erfragen mehrerer TAN entgegen der Online-Banking-Bedingungen – musste sich der Ehefrau des Klägers, die schon seit langer Zeit Online-Banking nutzte und der bekannt war, dass mittels einer TAN auch ein Zahlungsvorgang freigegeben werden kann, daher aufdrängen, dass es sich nicht um einen regulären Vorgang sondern nur um einen Betrug handelte.

Der Höhe nach beschränkt sich der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch der Beklagten allerdings auf 30.108 €. Denn bei der Anspruchshöhe eines Schadensersatzanspruchs des Zahlungsdiensteleisters gegen den Zahlungsdienstenutzer nach § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB kann ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Zahlungsdiensteleisters berücksichtigt werden. Ein solches liegt i.H.v. 50 % vor, wenn das Betrugspräventionssystem des Zahlungsdiensteleisters zunächst fünf zur Nachtzeit vorgenommene Echtzeitüberweisungen als verdächtig erkennt, in der Folge aber dennoch weitere 12 Echtzeitüberweisungen an denselben Zahlungsempfänger zugelassen werden. Insofern wurde keine ausreichende Systemsicherheit gewährleistet, wozu der die Beklagte als Dienstleister im Bereich Onlinebanking verpflichtet ist.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Thomas Schulteis
Computerbetrug beim Onlinebanking
BGH vom 03.05.2022 - 3 STR 93/22
ITRB 2023, 8

Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.12.2022 15:13
Quelle: Bürgerservice Saarland

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