OLG Braunschweig v. 28.10.2022 - 4 U 76/22

Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ersatzeinreichung bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung

Für eine wirksame Ersatzeinreichung gem. § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO muss der Rechtsanwalt darlegen und glaubhaft machen, dass die elektronische Übermittlung im Zeitpunkt der beabsichtigten Einreichung aus technischen Gründen unmöglich war. Gleiches gilt für die vorübergehende Natur des technischen Defektes. Es genügt eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte die Beklagte wegen des Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages zur Finanzierung eines Kfz gerichteten Willenserklärung in Anspruch genommen. Das LG hat durch Urteil vom 13.6.2022 festgestellt, dass der Beklagten aufgrund des Widerrufs kein Anspruch mehr gegen den Kläger auf vertragsgemäße Zins- und Tilgungsleistungen zustehe, im Übrigen hat es die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Auf die Widerklage hat es festgestellt, dass der Kläger verpflichtet sei, das näher bezeichnete Fahrzeug an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14.6.2022 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 14.7.2022 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz von Montag, dem 15.8.2022, eingegangen beim OLG am selben Tag, hat der Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.9.2022 beantragt, die antragsgemäß gewährt wurde. Die Berufungsbegründung ging an diesem Tag per Telefax beim OLG ein, versehen mit folgender Überschrift: „Hinweis: Leider ist momentan der Versand über das beA-Postfach aufgrund von technischen Schwierigkeiten nicht möglich.“

Mit Verfügung vom 16.9.2022 hat die stellvertretende Senatsvorsitzende die Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die Regelung des § 130d ZPO sowie darauf hingewiesen, dass der Schriftsatz vom 15.9.2022 nicht in der gültigen Form eingegangen sei, sie aufgefordert, den besagten Schriftsatz als elektronisches Dokument einzureichen, und darauf aufmerksam gemacht, dass es an der Glaubhaftmachung fehle, soweit vorübergehende technische Gründe vorgebracht würden. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben daraufhin die Berufungsbegründung vom 15.9.2022 am 21.9.2022 als elektronisches Dokument eingereicht und unter Bezugnahme auf § 130d Satz 3 ZPO auf die folgende Sachlage hingewiesen:

„Bei dem Kartenwechsel der beA-Karte kam es zu technischen Problemen. In der Folge war ein Versand nicht mehr möglich. Sodann erfolgten mehrere Anrufe bei der BRAK sowie eine E-Mail mit der Darlegung des Problems an den beA-Support. Es wurde auch ein neues Software-Zertifikat erstellt, jedoch konnte dieses nicht mehr mit den bisherigen Geräten heruntergeladen und aktiviert werden.
Dies hatte zur Folge, dass nicht über das beA-Postfach verschickt werden konnte. Es war demnach unmöglich, fristgebundene Schriftsätze elektronisch per beA einzureichen. Um fristwahrend Stellung zu nehmen, erfolgte die Übersendung per Telefax.
Das beA-Postfach ist nun wieder funktionstüchtig, folglich erfolgt die elektronische Nachreichung anbei. Wir bitten dies entsprechend zu berücksichtigen.“

Mit Verfügung vom 23.9.2022 hat der Senat die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass die Berufung gem.§ 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen sein dürfte, da sie nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden sei. Auf diesen Hinweis haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 5.10.2022 gem. § 294 ZPO ausdrücklich anwaltlich die Richtigkeit der Sachlage versichert.

Das OLG hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.

Die Gründe:
Die Berufungsbegründung per Fax war nicht formgerecht eingereicht worden.

Nach § 130d Satz 1 ZPO, der seit dem 1.1.2022 in Geltung steht, sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die formgerechte Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung unwirksam. Auf die Einhaltung könnte auch der Gegner weder verzichten noch sich rügelos einlassen.

Die Einreichung per Fax war nach den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles auch nicht in Form der Ersatzeinreichung nach § 130d Satz 2 und 3 ZPO ausnahmsweise wirksam. Nach diesen Vorschriften bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, soweit die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Die Voraussetzungen dieser Norm waren hier nicht erfüllt. Denn es fehlte an der unverzüglichen Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen.

Der Hinweis auf der am 15.9.2022 per Fax eingereichten Berufungsbegründungsschrift, nach dem der Versand über das beA-Postfach aufgrund von technischen Schwierigkeiten momentan leider nicht möglich sei, genügte den Darlegungsanforderungen von vornherein nicht. Die Wiedergabe allein des Gesetzeswortlauts ermöglicht dem Gericht keine eigenständige Subsumtion unter die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes und ist daher ungenügend. Vielmehr ist die – laienhafte – Spezifizierung des technischen Grundes erforderlich. Auch die Erläuterung in dem Schriftsatz vom 21.9.2022 war ungenügend, um die als Ausnahme ausgestaltete Ersatzeinreichung in Form der Faxübersendung zu rechtfertigen. Es fehlte auch im Schriftsatz vom 21.9.2022 an der gem. § 130d Satz 3 ZPO erforderlichen Glaubhaftmachung.

Bezüglich des Zeitpunktes der erforderlichen Darlegung und Glaubhaftmachung kommt nach dem Wortlaut von § 130d Satz 3 ZPO („oder“) dem Zeitpunkt der Ersatzeinreichung selbst kein Vorrang gegenüber der - dann jedoch „unverzüglichen“ - Nachholung zu. Im Anwendungsbereich des § 130d Satz 3 ZPO genügt für die Glaubhaftmachung eine (formgerechte) anwaltliche Versicherung über das Scheitern der Übermittlung. Fehlt diese bzw. wird sie nicht ohne schuldhaftes Zögern beigebracht, ist die Ersatzeinreichung unwirksam. Die ergänzende Erläuterung nebst ausdrücklicher anwaltlicher Versicherung in dem Schriftsatz vom 5.10.2022 erfolgte hier somit nicht mehr unverzüglich.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.11.2022 15:16
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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