Aktuell in der CR

Änderungsbefugnisse des Unternehmers nach § 327r BGB (Hunzinger, CR 2022, 349)

Mit der Umsetzung der sog. Digitale-Inhalte-Richtlinie 2019/770 hat für den Unternehmer die Möglichkeit Einzug in das BGB gefunden, den bereits vereinbarten Leistungsumfang von digitalen Produkten nachträglich und einseitig ändern zu können. Im deutschen Recht stellt eine solche Änderungsbefugnis eine Seltenheit dar, schließlich gilt im deutschen Recht der Grundsatz, dass auch in Dauerschuldverhältnissen der Leistungsgegenstand bei Vertragsschluss einvernehmlich für die gesamte Dauer festgelegt wird und nicht einseitig geändert werden kann. Nach einem kurzen Problemaufriss (I.) untersucht der Beitrag, wann eine Änderung (II.) und ein triftiger Grund (III.) i.S.v. § 327r BGB vorliegen, welche Anforderungen sich insbesondere aus dem AGB-Recht für die Klauselgestaltung ergeben (IV.) und welche Folgen dies für die Bedeutung von § 327r BGB in der Praxis hat (V.).

Auslegung und Vertragsgestaltung im Lichte der AGB-Rechtsprechung

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Problemaufriss

II. „Änderungen“ i.S.v. § 327r BGB

1. Begriff der Änderung

a) Irrelevanz des Umfangs der Änderung

b) Bedeutung der Wahrnehmbarkeit

2. Abgrenzung zur Aktualisierung nach § 327f BGB

III. „Triftige Gründe“ für die Änderung

1. Konkretisierung im Vertrag

2. Vorliegen im konkreten Änderungsfall

IV. Folgen für die AGB-Gestaltung

1. Anwendbarkeit des AGB-Rechts

2. Anforderungen nach § 308 Nr. 4 BGB

3. Auswirkungen auf die Klauselgestaltung

a) Wiederholung des Gesetzeswortlautes

b) Einhaltung allein der Anforderungen von § 327r Abs. 1 Nr. 1 BGB

c) Kombination mit Kündigungsrecht

d) Weitere Konkretisierung der triftigen Gründe

V. Ausblick und Fazit

 


Leseprobe:

"I. Problemaufriss

1

Für Anbieter digitaler Produkte scheint die Änderungsbefugnis nach § 327r BGB ein Segen zu sein. Insbesondere Geschäftsmodelle, die Software as a Service („SaaS“) als digitales Produkt oder Bestandteil eines digitalen Produktes enthalten, arbeiten regelmäßig mit einem standardisierten „one to many“-Modell, das für alle Kunden nur einmal abläuft und nicht für jeden Kunden individuell angepasst oder fortentwickelt werden kann. Im „one to many“-Modell sind die Anbieter digitaler Produkte durch die stetige technische wie optische Weiterentwicklung in der digitalen Welt daher schon seit jeher zu einseitigen Anpassungen gezwungen. Denn das Geschäftsmodell wäre unwirtschaftlich, wenn für jeden Kunden die zum Zeitpunkt seines Vertragsschlusses aktuelle Version weitergeführt werden müsste und nur Neukunden die jeweils neueste Version angeboten werden würde.

2

In der Praxis war es bei solchen digitalen Produkten bisher üblich, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel enthielten, wonach Änderungen des Produktes zulässig sind, solange die Änderungen nicht für den Kunden unzumutbar sind. In der Regel waren solche Klauseln aber wegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Teilweise wurde zwar versucht, die Vorgaben des AGB-Rechts zumindest näherungsweise einzuhalten. Teilweise wurde ein Verstoß aber auch bewusst in Kauf genommen. Insofern schürt § 327r BGB die Hoffnung und wirft zugleich die Frage auf, ob sich diese bislang unbefriedigende Situation durch die Neueinführung der Vorschrift verbessert hat.

3

Der Beitrag konzentriert sich auf die Frage, ob auf Basis der Vorschrift überhaupt eine Änderung umgesetzt werden kann und lässt außen vor, ob die Änderung den verschärften Informationspflichten nach Abs. 2 unterliegt oder dem Verbraucher im Falle einer Änderung ein Kündigungsrecht nach Abs. 3 und 4 eingeräumt werden muss.

II. „Änderungen“ i.S.v. § 327r BGB

4

Weder der Begriff der „Änderung“ noch der Begriff der „Aktualisierung“ werden in den §§ 327 ff. BGB legaldefiniert. Daher kommt es für die Anwendbarkeit von § 327r BGB entscheidend auf die Auslegung dieser Begriff an, um zu beurteilen, wann von einer freiwilligen Änderung (1.) und wann von einer verpflichtenden Aktualisierung (2.) auszugehen ist.

1. Begriff der Änderung

5

Der Begriff „Änderung“ wird in § 327r Abs. 1 BGB ausschließlich negativ zur Aktualisierung abgegrenzt. Spiegelbildlich zum Wortlaut von § 327r Abs. 1 BGB lässt sich Änderung daher definieren als …"

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.06.2022 11:34

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