Aktuell im ITRB

Rücktritt vom Softwarevertrag - ganz oder teilweise? (Redeker, ITRB 2021, 237)

Wird bei einem Softwarevertrag die Leistung nicht fristgerecht fertig-gestellt, kommt oft ein Rücktritt in Betracht. Sind allerdings schon Teilleistungen erbracht, ist es häufig so, dass nur ein Teilrücktritt möglich ist. Insb. Hardware und Standardsoftware muss der Kunde oft behalten, während individuelle Leistungen in der Regel vom Teilrücktritt erfasst sind. Der Beitrag erörtert, in welchen Fällen ein Gesamtrücktritt möglich ist.


1. Grundlagen des Rücktritts

2. Gesamtrücktritt oder Teilrücktritt: bisherige Diskussion

3. Neue Entwicklungen bei der Softwareerstellung

4. Mangelhaft gelieferte Teilleistung


1. Grundlagen des Rücktritts

Der Rücktritt von einem Vertrag über ein nach Ansicht des Kunden gescheitertes Softwareprojekt ist seit vielen Jahren ein bekanntes Thema. Die gesetzlichen Grundlagen haben sich nicht geändert. Grundsätzlich muss der Kunde dem Softwarehersteller nach Verzugseintritt eine Frist zur vertragsgemäßen Fertigstellung der Software setzen. Nach erfolglosem Fristablauf kann er dann vom Vertrag zurücktreten. Wie konkret einzelne Mängel in der Fristsetzung benannt werden müssen, ist nach wie vor unklar.

In besonderen Fallkonstellationen ist ein Rücktritt auch ohne Fristsetzung möglich. Dies betrifft insb. den Fall einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dann ist ein Rücktritt sogar schon vor Fälligkeit der Leistung möglich. Diese Konstellation kommt selten vor. Wichtig ist vor allem der Fall, in dem der Projektunternehmer erklärt, dass er die verabredete Software zwar fertigstellen kann, aber deutlich später und zu einem weit höheren Preis als vereinbart. Eine solche Aussage stellt eine Leistungsverweigerung dar, vor allem, wenn klar ist, dass das Softwareunternehmen sonst nicht weiterarbeitet.

2. Gesamtrücktritt oder Teilrücktritt: bisherige Diskussion

Oft ist es in diesen Fällen so, dass Teile eines Softwareprojekts bereits fertiggestellt und geliefert waren und später weitere Teile, vor allem individuelle Zusätze wie Customizing, Parametrisierung oder zusätzliche Individualprogramme, nicht fertiggestellt wurden. Wenn der Kunde hier zurücktritt, stellte sich schon immer die Frage, ob sich der Rücktritt auch auf die bislang schon gelieferten Teile erstrecken durfte oder nur die nicht vollständig gelieferten Teile erfassen sollte. Es ging darum, ob ein vollständiger Rücktritt vom Vertrag zulässig oder nur ein Teilrücktritt möglich war. Nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB kommt ein vollständiger Rücktritt nur in Betracht, wenn der Kunde an dem gelieferten Teil der geschuldeten Leistung kein Interesse hat. Dies gilt aber nur, wenn der Kunde die Teilleistungen bereits angenommen hat.

Wann ein Gesamtrücktritt möglich war oder der Kunde nur teilweise zurücktreten konnte, war schon immer umstritten. Dabei ging es zunächst um Fälle, in denen Hardware, Standardsoftware und individuelle Leistungen Leistungsgegenstände eines einzigen, einheitlichen Vertrags waren. Bei solchen Verträgen über vollständige IT-Systeme hat der BGH schon relativ früh die Tendenz verfolgt, dass bei Fehlern einer individuellen Zusatzentwicklung ein Interessefortfall an der gelieferten Hardware und Standardsoftware nicht gegeben ist. Schließlich könne auch ein Dritter die individuellen Leistungen erbringen. Diese Tendenz war aber nicht unumstritten. So hat das OLG Düsseldorf anders als der BGH angenommen, dass auch hinsichtlich der Hardware kein Interesse des Kunden mehr besteht. Es ging allerdings um eine IT-Anlage, die in einem Produktionsbereich zur Produktionssteuerung eingesetzt werden sollte und die möglicherweise in anderem Zusammenhang nicht nutzbar war. Ähnliches könnte auch für eine extra für die konkret geschuldete und nicht erbrachte Individualanpassung bestellte Hardware gelten.

Bei der Lieferung gängiger Hardware für den Bürobedarf wie z.B. PC mit einem Windows-Betriebssystem dürfte ein Interessefortfall (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.09.2021 13:58
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite