Aktuell im ITRB

Die Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie (Roth-Neuschild, ITRB 2021, 210)

Zum 1.7.2021 wurde die EU-Warenkaufrichtlinie durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags umgesetzt. Obgleich die Richtlinie nur für Kaufverträge mit Verbrauchern gilt, enthält das Gesetz einige auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr einschlägige Änderungen im allgemeinen Kaufrecht. Im Folgenden werden einige der neuen Regelungen dargestellt.


I. Ausgangssituation

II. Neue Regelungen im allgemeinen Kaufrecht

1. Mangelbegriff

a) Subjektiver Mangelbegriff

b) Objektiver Mangelbegriff

c) Besonderheiten

2. Nacherfüllung

a) Offenbar werdender Mangel

b) Ergänzungen

3. Rückgriff des Verkäufers

a) Aufwendungsersatz des Lieferanten

b) Verjährung von Regressansprüchen

III. Neue Regelungen im Verbrauchsgüterkauf

1. Rechtsverlust nur bei Information des Kunden über Mangel

2. Verweigerung der Nacherfüllung bei Unverhältnismäßigkeit

3. Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten

4. Rücksendekosten und -nachweis

5. Entfallen der Fristsetzung für Rücktritt und Schadensersatz

IV. Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte

1. Digitale-Inhalte-Richtlinie

2. Kauf einer Sache mit digitalen Elementen

V. Besondere Gewährleistungsregeln bei Kauf einer Sache mit digitalen Elementen

1. Allgemeines

2. Verletzung der Aktualisierungspflicht als Sachmangel

a) Inhalt der Aktualisierungspflicht

b) Dauer der Aktualisierungspflicht

c) Informationspflicht

3. Dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente

a) Vereinbarung

b) Dauer der Bereitstellung und der Aktualisierungspflicht

4. Verjährung

a) Beginn

b) Ablauffrist

VI. Abweichende Vereinbarungen beim Verbrauchsgüterkauf

1. Abweichungen von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit

2. Abweichungen bei den Verjährungsfristen

3. Schadensersatzansprüche

VII. Sonderbestimmungen für Garantien

 

I. Ausgangssituation

Rechtzeitig zum 1.7.2021 wurde am 25.6.2021 die am 20.5.2019 von der EU verabschiedete Warenkaufrichtlinie (WKRL, RL [EU] 2019/771), die die bisherige Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) aufhebt, durch das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags umgesetzt. Obgleich die Richtlinie nur für Kaufverträge zwischen Verkäufer und Verbraucher gilt, enthält das Gesetz einige auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr einschlägige Änderungen im allgemeinen Kaufrecht, die B-to-All gelten. Den Schwerpunkt bildet jedoch das Verbrauchsgüterkaufrecht in §§ 474 ff. BGB. Dieses hat insb. auch durch die Einfügung der Regeln zum Kauf einer Sache mit digitalen Elementen und der in diesem Kontext verordneten Aktualisierungspflicht der digitalen Elemente wesentliche Änderungen erfahren. Die neuen Vorschriften gelten nach Art. 229 § 58 EGBGB für Verträge, die ab dem 1.1.2022 geschlossen werden. Im Folgenden werden einige der neuen Regelungen dargestellt.

II. Neue Regelungen im allgemeinen Kaufrecht

1. Mangelbegriff

a) Subjektiver Mangelbegriff


Der im Rahmen der Schuldrechtsreform in den Vordergrund gerückte subjektive Mangelbegriff, der die vereinbarte Beschaffenheit und die vertraglich vorausgesetzte Verwendungseignung als vorrangige Kriterien für das Vorliegen eines Mangels statuierte, gilt nun gem. § 434 Abs. 1 BGB n.F. „nur“ noch gleichwertig neben dem objektivem Mangelbegriff. Allerdings verlangt das Gesetz in § 434 Abs. 3 BGB n.F., dass die Prüfung der objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit nur dann erfolgt, wenn „nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“. Damit bleibt in der Praxis die Bedeutung der Beschaffenheitsvereinbarung für die Frage des Mangels nach wie vor bestimmend. Ist eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart – und dazu gehören auch negative Leistungsmerkmale – kommt es auf die Frage, ob diese Beschaffenheit auch objektiv mangelfrei ist, nicht mehr an. Die verlangte Wirksamkeit der Vereinbarung wird im unternehmerischen Geschäftsverkehr im Wesentlichen an §§ 305 ff. BGB zu messen sein. Deutlich strenger und damit schwieriger gestaltet sich eine Abweichung von den objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit der Kaufsache jedoch in Verträgen mit Verbrauchern, denn § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. stellt hohe formale Anforderungen (s. VI.1.).

b) Objektiver Mangelbegriff

Auf den ersten Blick nicht neu sind die Anforderungen an die objektive Mangelfreiheit mit dem Hinweis auf die übliche Beschaffenheit vergleichbarer Sachen und die (objektiv) berechtigte Käufererwartung. Aber schon aufgrund der umfassenderen Beschreibung der vom Kunden berechtigt erwartbaren Beschaffenheitsmerkmale gem. § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. werden die objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit jedenfalls im Verbraucherbereich, in dem Abweichung schwieriger wirksam zu gestalten sind, erheblich gestärkt. Das Gesetz zählt in § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. neben Menge, Qualität auch sonstige konkrete Beschaffenheitsmerkmale auf, wie z.B. Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit, die zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden sein sollen. Diese Anforderungen im konkreten Einzelfall inhaltlich handhabbar zu machen, wird im Tagesgeschäft sicher Herausforderungen mit sich bringen.

Laut Gesetzesbegründung ist in Bezug auf die Anforderung der Haltbarkeit keine Haltbarkeitsgarantie begründet und haftet der Verkäufer nicht dafür, dass (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.08.2021 13:19
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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