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Einmal öffentlich - für immer schutzlos? (Hornung/Gilga, CR 2020, 367-379)

Die Veröffentlichung von privaten Informationen im Internet ist heutzutage gang und gäbe. Täglich kreieren Millionen Nutzer sozialer Medien neue Beiträge über sich und andere, Blogger berichten über neuste Trends und aktuellste Neuigkeiten werden auf Nachrichten-​Webseiten zur Verfügung gestellt. Hierdurch nimmt auch die Menge der online verfügbaren personenbezogenen Daten Tag für Tag rasant zu. Mangels ausdrücklicher Regelung ist für die DSGVO bisher weithin unklar, wie derartige öffentliche Informationen datenschutzrechtlich einzuordnen sind. Der Beitrag untersucht den Begriff des öffentlichen personenbezogenen Datums und analysiert, welchen Einfluss das Kriterium der Öffentlichkeit auf die Zulässigkeit der Verarbeitung nimmt.

Die Zulässigkeit der Verarbeitung öffentlicher personenbezogener Daten

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Privilegierte Verarbeitung – auch nach der DSGVO?

II. Relevanz und Risiken öffentlich zugänglicher Daten

III. Öffentlichen Daten als dogmatische Kategorie

IV. Einordnung der Daten als (durch die betroffene Person) veröffentlicht

1. Daten in sozialen Netzwerken

2. Daten in Blogs und auf anderen Webseiten

3. Ergebnis

V. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit der (Weiter-)Verarbeitung

1. Abgrenzung zur Verantwortlichkeit des Veröffentlichenden

                a) Konstellationen und Zulässigkeitsfragen der Veröffentlichung
                b) Nachberichtspflicht

2. Grundrechtsrelevanz der Verarbeitung öffentlicher Daten

3. Differenzierung zwischen Datenarten

4. Differenzierung nach Verantwortlichen

                a) Verarbeitung durch private Stellen
                b) Verarbeitung
durch öffentliche Stellen

             VI. Fazit

 


 

I. Privi­le­gierte Verar­beitung – auch nach der DSGVO?

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Im Internet existieren vielfältige Möglich­keiten, um Inhalte mit anderen zu teilen. Fotos, persön­liche Erleb­nisse, politische Meinungen u.v.m. werden in sozialen Netzwerken, auf Blogs und anderen Webseiten veröf­fent­licht.1 Dabei richten sich diese Inhalte oftmals nicht an eine begrenzte Anzahl von Personen, sondern werden bewusst einem möglichst großen, unbestimmten Adres­sa­ten­kreis zur Verfügung gestellt. Hierdurch entstehen täglich große Mengen – nicht nur, aber häufig – perso­nen­be­zo­gener Daten, die frei im Internet zugänglich sind. Faktisch sind die Erhebung und weitere Verar­beitung dieser Daten häufig einfach zu bewerk­stel­ligen. Es stellt sich aber die Frage, unter welchen Voraus­set­zungen dies zulässig ist.

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Die DSGVO sieht nur an einer einzigen Stelle eine Bestimmung zu offen­sichtlich durch die betroffene Person öffentlich gemachten Daten vor: Art. 9 Abs. 2 lit. e DSGVO hebt in diesem Fall das grund­sätz­liche Verar­bei­tungs­verbot auf, wenn es sich um besondere Kategorien perso­nen­be­zo­gener Daten handelt. Dies entspricht der alten Rechtslage in Art. 8 Abs. 1 lit. e DSRL,2 der z.B. durch §§ 13 Abs. 2 Nr. 4, 28 Abs. 6 Nr. 2 BDSG a.F. umgesetzt worden war. Demge­genüber enthält die DSGVO keine allge­meine Norm zur Verar­beitung öffent­licher Daten, während nach altem deutschen Recht die Verar­beitung von Daten aus allgemein zugäng­lichen Quellen – über die DSRL hinaus, bzw. als nationale Ausformung ihrer Abwägungs­klauseln – „privi­le­giert“, d.h. erleichtert zulässig war.3 Auch im deutschen Recht existieren nur noch rudimentäre Bestim­mungen zu öffent­lichen Daten.4

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Dies führt zu der Frage, ob die Verordnung zumindest dogma­tisch eine dem BDSG a.F. ähnliche Kategorie öffent­licher Daten kennt (III.), welche Daten wegen ihrer Öffent­lichkeit hierzu zu zählen sind (IV.), welche Bestim­mungen auf sie anzuwenden sind und ob die Verar­beitung dieser Daten weiterhin privi­le­giert ist (V.).

 

II. Relevanz und Risiken öffentlich zugäng­licher Daten

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Im Zuge der stetig anwach­senden Menge frei zugäng­licher (perso­nen­be­zo­gener) Daten im Internet werden immer mehr Techno­logien und Geschäfts­mo­delle entwi­ckelt, die aus ihnen einen Mehrwert generieren. Damit geht ein gestei­gertes Interesse an der Verwendung dieser Daten einher. Dieses kann sich auf die übergrei­fende Analyse globaler Trends oder auf konkrete Personen und Ereig­nisse beziehen. Für Unter­nehmen können derartige Analysen z.B. im Rahmen von Markt‑, Meinungs- und Trend­for­schung einen Wettbe­werbs­vorteil bedeuten5 oder Produkt­be­ob­ach­tungen erleichtern.6 Wichtige Erkennt­nisse können sich für die sozial­wis­sen­schaft­liche Forschung ergeben.7 Auch in Bewer­bungs­pro­zessen möchten Recruiter oftmals auf öffent­liche Daten zugreifen, um sich ein besseres Bild von Bewerbern zu verschaffen.8 Öffent­liche Stellen können öffent­liche Infor­ma­tionen u.a. verwenden, um die Straf­ver­folgung effizi­enter zu gestalten, staat­liche Handlungen und Entschei­dungen genauer zu adres­sieren, Krisen­si­tua­tionen durch breitere Infor­ma­ti­ons­grund­lagen besser zu meistern9 oder Stimmungs­bilder in der Bevöl­kerung aufzu­fangen.10 In Betracht kommt auch eine Verwendung der Daten für Amtser­mitt­lungen von Steuer­be­hörden oder Sozial­leis­tungs­trägern.11 Für den einzelnen Inter­n­et­nutzer ergibt sich zudem die Möglichkeit, sein Recht auf Infor­ma­ti­ons­freiheit wahrzu­nehmen, indem er das Internet zur Infor­mation und Meinungs­bildung verwendet.

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Diesen Chancen stehen aus daten­schutz­recht­licher Sicht aller­dings deutliche Risiken gegenüber. Die betrof­fenen Personen wissen mögli­cher­weise nichts von der Verfüg­barkeit ihrer Daten und sind sich nicht immer über die poten­ti­ellen Auswir­kungen einer Veröf­fent­li­chung bewusst. Angesichts der weiten Verbreitung im Netz kann es passieren, dass eine Löschung der Daten schwer oder unmöglich wird („das Internet vergisst nichts“),12 Arbeit­geber oder Behörden gezielt auf Daten zugreifen oder beliebige Dritte diese zusam­men­tragen und auswerten. Je nach Art der öffent­lichen Daten, Interesse und Verar­bei­tungs­zweck des Verant­wort­lichen und Rechts­be­ziehung zu der betrof­fenen Person kann dies erheb­liche Auswir­kungen haben.

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Aus recht­licher Sicht sind viele Problem­stel­lungen nicht abschließend geklärt. Öffentlich gemachte perso­nen­be­zogene Daten sind weltweit verfügbar, einheit­liche weltweite Regelungen bestehen hingegen nicht. Ein gemein­sames Verständnis von zentralen Begriff­lich­keiten sowie Vorgaben für den Umgang mit öffent­lichen perso­nen­be­zo­genen Daten existieren nicht. Sowohl für den Verant­wort­lichen als auch für betroffene Personen kann dies zu großer Rechts­un­si­cherheit führen.

 

III. Öffent­lichen Daten als dogma­tische Kategorie

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Will man auch unter der DSGVO eine dogma­tische Kategorie der öffent­lichen Daten bilden, so lässt sich entweder an der Eigen­schaft der Allge­mein­zu­gäng­lichkeit oder an der Person anknüpfen, die diese Eigen­schaft hervor­ge­rufen hat. (...)

 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.06.2020 11:52

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