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Datenschutz beim polizeilichen Drohneneinsatz (Müller-ter Jung/Rexin, CR 2019, 643)

Ausgehend von den Verwendungsbereichen für Drohnen zur polizeilichen Aufgabenerfüllung (I.), ordnet der Beitrag den Einsatz von Drohnen datenschutzrechtlich (II.) ein und untersucht die Belastbarkeit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen (III.). Für den Einsatz von Drohnen bestehen datenschutzrechtliche Pflichten der Polizei als Verantwortlicher (IV.), die Rückwirkungen auf die technisch bedingten Datenerfassungen haben (V.). Ein polizeilicher Drohneneinsatz lässt sich zwar rechtskonform ausgestalten, gesetzgeberischer Handlungsbedarf liegt aber nahe (VI.).

Die paradoxen Hürden polizeilicher Observation durch Drohnen

Inhaltsverzeichnis:

I.             Anwendungsbereiche des Drohneneinsatzes

  1. Offene Maßnahmen
  2. Verdeckte Maßnahmen

II.           Anwendbarkeit des Datenschutzrechts

  1. DSGVO
  2. JI-RL und nationale Umsetzungen

a. Anwendungsbereich
b. Begriff der personenbezogenen Daten
c. Begriff der Datenverarbeitung
d. Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung nach Art. 8 Abs. 1 JI-RL
e. Nationale Ermächtigungsgrundlage

III.         Polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlagen

  1. Präventive Ermächtigungsgrundlage am Beispiel des PolG NRW

    a. Offene Maßnahmen und Analogien
    b. Verdeckte Maßnahmen
    c. Bayerische Spezialregelungen zum Drohneneinsatz

     
  2. Repressiv: StPO
  3. Zwischenergebnis

IV.         Datenschutzrechtliche Pflichten der Behörde

  1. BVerfG-Urteil zum BKAG
  2. Verhältnis des Landesdatenschutzgesetzes zum Landespolizeigesetz am Beispiel NRW 

V.           Technisch bedingte Datenerfassung

VI.         Lösungsansätze

  1. Restriktive Auslegung der Personen-Identifizierbarkeit
  2. Restriktive Auslegung des Verarbeitungsbegriffs
  3. Privacy by Design and Default
  4. Datenschutzfolgenabschätzung

VII.       Fazit

 


 

I. Anwendungsbereiche des Drohneneinsatzes

[1] Drohnen 1  haben längst Einzug in den Einsatz bei der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden erhalten 2 . Ihre Einsatzzwecke sind äußerst vielfältig und reichen von der Aufklärung über die Durchsuchung bis hin zum Objektschutz. Dabei wird das Potential der Technologie insbesondere bei einem Blick auf die polizeilichen Einsatzzwecke im internationalen Kontext deutlich.

[2] So werden in Großbritannien Drohnen bereits heute flächendeckend und alltäglich zur Überwachung städtischer 3  und ländlicher 4  Räume eingesetzt. Zur Diskussion stehen perspektivisch der Einsatz der Drohne zum Stoppen fliehender Personen oder Fahrzeuge 5  und zum Einsatz nicht oder weniger lethaler Waffen wie z.B. Taser oder Blendgranaten. Beim Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus reichen die Überlegungen bis zu Szenarien, in denen auffällige Personen mittels Drohne mit einer Farbe besprüht werden, die unter normalem Licht unsichtbar ist, um eine nachträgliche Identifizierung zu vereinfachen, insbesondere im Rahmen von großen Versammlungen oder Veranstaltungen. 6

[3] Neben solchen, besonders eingriffsintensiven Maßnahmen kommen auch hierzulande zahlreiche Einsatzzwecke für Drohnen in Betracht, für die es neben einer polizeirechtlichen auch einer datenschutzrechtlichen Rechtfertigung 7  bedarf.

1. Offene Maßnahmen

[4] Die Polizei setzt Drohnen insbesondere zu Zwecken der Überwachung von Verkehrsbewegungen, Großveranstaltungen, Demonstrationen und deren Umgebungen ein 8 . Mittels der variabel platzierbaren Drohne wird ein erheblicher Mobilitätsgewinn für die Polizei erreicht, der auch den in Anschaffung und Betrieb deutlich kostenintensiveren Polizeihubschrauber 9  mittelfristig gesehen vielfach ersetzen dürfte.

[5] Die Bundespolizei verwendet mit Kameras ausgestattete Drohnen, bedingt durch ihren gesetzlich normierten Aufgabenkatalog, insbesondere im Rahmen von offenen Maßnahmen wie der Überwachung von Gleisanlagen aufgrund von gefährlichen Eingriffen in den Bahnverkehr sowie der Anfertigung von Luftbildaufnahmen von Objekten zur Objektüberwachung oder zum Objektschutz. 10

[6] Infolgedessen ist anzunehmen, dass auch kleineren Dienststellen zukünftig die Möglichkeit zukommen wird, auf Drohnen zur Erstellung von Aufnahmen aus der Luft Zugriff zu erhalten 11 . Daher ist die datenschutzrechtliche Einordnung der Aufnahmen aufgrund ihrer prognostizierten Häufigkeit von besonderer Bedeutung, um Bedenken einer zu weitgehenden staatlichen Kontrolle durch den effektiven Schutz von personenbezogenen Daten zu begegnen. 12

2. Verdeckte Maßnahmen

[7] Nicht nur im Rahmen von offenen Maßnahmen bietet der Drohneneinsatz eine Vielzahl an Potentialen. Auch im Rahmen verdeckter Maßnahmen zur Informationsgewinnung im Strafverfahren oder zu Gefahrenabwehrzwecken eröffnen Drohnen aufgrund ihrer Unauffälligkeit Einsatzmöglichkeiten. Hierbei dürfte der Regelfall die Informationsgewinnung mittels Bildübertragung sein. Auch die Ausstattung des Flugsystems mit einem IMSI- oder WLAN-Catcher 13  erscheint möglich und bietet neue Chancen der „Datenerhebung aus der Luft“ 14 . Zudem lassen sich neben der Erhebung von Informationen über Personen, Objekte oder Infrastruktur auch Einsatzorte, beispielswiese bei Durchsuchungen oder Festnahmen, absichern, um die Gefährdung für Beamte zu reduzieren und das polizeiliche Einsatzverhalten effektiver zu steuern 15 .

[8] Ausgehend von den aufgezeigten Anwendungsszenarien muss der jeweilige Einsatz einer Drohne für polizeiliche Zwecke in datenschutzrechtlicher Hinsicht rechtmäßig sein, sofern im Rahmen der konkreten Maßnahme personenbezogene Daten verarbeitet werden.

II. Anwendbarkeit des Datenschutzrechts

[9] Für die Beurteilung der datenschutzrechtlichen Relevanz des Einsatzes von Drohnen für polizeiliche Zwecke ist zunächst das europäische und nationale Datenschutzrecht heranzuziehen.

1. DSGVO

[10] Art. 2 Abs. 2 lit. d DGSVO bestimmt, dass die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, findet. Damit gilt die DSGVO nicht für die Polizei, sofern sie im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (s. z.B. § 1 PolG NRW und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO), tätig wird. Verarbeitet eine Polizeibehörde Daten nicht zum Zwecke der Erfüllung ihrer vorgenannten gesetzlichen Aufgaben, beispielsweise im Rahmen der Personalakquise (Bewerberdaten), ist die Polizeibehörde hingegen an die DSGVO gebunden 16 .

2. JI-RL und nationale Umsetzungen

[11] Für eben jene Stellen wurde eine Richtlinie erlassen, die den Datenschutz bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung regelt (Richtlinie 2016/680, im Folgenden: JI-RL) 17 . Die JI-RL war bis zum 6.5.2018 umzusetzen 18 . Sie spiegelt im Wesentlichen die Prinzipien und Instrumente der DSGVO wider und überträgt diese auf die Polizei und Strafverfolgungsbehörden unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses speziellen Bereiches der Datenverarbeitung. Unterschiede finden sich insbesondere in den Erlaubnistatbeständen, die (...)

 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.10.2019 11:16

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