Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat am 29.10.2010 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des BGBs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr vorgelegt. Ziel des Gesetzes ist es, den Verbraucher vor überraschenden Vertragsabschlüssen im Internet zu schützen.
Durch den Referentenentwurf wird die für Unternehmen bereits bestehende Pflicht, den Verbraucher beim Abschluss eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr über die wesentlichen Vertragsmodalitäten zu informieren (vgl. § 1 Absatz 2 PAngV; Artikel 246 § 1 Absatz 1 Nr. 7 EGBGB; §§ 145, 147 BGB) hinsichtlich der Art und Weise der Präsentation dieser Informationen konkretisiert.
Konkret ist die Einführung eines neuen Absatzes 2 in § 312 e BGB vorgesehen. Hiernach soll ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr nur bei Beachtung der sog. "Buttonlösung" wirksam sein, wenn also der Verbraucher vor Abgabe einer Bestellung
(1) vom Unternehmer durch einen hervorgehobenen und deutlich gestalteten Hinweis über die Gesamtkosten (Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung, Liefer- und Versandkosten, Mindestlaufzeit und automatische Verlängerung des Vertrags bei dauernden oder regelmäßig wiederkehrenden Leistungen) informiert wird und
(2) diesen Hinweis durch eine gesonderte Erklärung bestätigt hat.
Der Referentenentwurf ist das Ergebnis einer seit längerem geführten Debatte über sog. "Abo- bzw. Kostenfallen" im Internet. Die Bundesregierung beabsichtigt(e) zunächst eine EU-weite Lösung im Rahmen einer europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie. Eine entsprechende Richtlinie wird jedoch nicht vor Ende 2012 erwartet. Ein dem vorliegenden Referentenentwurf ähnelnder Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Internet vom 6.7.2010 (BT-Dr. 17/2409) wurde in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Autorin: Ass. jur. Kristina Schmidt, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
Die Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) sieht das Phänomen der Kosten- und Abo-Fallen im Internet mit großer Besorgnis und begrüßt deshalb in ihrer Stellungnahme ausdrücklich die Zielrichtung des Gesetzgebungsvorhabens, Verbraucher hiergegen wirksamer zu schützen. Die "Buttonlösung", die der Gesetzentwurf vorsieht, ist aber nach Ansicht der DGRI leider nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen.
1. Wiederholung bereits bestehender Hinweispflichten
Der Gesetzentwurf wiederholt weitestgehend gesetzlich bereits bestehende Hinweispflichten, beispielsweise in Bestimmungen der Preisangabenverordnung sowie des Einführungsgesetzes zum BGB. Zusätzliche Hinweispflichten würden nach Einschätzung der DGRI zu einer Informationsüberflutung der Verbraucher führen ("Information Overkill").
2. Ausreichender Verbraucherschutz
Nach Auffassung der DGRI ist der Schutz der Verbraucher vor Kosten- und Abo-Fallen bereits ausreichend normiert. Schon jetzt steht Verbrauchern bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht zu. Sie haben bereits das Recht zum Widerruf des Fernabsatzvertrags über
ein Abonnement auch dann, wenn das Unternehmen schon mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hat. Bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht kann der Verbraucher den Vertrag vor vollständiger Zahlung in jedem Fall widerrufen, bei ordnungsgemäßer
Widerrufsbelehrung innerhalb der üblichen Widerrufsfrist von vierzehn Tagen bzw. einem Monat. Der Gesetzentwurf bringt insoweit keine wesentlichen Neuerungen.
3. Unangemessene Rechtsfolge der Nichtigkeit
Nach dem Gesetzentwurf soll ein Vertrag, der den Anforderungen der "Buttonlösung" nicht entspricht, nichtig sein. Begründet wird diese scharfe Rechtsfolge damit, dass diese Vorschrift eine vergleichbare Schutzwirkung wie eine Formvorschrift hat. Allerdings enthält der
Gesetzentwurf anders als Formvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe. Sowohl Unternehmer als auch Verbraucher unterliegen daher einer erheblichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages, auch wenn der Verbraucher
Interesse an einem rechtswirksam geschlossenen Vertrag hat.
4. Umsetzungs- und Nachweisproblematik
Nach Auffassung der DGRI sind Umsetzung und Nachweis der "Buttonlösung" problematisch.Nicht akzeptabel ist es nach der Begründung des Gesetzesentwurfs beispielsweise, wenn die Seite nach unten gescrollt werden muss. Ob dies der Fall ist, hängt u.a. von dem vom Verbraucher verwendeten Internet-Browser, dessen Bildschirmeinstellung sowie der Bildschirmauflösung ab. Zudem erscheint die Umsetzung dieser Vorgabe auf mobilen Internet-Geräten kaum möglich. Eine solche Regelung lässt sich praktisch kaum umsetzen. Die
Nichtigkeit des Vertrags hängt damit von nicht absehbaren und schwer nachweisbaren Umständen ab.
5. Benachteiligung des Internet-Marktplatzes Deutschland
Bei der vorgeschlagenen "Buttonlösung" handelt es sich um einen deutschen Sonderweg, der über das in der EU harmonisierte Verbraucherschutzniveau hinausgeht. Die Website eines international tätigen Internet-Shop-Anbieters, die sich an deutsche Verbraucher richtet, ist damit höheren Anforderungen ausgesetzt als diejenige, die sich an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten der EU wendet. Dies führt dazu, dass eine Anpassung der Funktionalität des Internet-Shops allein für Deutschland erforderlich wird.
6. Kein verbesserter Schutz gegen Kosten- und Abo-Fallen
Schließlich vermutet die DGRI, dass das Gesetzgebungsvorhaben nicht zu einem besseren Schutz gegen unseriöse Internet-Anbieter führt. Wenn diese die bisherigen Hinweispflichten nicht erfüllt haben, werden sie voraussichtlich auch die "Buttonlösung" nicht umsetzen. Ohne
professionellen Rechtsrat werden sich die Verbraucher leider kaum wehren können. Ob der Rechtsrat letztlich lautet, sich auf einen fehlenden Vertragsschluss zu berufen, den Vertrag anzufechten, ihn zu widerrufen oder die Erfüllung aufgrund Nichtigkeit des Vertrags zu verweigern,
ist aus Sicht des Verbrauchers ohne Belang, denn in allen Fällen muss er der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen. Verbraucherzentralen stellen bereits jetzt Standard-Widerrufsschreiben gegen Kostenfallen zur Verfügung.
7. Zusammenfassung
Kosten- und Abo-Fallen sind ein schwerwiegendes Problem, das das Vertrauen der Verbraucher in den elektronischen Geschäftsverkehr untergräbt und deshalb dringend einer gesetzlichen Lösung bedarf. Nach Ansicht der DGRI ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sich durch das derzeitige Gesetzgebungsvorhaben der Rechtsschutz für Verbraucher deutlich verbessern wird. Überdies werden auch seriöse Internet-Anbieter durch die zusätzlichen Hinweispflichten und die Implementierung und Nachweisbarkeit der "Buttonlösung" erheblich belastet. Im internationalen Kontext sind diese zusätzlichen Anforderungen kaum vermittelbar und können sich auf den Internet-Marktplatz Deutschland nachteilig auswirken.
Referentenentwurf des BMJ v. 29.10.2010 für ein Gesetz zur Änderung des BGBs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr
Stellungnahme der DGRI e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen (TKG-Novelle)