Die neue Schrankenregelung für verwaiste Werke

Am 20.9.2013 hat der Bundesrat beschlossen, keinen Antrag auf Einberufung eines Vermittlungsausschusses zu stellen und damit dem Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes zugestimmt.

Verfahrensstand-Anzeiger

Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.

Das Gesetz kann dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden.


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Text der Vorversion(en):


Am 27.6.2013 hat der Bundestag den schwarz-gelben Regierungsentwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (BT-Drs. 17/13423) verabschiedet und damit den Weg für die digitale Nutzung verwaister Werke geebnet.

Der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/14194) vom 26.6.2013 zufolge, setzten sich die Koalitionsfraktionen gegen die Opposition damit durch, den Regierungsentwurf in geänderter Fassung anzunehmen. Die angesprochene Modifikation soll insbesondere dahingehend erfolgen, dass der Wortlaut in seiner endgültigen Fassung auch diejenigen verwaisten Werke erfasst, die "nicht erschienen sind oder nicht geändert wurden", jedoch "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" worden sind.

Das Gesetz geht nun zum "zweiten Durchgang" in den Bundesrat.

 

Autor: Christian Klügel, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Das Bundesjustizministerium hat zum 20.2.2013 einen Referentenentwurf zur Nutzung verwaister Werke und zu weiteren Änderungen des Urheberrechtsgesetzes und des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes erarbeitet und diesen verschiedenen Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt.

Grundlage für den Entwurf bildet die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke (RL 2012/28/EU), über die bereits in einem gesonderten Artikel berichtet wurde. Erklärtes Ziel der Neuregelungen ist es, die Digitalisierung des kulturellen Erbes im Lichte der Bedürfnisse der modernen Informationsgesellschaft voranzutreiben, um das nationale Kulturgut für jedermann online zugänglich zu machen und für die künftigen Generationen zu sichern.

In enger Umsetzung der Richtlinie sieht der Entwurf die Integration einer neuen urheberrechtlichen Schrankenregelung für die Vervielfältigung und die öffentliche Zugänglichmachung verwaister Werke in die §§ 61 bis 61c UrhG vor. Voraussetzung für ein Eingreifen der geplanten Schranke ist, dass die Nutzungshandlungen zu nichtkommerziellen Zwecken und durch eine "privilegierte Institution" erfolgen. In den Kreis dieser privilegierten Institution fallen nach dem Referentenentwurf öffentlich zugängliche, dem Gemeinwohl dienende Einrichtungen, insbesondere Bibliotheken, Archive und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass nach der Legaldefinition des § 61 Abs. 2 UrhG-E nur diejenigen Werke als verwaist - und mithin als von der Schranke umfasst - gelten, deren Rechtsinhaber auch durch eine sorgfältige Suche nicht festgestellt oder ausfindig gemacht werden konnten. Welche Anforderungen en détail an eine solche "sorgfältige Suche" zu stellen sind, regelt der Entwurf in § 61a und einem Anhang, der, differenziert nach Werkkategorie, die Datenbanken und Verzeichnisse, die vor einer Vervielfältigung respektive öffentlichen Zugänglichmachung zu konsultieren sind, enumerativ auflistet. Hinsichtlich der Recherche gilt eine Dokumentations- und Anzeigepflicht beim Deutschen Patent- und Markenamt (§ 61a Abs. 3 UrhG-E). Die Probleme, die die Anforderung einer "sorgfältigen Suche" mit sich bringt, werden augenscheinlich, wenn die Rechte an einem Werk auf eine Vielzahl von Köpfen verteilt sind. In diesem Fall kann die geforderte Sorgfältigkeit für die benannten Institutionen schnell einen großen Aufwand bedeuten. Dies betrifft insbesondere zusammengesetzte Werke, zumal den Institutionen das Recht, einzelne Werke aus einem zusammengesetzten Werk durch Bearbeitung zu entfernen, durch die neue Schrankenregelung e contrario § 61 Abs. 1 UrhG-E gerade nicht gewährt werden soll. Potenzieren würde sich der Aufwand zudem, wenn bspw. "Einzelwerke" in einem zusammengesetzten Werk zuerst in einem anderen EU-Mitgliedstaat veröffentlicht wurden, da eine "sorgfältige Suche" in diesem Fall primär dort durchzuführen wäre.

Sofern sich ein Rechtsinhaber a posteriori doch noch ermittelt lässt, so hat die privilegierte Institution die Nutzung gem. § 61b UrhG unverzüglich einzustellen und dem Rechtsinhaber eine "angemessene Vergütung" für die erfolgte Nutzung zu zahlen. Um die öffentlichen Institutionen jedoch vor unverhältnismäßigen Nachzahlungen zu bewahren, gibt die RL 2012/28/EU in ihrem 18. Erwägungsgrund vor, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung "unter anderem die kulturpolitischen Zielsetzungen [...], der nicht kommerzielle Charakter der Nutzung durch die betreffenden Einrichtungen zur Erreichung der mit ihren im Gemeinwohl liegenden Aufgaben verbundenen Ziele, wie Förderung von Lernen und Verbreitung von Kultur, sowie der eventuelle Schaden für Rechtsinhaber" Berücksichtigung finden sollten. Dabei ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Institutionen ihre mit dem Vorhaben im Zusammenhang stehenden Aufwendungen durch eine entgeltliche Zugangsverschaffung amortisieren sollen.

 

Autor: Christian Klügel, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Mit Beschluss von Mittwoch dem 10.4.2013 steht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und weiteren Änderungen des Urheberrechtsgesetzes".

Nach Stellungnahme u.a. des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht (MPI) sowie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nahm die Bundesregierung gegenüber dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vor ihrem Beschluss nur noch kleinere Änderungen vor. Die kritischen Anmerkungen, insbesondere seitens des MPI, die geplanten Regelungen zu verwaisten Werken seien nicht weitreichend genug und zu unausgewogen zugunsten der Rechteinhaber ausgestaltet, ließ das Kabinett damit weitestgehend unberücksichtigt.

Der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Naumann, bewertet den Gesetzentwurf dennoch als "Meilenstein bei der Erleichterung des Zugangs zu unserem kulturellen Erbe"



Autor: Christian Klügel, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover
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Beschluss des Bundesrats vom 20.9.2013 (BR-Drs. 643/13 (B))

Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 26. Juni 2013

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. April 2013

Stellungnahme Max-Planck-Institut vom 15. März 2013

Stellungnahme Wikimedia Deutschland e.V.

Stellungnahme Börsenverein des Deutschen Buchhandels vom 4. März 2013

Referentenentwurf Bundesjustizministerium: Bearbeitungsstand 20. Februar 2013



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.09.2013 13:46

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