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Urheberrechtliche Herausforderungen für das neue Vertragsrecht über die Bereitstellung digitaler Inhalte in §§ 327 ff. BGB (Stieper, CR 2022, 325)

Das neue Vertragsrecht für Verträge über digitale Produkte weist naturgemäß Berührungspunkte zum Urheberrecht auf, da die vertragsgegenständlichen digitalen Inhalte regelmäßig urheberrechtlich geschützte Werke enthalten. Nach grundsätzlichen Anmerkungen zum Verhältnis eines etwaigen Urheberrechtsschutzes zu den vertraglichen Pflichten nach §§ 327 ff. BGB (I.) analysiert der Beitrag besondere Fallgestaltungen, in denen es zu Spannungen zwischen der urheberrechtlichen Wertung und dem neuen Vertragsrecht kommt, namentlich das Verhältnis von Aktualisierungspflicht und Erschöpfungsgrundsatz (II.), die Auswirkungen der Bereitstellungspflicht nach der PortabilitätsVO auf die Produktmängelgewährleistung (III.) und die Sperrung urheberrechtlich zulässiger Inhalte durch Content-Plattformen als Anbieterinnen einer digitalen Dienstleistung (IV.).


Wie das frisch harmonisierte Schuldrecht mit den Wertungen des Urheberrechts harmoniert

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Bereitstellung digitaler Inhalte aus urheberrechtlicher Sicht

1. Verwertungshandlung der Unternehmerin

2. Knackpunkt: Aktualisierungspflicht

II. Aktualisierungspflicht und Erschöpfungsgrundsatz

1. Verbreitung körperlicher Datenträger

2. Weitergabe von Produktschlüsseln

3. Digitale Erschöpfung bei anderen Werkarten

III. Haftung für Produktmängel und Bereitstellungspflicht nach der PortabilitätsVO

1. PortabilitätsVO als zwingendes Vertragsrecht

2. Sekundärrechte der Nutzerinnen

3. Kostenfrei bereitgestellte Dienste

IV. Content-Plattformen als digitale Dienstleistung

1. Pflichten der Diensteanbieterin nach dem UrhDaG

2. Verbraucherrechte der Nutzerinnen

V. Fazit

 


Leseprobe:

"I. Bereitstellung digitaler Inhalte aus urheberrechtlicher Sicht

1

In Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen 1 sowie der parallel verabschiedeten Warenkauf-Richtlinie 2 sind mit §§ 327–327u BGB und §§ 475b, 475c BGB für Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen („digitale Produkte“ 3 ) bzw. den Verkauf von „Waren mit digitalen Elementen“ zum Gegenstand haben, detaillierte Verbraucherrechte vor allem in Bezug auf die Modalitäten der Bereitstellung und die Mängelgewährleistung eingeführt worden. Eine der wesentlichen Neuerungen bildet dabei die selbstständige Verpflichtung des Unternehmers zu Aktualisierungen (§ 327f BGB). Bei den neuen Vorschriften handelt es sich zwar um schuldrechtliche Regelungen, die in erster Linie das Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher im Rahmen eines zwischen diesen Personen geschlossenen Vertrages regeln. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die vertragliche Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen Berührungspunkte zum Urheberrecht aufweist. 4 Regelmäßig werden die vertragsgegenständlichen digitalen Inhalte oder digitalen Elemente einer Ware urheberrechtlich geschützte Werke enthalten bzw. sie verkörpern. Dementsprechend sind die Parallelen zwischen den beispielhaft genannten Anwendungsfällen in ErwGr 19 DIRL („Computerprogramme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien, Musikdateien, digitale Spiele, elektronische Bücher und andere elektronische Publikationen“) und der Aufzählung möglicher Werkarten in § 2 Abs. 1 UrhG augenfällig.

2

Es ist keine Besonderheit digitaler Inhalte, dass derjenige, der sich vertraglich dazu verpflichtet, der anderen Vertragspartei einen bestimmten Leistungsgegenstand zu verschaffen, etwaige Rechte Dritter an diesem Leistungsgegenstand beachten muss. So muss die Verkäuferin einer ihr (noch) nicht gehörenden Sache sicherstellen, dass sie der Käuferin das Eigentum tatsächlich verschaffen kann, da sie andernfalls ihre Pflicht gem. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt und sich ggf. schadensersatzpflichtig (§ 311a Abs. 2 BGB) macht. Gerade wenn die Bereitstellung digitaler Inhalte an eine Verbraucherin Gegenstand des Vertrags ist, geht es allerdings weniger darum, dass dieser die für die vertragsgemäße Nutzung der betreffenden Inhalte erforderlichen Rechte verschafft werden. Zu beachten ist nämlich, dass der reine Werkgenuss, also das Lesen eines Buches, das Anhören von Musik oder das Anschauen eines Films, von den urheberrechtlichen Verwertungsrechten nicht erfasst wird. 5 Etwaige dem Werkgenuss vorgelagerte Vervielfältigungshandlungen sind regelmäßig durch die Schranken in § 53 Abs. 1 UrhG oder § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt. 6 Wenn sich die vertragsgemäße Nutzung der digitalen Inhalte hierauf beschränkt, ist die Verbraucherin daher typischerweise nicht auf die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte angewiesen. 7 Das gilt wegen der gesetzlichen Schrankenbestimmung für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Computerprogramms in § 69d Abs. 1 UrhG im Grundsatz auch für Computerprogramme. 8
 

1. Verwertungshandlung der Unternehmerin
3

Nach dem „Stufensystem zur mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers“ knüpfen die urheberrechtlichen Verwertungsrechte vielmehr in erster Linie an die Verwertungshandlung derjenigen Person an, die..."


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.05.2022 14:23

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