OLG Hamm v. 3.2.2022 - 4 U 89/20

Verbraucherrecht: Online-Werbung aus 2018 musste nicht auf Spektrum der Energieeffizienzklassen hinweisen

Unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 ergibt sich für Lieferanten oder Händler energieverbrauchskennzeichnungsrelevanter Produkte keine Verpflichtung, in ihrer Werbung auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen. Die genannte Norm steht vielmehr unter dem Vorbehalt einer Konkretisierung durch einen delegierten Rechtsakt.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte im Dezember 2018 das Gewinnspiel „Bventskalender“ veranstaltet und dafür im Internet auf einer extra eingerichteten Seite Informationen veröffentlicht. Bei dem Gewinnspiel konnten die Teilnehmer an jedem der vierundzwanzig Tage vom 1.12.2018 bis zum 24.12.2018 unterschiedliche Sachpreise gewinnen. An jedem Gewinnspieltag zeigte die Beklagte unter der vorgenannten Seite unter der Überschrift „Auf diese tollen Gewinne dürfen Sie sich freuen“ jeweils eine „Kachelansicht“ mit den zukünftigen, d.h. für die nachfolgenden Gewinnspieltage vorgesehenen Sachpreisen.

Die einzelnen „Kacheln“ enthielten dabei eine Abbildung des jeweiligen Sachpreises mit einem kurzen Begleittext. Am 7.12.2018 enthielt die „Kachelansicht“ u.a. eine Abbildung einer „A Waschvollautomat“-Haushaltswaschmaschine. Neben der Waschmaschine und der Gerätebezeichnung „A Waschvollautomat“ enthielt die „Kachel“ noch den Schriftzug „Gesponsert von Persil“ sowie die Angabe der Energieeffizienzklasse („A+++“). Sonstige Angaben zu diesem Waschmaschinenmodell – insbesondere Angaben zum Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen – enthielt die „Kachel“ nicht. Auch an anderer Stelle enthielt der Internetauftritt der Beklagten keine weiteren Informationen zu dem hier in Rede stehenden Produkt. Erst an einem späteren Tag im Dezember 2018 veröffentlichte die Beklagte in ihrem Internetauftritt weitergehende Informationen zu dem Waschmaschinenmodell mit Angaben zum Spektrum der Energieeffizienzklassen („Spektrum A+++ bis D“).

Der Kläger mahnte die Beklagte, gestützt auf das Lauterkeitsrecht, ab. Es liege ein Verstoß gegen Art. 6 der VO (EU) 2017/1369 vor. Der Kläger forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der Abmahnkostenpauschale i.H.v. 229 € auf. Die Beklagte wies die Forderungen des Klägers zurück.

Das LG hat der Klage insoweit stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Dem Kläger stehen weder der von ihm geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu.

Als Anspruchsgrundlage kam hier allein die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Betracht. Ein Unterlassungsanspruch nach dieser Regelung besteht indes von vornherein nur dann, wenn die vom Kläger beanstandete Präsentation der Haushaltswaschmaschine „A Waschvollautomat“ zum Tatzeitpunkt – also am 7.12.2018 – gegen zu diesem Zeitpunkt – also am 7.12.2018 – geltende Marktverhaltensregelungen verstoßen haben sollte. An einem solchen Verstoß fehlt es hier allerdings.

Der Kläger hatte mit seinem Unterlassungsantrag das Fehlen einer Angabe zum Spektrum der Energieeffizienzklassen in der streitgegenständlichen Warenpräsentation beanstandet. Die Beklagte war indes zum Tatzeitpunkt nicht verpflichtet, in der streitgegenständlichen Warenpräsentation das Spektrum der Energieeffizienzklassen anzugeben. Eine derartige Verpflichtung ergab sich weder unmittelbar aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 noch aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 i.V.m. den Bestimmungen der – zum Tatzeitpunkt geltenden – VO (EU) 1061/2010; andere Grundlagen für eine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen kamen hier nicht in Betracht.

Da die in Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 angesprochene Verpflichtung von Lieferanten und Händlern, auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinzuweisen, erst noch der Konkretisierung durch einen delegierten Rechtsakt bedarf, ist es nicht überzeugend, bereits unmittelbar und allein aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 eine Verpflichtung zur Angabe des Spektrums der Energieeffizienzklassen herauszulesen. Eine solche „unmittelbare“ Verpflichtung würde auch der Regelungsübung des Unionsgesetzgebers, der gerade im Energieverbrauchskennzeichnungsrecht zu einem besonders hohen Detaillierungsgrad seiner normativen Vorgaben neigt, widersprechen.

Zudem würde die Annahme einer unmittelbar und allein aus Art. 6 Unterabsatz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 folgenden Verpflichtung dazu führen, dass Lieferanten und Händler, solange noch kein delegierter Rechtsakt vorliegt oder sofern ein delegierter Rechtsakt sich als unwirksam erweist, einen gewissen Spielraum hätten, wo und in welcher Weise sie auf das Spektrum der Energieeffizienzklassen hinweisen. Ein solcher Spielraum für Lieferanten und Händler liefe indes dem erklärten Ziel der VO (EU) 2017/1369, dem Kunden vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. Erwägungsgrund (10) zur VO (EU) 2017/1369), zuwider.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.4.2023, Quelle:



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2022 15:38
Quelle: Justiz NRW

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