Aktuell im ITRB

Die technische Perspektive zum neuen Produktmangelbegriff in § 327e BGB für digitale Produkte (Stiemerling, ITRB 2022, 64)

§ 327e BGB regelt den Begriff des „Produktmangels“ im Rahmen von Verbraucherverträgen über digitale Produkte als Teil der Umsetzung der EU‑Richtlinie 2019/770 zur Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Aus technischer Sicht stellen die dort aufgeführten Regelungen eine Konkretisierung der vorherigen Mangelbegriffe aus dem Kauf‑, Miet- und Werkvertragsrecht dar. Dieser Beitrag analysiert zunächst die sich aus dieser Gleichsetzung ergebenden Herausforderungen bei der forensischen Begutachtung im Streitfall. Anschließend werden die Konsequenzen bewertet, die sich aus den einzelnen Konkretisierungen von Anforderungen an digitale Produkte ergeben.


1. Ausgangssituation

2. Subjektive Anforderungen an digitale Produkte

3. Objektive Anforderungen an digitale Produkte

a) Bestimmung aus technischer Sicht

b) Herausforderungen bei der Bestimmung objektiver Anforderungen

4. Bewertung einzelner Konkretisierungen

a) Anleitungen

b) Sicherheit

c) Testversionen

d) Aktualisierungen

5. Fazit


1. Ausgangssituation

§ 327e BGB regelt den Begriff des „Produktmangels“ im Rahmen von Verbraucherverträgen über digitale Produkte als Teil der Umsetzung der EU‑Richtlinie 2019/770 zur Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Aus technischer Sicht stellen die dort aufgeführten Regelungen eine Konkretisierung der vorherigen Mangelbegriffe aus dem Kauf‑, Miet- und Werkvertragsrecht dar, die bisher – je nach Vertragsauslegung – auf digitale Produkte Anwendung fanden. Die Anforderungen sind aufgeteilt in subjektive Anforderungen, objektive Anforderungen und Integrationsanforderungen, die im Gegensatz zu den ursprünglichen Mangelbegriffen gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Nach der rechtlichen Bewertung durch Witzel analysiert dieser Beitrag zunächst die sich aus dieser Gleichsetzung ergebenden Herausforderungen bei der forensischen Begutachtung im Streitfall. Anschließend werden die Konsequenzen bewertet, die sich aus den einzelnen Konkretisierungen von Anforderungen an digitale Produkte ergeben.

2. Subjektive Anforderungen an digitale Produkte

Während die vorherigen Mangelbegriffe allgemein auf die vereinbarte Beschaffenheit, die Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, die Eignung für die gewöhnliche Verwendung und eine übliche Beschaffenheit abstellten, nennt § 327e BGB nun unter den subjektiven Anforderungen des digitalen Produkts als zusätzliche Konkretisierung möglicherweise vertraglich vereinbarte Anforderungen an seine

  • Menge,
  • Funktionalität,
  • Kompatibilität und
  • Interoperabilität.

Zudem wird im Bereich der subjektiven Anforderungen neben der Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung auch noch explizit auf im Vertrag möglicherweise zusätzlich vereinbarte Leistungsbestandteile wie

  • Zubehör,
  • Anleitungen,
  • Kundendienst und
  • Aktualisierungen

als Kriterien zur Erfüllung der subjektiven Anforderungen verwiesen. Diese Aspekte sollten also in einem Vertrag ausdrücklich als Leistungen aufgeführt sein, um vom Verbraucher eingefordert werden zu können.

3. Objektive Anforderungen an digitale Produkte

a) Bestimmung aus technischer Sicht


Im Bereich der objektiven Anforderungen wird neben der bekannten Eignung für die gewöhnliche Verwendung und der üblichen Beschaffenheit die üblicherweise auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zu erwartende Menge, Funktionalität und Kompatibilität gefordert. Hier fällt auf, dass die im subjektiven Bereich noch erwähnte Interoperabilität als Eigenschaft fehlt, so dass diese anscheinend immer ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden muss.

Darüber hinaus werden zusätzlich als objektive Anforderungen (also auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung) aufgeführt: (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.02.2022 11:46
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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