OLG Frankfurt a.M. v. 30.9.2021 - 6 U 68/20

Keine Irreführung durch Berufen auf Anscheinsbeweis bei angeblich entwendeten EC-Karten

Ein Zahlungsdienstleister verstößt nicht gegen § 675w S. 4 BGB, wenn er die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises erbringt, indem er darlegt, dass die Sicherheitsmerkmale von Zahlungskarten praktisch unüberwindbar sind. Eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG liegt nicht vor, wenn sich eine Bank zur Abwehr von Ansprüchen eines Kunden (hier: Erstattung von Beträgen, die mit einer angeblich entwendeten EC-Karte abgehoben wurden) auf die Regeln des Anscheinsbeweises beruft.

Der Sachverhalt:
Der Kläger machte gegen die beklagte Bank wettbewerbsrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- und Kostenerstattungsansprüche geltend. Anlass des Rechtsstreits war eine Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und einer Kundin. Die Beklagte hatte der Kundin eine Debitkarte zur Verfügung gestellt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, unter Einsatz der ihr mitgeteilten PIN Bargeldabhebungen an Geldautomaten vorzunehmen.

Im September 2018 wurden zwischen 11 und 12 Uhr an einem Geldautomaten drei Bargeldauszahlungen i.H.v. 990 € vorgenommen, die von dem Konto der Kundin abgebucht wurden. Gegen 17 Uhr ließ die Kundin die Karte sperren; sie sei ihr gestohlen worden. Die Kundin forderte die Beklagte zur Erstattung der abgebuchten Beträge auf, was diese ablehnte. Die Bargeldabhebung sei mit der Original-Debitkarte unter Eingabe der PIN erfolgt, so dass aufgrund des Anscheinsbeweises davon auszugehen sei, dass der Verwender der Karte Kenntnis von der PIN gehabt habe und diese nicht ausreichend geheim gehalten worden sei.

Der Kläger sah in dem Umstand, dass sich die Beklagte auf die Regeln des Anscheinsbeweises berief, eine wissentliche unlautere Irreführung. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Ein Unterlassungsanspruch steht dem Kläger insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG zu.

Zwar kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass § 675w S. 4 BGB mit der Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters zur Vorlage unterstützender Beweismittel zugleich ein Recht des Verbrauchers i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG statuiert. Die Beklagte hat jedoch nicht gegen § 675w S. 4 BGB verstoßen. Ein Zahlungsdienstleister verstößt nicht gegen § 675w S. 4 BGB, wenn er - wie hier - die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises erbringt, indem er darlegt, dass die Sicherheitsmerkmale von Zahlungskarten praktisch unüberwindbar sind.

Selbst, wenn man einen Verstoß gegen § 675w S. 4 BGB bejahen wollte, hätte die Beklagte keine irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG begangen. Ausweislich seiner Antragstellung hatte der Kläger es als irreführend angesehen, dass die Beklagte unter Berufung auf einen Anscheinsbeweis eine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung der Kundin behauptet und damit gleichzeitig konkludent behauptet habe, hierfür bedürfte es nicht der Vorlage unterstützender Beweismittel. Nach der hier vertretenen Auffassung hat die Beklagte den Anforderungen des § 675w S. 4 BGB genügt. Selbst wenn man das anders sehen wollte, hätte sie aber zumindest eine vertretbare Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht und damit keine falsche Tatsache behauptet, weshalb der Äußerung die erforderliche Eignung zur Täuschung fehlt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.11.2021 13:25
Quelle: LaReDa Hessen

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