LG Münster, Urt. v. 2.8.2021 - 25 O 56/17

Irreführende Werbung einer Gerätschaft zur Haarentfernung als "schmerzfrei"

Die Bewerbung eines Produktes (hier: Gerätschaft zur Haarentfernung) als "schmerzfrei" ist nach § 5 UWG als irreführende geschäftliche Handlung und nach Art. 7 Medizinprodukte-VO i.V.m. § 3a UWG als Rechtsbruch unzulässig, wenn sich durch die Anwendung Empfindungsstörungen (meistens) und Brandbläschen (20 Prozent) entwickeln.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet verschiedene Geräte für kosmetische Behandlungen an. Die Geräte G und W bedienen sich zur Haarentfernung der Intense-Pulsed-Light-Methode (IPL). Die Beklagte gab auf ihrer Website an, die Behandlung mit den Geräten sei "schmerzfrei". Zudem: "Die Hautverträglichkeit der Behandlung wurde in internationalen klinischen Studien mehrfach überprüft und nachgewiesen. Bieten Sie Ihren Kunden deshalb nur Behandlungen an, die die höchsten Sicherheitsanforderungen erfüllen."

Bei der Behandlung mit dem Gerät P werden sowohl Ultraschall als auch ein Hochvolt-Stromimpuls eingesetzt. Die Beklagte warb mit "durch zahlreiche Studien belegter Wirksamkeit" und dem "Einschleusen größerer Wirkstoffmoleküle in tiefe Gewebeschichten" durch die Behandlung. Das Produkt "entschlacke", führe zu einer "Aktivierung der Kollagen- und Elastinproduktion", bewirke ein "Bodyforming" und habe eine "Face-Lift-Funktion", die "bestimmte Gesichtspartien per Muskelstimulation" aufbaue.

Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, beantragte nach Zurückweisung einer Abmahnung durch die Beklagte die Unterlassung der genannten Werbeaussagen. Das Gericht gab der Klage in vollem Umfang statt.

Die Gründe:
Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte, weil diese durch die Werbeaussagen unzulässige geschäftliche Handlungen vornimmt.

Hinsichtlich der Geräte G und W ist die Kosmetik-VO unanwendbar, weil es sich nicht um kosmetische Mittel handelt, und ist das HWG unanwendbar, weil der Gebrauch der Geräte einen kosmetischen Eingriff darstellt. Die Bewerbung der Geräte als "schmerzfrei" ist ein Rechtsbruch nach Art. 7 Medizinprodukte-VO i.V.m. § 3a UWG. Die Anwendbarkeit der Medizinprodukte-VO auf Produkte zur Haarentfernung mittels Licht folgt aus deren Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anlage XVI Nr. 5.

Zur Überzeugung des Gerichts vollzieht sich der Prozess der Haarentfernung mittels der Geräte G und W nicht "schmerzfrei". Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen sowie der von der Beklagten vorgelegten Studie in ihrer Gesamtheit. Danach entwickelten die meisten Teilnehmer Empfindungsstörungen und 20 Prozent Brandbläschen, die binnen einer Woche narbenfrei verheilt seien. Sie hätten die Schmerzen auf einer Skala im mittleren Bereich verortet. Auch eine geringere Energiedichte der Geräte führt zu keiner anderen Beurteilung, weil die notwendige Energie dann durch längere Einwirkung aufgebracht werden muss. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Erwärmung auf 60 Grad Celsius und die Bildung von Brandbläschen schmerzhaft sind. Dabei ist nicht von Bedeutung, dass die Beklagte keine Garantie für die Schmerzfreiheit übernimmt, jedenfalls klärt diese nicht über das ebenfalls tatbestandliche Risiko der Behandlung, das Auftreten von Schmerzen, auf.

Die Werbeaussage "schmerzfrei" war außerdem zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig nach § 5 UWG, denn es handelte sich um eine objektiv unwahre Angabe. Diese war auch zur Täuschung der Verkehrskreise geeignet, an die sich die Werbung richtete (Ärzte, Apotheker und Kosmetiker), weil die Schmerzfreiheit ein solch zentrales Verkaufsargument der Beklagten bildete, dass die Entscheidungserheblichkeit auf der Hand liegt. Die Kenntnis der Verkehrskreise von der Studie und folglich von der objektiven Unwahrheit kann nicht unterstellt werden.

Hinsichtlich des Gerätes P ist die Kosmetik-VO unanwendbar, weil das Produkt lediglich gebraucht wird. Die Anwendung des Medizinproduktrechts kann offen bleiben, weil die Werbeaussagen jedenfalls irreführende Handlungen i.S.d. § 5 UWG darstellen und zudem gegen Spezialgesetze verstoßen. Den Effekt, größere kosmetisch eingesetzte, über die Haut aufgebrachte Moleküle zumindest in die Dermis "einzuschleusen", kann das Produkt nicht erzielen. Zudem ist nicht ersichtlich, welche als nachteilig anzusehenden, zu einer "Entschlackung" führenden Stoffe im Einwirkungsbereich des Gerätes vorhanden sein sollen. Die Werbeaussagen der Beklagten zur "Aktivierung der Kollagen- und Elastinproduktion", zum "Bodyforming" und "Face-Lifting" durch das Produkt sind ebenfalls unbelegt oder zur Überzeugung des Gerichts widerlegt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.11.2021 11:29

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