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Ausschluss und Beschränkung von Outsourcing in Softwarelizenzverträgen – eine Grauzone (Metzger, CR 2021, 573)

Die Europäische Kommission und der deutsche Gesetzgeber bemühen sich gegenwärtig mit dem vorgeschlagenen Digital Markets Act und der in Kraft getretenen 10. GWB-​Novelle die wettbewerbswidrigen Praktiken der großen internationalen Internetkonzerne besser als bislang in den Griff zu bekommen und dabei auch die gesammelten Daten und marktübergreifenden Praktiken zu erfassen. Die restriktiven Lizenzpraktiken großer Software-​Anbieter gegenüber Geschäftskunden bekommen demgegenüber vergleichsweise wenig legislative oder regulatorische Aufmerksamkeit, obwohl hier seit Jahrzehnten hohe Marktanteile und deutliche Abschottungs- und Leveraging-​Tendenzen bestehen.

Der Beitrag untersucht den Ausschluss und die Beschränkung von Outsourcing in Softwarelizenzverträgen als eine besondere Form des Ausnutzens einer dominanten Stellung auf dem betroffenen Softwaremarkt. Entsprechende Praktiken können nicht nur gegen die Vorgaben des geltenden und des künftigen Kartellrechts verstoßen, sondern auch in Konflikt zum Urheber- und AGB-​Recht stehen.

Grenzen der Vertragsfreiheit nach dem Urheber, Kartell- und AGB-​Recht

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Beschränkungen des Outsourcing

1. Restriktive Lizenzbedingungen

2. Ein Beispiel aus der Praxis

II. Urheberrechtliche Grenzen bei Beschränkungen von Outsourcing

1. Varianten des Outsourcing

2. Urheberrechtlich relevante Handlungen von Cloud-Anbietern und Kunden

a) Vervielfältigungen

b) Irrelevanz bloßer Weitergabe

3. Outsourcing als bestimmungsgemäße Benutzung

a) Maßstab

b) Beurteilung

c) Folge für Vervielfältigung

4. Kein Ausschluss des „zwingenden Kerns“ von § 69d Abs. 1 UrhG

III. Kartellrechtliche Grenzen bei Beschränkungen von Outsourcing

1. Missbrauchskontrolle bei Ausübung des Urheberrechts

2. Marktbeherrschende Stellung

3. Missbräuchliche Verhaltensweise

 


 

I. Beschrän­kungen des Outsourcing

 

1. Restriktive Lizenz­be­din­gungen

1

Die restrik­tiven Lizenz­be­din­gungen führender Softwa­rean­bieter gegenüber Geschäfts­kunden werden in der einschlä­gigen Fachli­te­ratur seit vielen Jahren beschrieben, haben jedoch nur vereinzelt zu Entschei­dungen von Gerichten und Behörden geführt. Wurde in den 1990er und 2000er Jahren um die recht­lichen Grenzen der Zuläs­sigkeit von CPU- bzw. System­ver­ein­ba­rungen gerungen,1 so standen in den letzten Jahren Restrik­tionen der Weiter­ver­äu­ßerung,2 der „indirekten Nutzung“3 sowie die hier näher beleuch­teten Verbote oder Einschrän­kungen der Nutzung von Software in Outsourcing- oder Cloud-Modellen im Fokus. Dass sich die Gerichte und Behörden nur selten mit diesen und weiteren Beschrän­kungen der Einsatz­mög­lich­keiten von Software befasst haben, liegt an der wenig ausge­prägten Streit­kultur im Softwa­re­li­zenz­recht. Oft stehen keine techni­schen Alter­na­tiven zur Verfügung, so dass die Abnehmer auf die weitere Koope­ration angewiesen sind. Auch sind Migra­tionen teuer und aufwendig. Dies führt dazu, dass die Unwirk­samkeit von Lizenz­be­din­gungen wegen Verstößen gegen das Kartell‑, Urheber- oder Vertrags­recht nicht vor Gericht geltend gemacht, sondern allen­falls als „bargaining chip“ in den Verhandlungen über Preise und Kondi­tionen verwendet wird. Die fehlende gericht­liche Durch­setzung ändert aber nichts daran, dass sich die Software­her­steller mit vielen ihrer gängigen Klauseln in einer Grauzone bewegen. Dies soll im Folgenden für den Ausschluss und die Beschränkung der Nutzung von Software im Outsourcing-Modell näher unter­sucht werden.

 

2. Ein Beispiel aus der Praxis

2

Als Beispiel für eine Beschränkung des Outsour­cings soll im Folgenden das aktuelle Lizenz­modell von Microsoft dienen. Die Standard­ver­träge und die sich hieraus ergebenden Beschrän­kungen sind im Internet frei abrufbar. Microsoft hat im August 2019 eine Erklärung veröf­fent­licht, wonach mit Wirkung ab dem 1.10.2019 neue Bedin­gungen für die Nutzung von Microsoft-Software bei der Inanspruch­nahme von Outsourcing oder Cloud-Diensten gelten.4 Dies gilt für alle ab diesem Zeitpunkt geschlos­senen Verträge sowie für Upgrades älterer Software. Produkte, die nur für „On Premise“-Nutzungen durch den Geschäfts­kunden lizen­ziert sind5, können danach nicht mehr im Cloud­modell der großen Cloud-Anbieter genutzt werden, oder nur sofern der Kunde zusätz­liche Lizenz­kon­di­tionen von Microsoft erwirbt („Software Assurance“ und „License Mobility“).

3

Diese Beschränkung betrifft die namentlich genannten Cloud-Anbieter Microsoft Azure, Alibaba, Amazon (einschließlich VMware Cloud auf AWS) sowie Google, die sich auf einer Liste der ausge­schlos­senen Cloud-Anbieter finden. (…)

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.09.2021 17:09

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