OLG Braunschweig v. 25.3.2021 - 2 U 35/20

Rechtschutz gegen unberechtigten DISPUTE-Antrag

Der Domaininhaber kann von einem Dritten, der einen unberechtigten DISPUTE-Antrag veranlasst hat, die Löschung des Eintrags gemäß § 812 Abs. 1 BGB verlangen. Der DISPUTE-Antrag ähnelt einer Anwartschaft auf die Domainregistrierung und stellt ein „Etwas“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB dar.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der Domain www.hxxx.de  und nutzt diese zur Weiterleitung auf eine andere Internetseite, auf welcher sie Reisen mit dem Fahrrad im Hinterland des Bodensees bewirbt. Der Beklagte trägt den Nachnamen „Hxxx“ und hat bei der D. einen DISPUTE-Antrag in Bezug auf die Domain der Klägerin gestellt, der zu einem weiterhin zugunsten des Beklagten bestehenden DISPUTE-Eintrag geführt hat.

Das LG hat die auf Einwilligung in die Löschung des DISPUTE-Eintrags und auf Unterlassung des Erwirkens weiterer entsprechender DISPUTE-Einträge gerichtete Klage ebenso abgewiesen hat wie die Widerklage des Beklagten, die auf einen Verzicht auf die Internetdomain und die Einwilligung in ihre Löschung gerichtet war.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel im vollen Umfang weiter und trug zur Begründung vor, dass ihr ein Anspruch gegen den Beklagten auf Löschung des DISPUTE-Eintrags nach § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB zustehe. Die Berufung vor dem OLG war teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von dem Beklagten gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB verlangen, in die Löschung des von ihm veranlassten DISPUTE-Eintrags für die Internetdomain „hxxx.de“ einzuwilligen bzw. diese zu veranlassen. Ein Anspruch auf Unterlassung künftiger DISPUTE-Einträge steht der Klägerin dagegen nicht zu.

Die Voraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs liegen vor. Durch die Veranlassung des DISPUTE-Eintrags hat der Beklagte nicht durch Leistung der Klägerin, sondern in sonstiger Weise „etwas“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erlangt. Als erlangtes Etwas im Sinne der allgemeinen Eingriffskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB kommt jeder vermögensrechtlich nutzbare Vorteil in Betracht, der von der Rechtsordnung einer bestimmten Person zugewiesen sein kann. Hierzu zählen nicht nur alle absoluten Rechte, der Besitz sowie Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten, sondern ebenso vorteilhafte Rechtsstellungen sonstiger Art, wie beispielsweise die Stellung eines Forderungsprätendenten bezüglich eines hinterlegten Betrags.

Eine solche vermögenswerte, vorteilhafte Rechtsposition ist dem Beklagte hier zugewachsen. Nach den auf der Webseite der D. abrufbaren D.-Domainbedingungen kann die Domain mit einem DISPUTE-Eintrag versehen werden, wenn ein Dritter Tatsachen glaubhaft macht, die dafürsprechen, dass ihm ein Recht zukommt, das durch die Domain möglicherweise verletzt wird, und wenn er erklärt, die daraus resultierenden Ansprüche gegenüber dem Domaininhaber geltend zu machen. Der DISPUTE-Eintrag hat Wirkung für ein Jahr, wird aber von der D. verlängert, wenn sein Inhaber eine Verlängerung beantragt und nachweist, dass die Auseinandersetzung noch nicht abgeschlossen ist. Eine Domain, die mit einem DISPUTE-Eintrag versehen ist, kann vom Domaininhaber weiter genutzt, jedoch nicht auf einen Dritten übertragen werden. Zudem bewirkt der DISPUTE-Eintrag, dass, sobald die Domain durch den Domaininhaber freigegeben wird, der Inhaber des DISPUTE-Eintrags nachrückt und unmittelbar zum neuen Inhaber der Domain wird.

Vor diesem Hintergrund sichert sich der Beklagte mit dem DISPUTE-Eintrag nicht nur die Priorität gegenüber etwaigen weiteren Gleichnamigen, sondern bewirkt für sich auch einen Domainerwerb, sofern die Domain freigegeben wird. Diese für den Beklagten vorteilhafte und vermögensrechtlich verwertbare Rechtsposition ähnelt einer Anwartschaft auf die Domainregistrierung und stellt ein „Etwas“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB dar.

Die Rechtsposition hat der Beklagte auch im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB „auf Kosten“ der Klägerin erlangt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für den Bereicherungsanspruch ist die Verletzung einer Rechtsposition, die nach der Rechtsordnung dem Berechtigten zu dessen ausschließlicher Verfügung und Verwertung zugewiesen ist. Der erlangte Vermögensvorteil muss dem Zuweisungsgehalt der verletzten Rechtsposition widersprechen, so dass der Eingriffskondiktion jeder vermögensrechtliche Vorteil unterliegt, den der Erwerber nur unter Verletzung einer geschützten Rechtsposition und der alleinigen Verwertungsbefugnis des Rechtsinhabers erlangen konnte.

Schließlich erfolgte der Erwerb der Rechtsposition durch den Beklagten auch „ohne rechtlichen Grund“ im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB. Der Beklagte hat keine Rechte gegen die Klägerin hinsichtlich der Domain „hxxx.de“, die den von ihm erwirkten DISPUTE-Eintrag stützen könnten.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.04.2021 14:27
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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